21. März 2018

Leserbrief

„Sich frei machen von fertigen Lösungen“

Zum Thema „Schulkinderhaus am Erlenborn“ erreichte die Redaktion nachfolgender Leserbrief von Christian Wiener. Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Wenn auch Sie einen Leserbrief veröffentlichen möchten, senden Sie ihn unter Angabe Ihrer vollständigen Adresse und einer Rückruf-Telefonnummer (beides nicht zur Veröffentlichung) an info@schwalbacher-zeitung.de.

Die Bürgerbefragung zum geplanten Bau eines Schulkinderhauses „Am Erlenborn“ liegt nun bereits einige Wochen zurück und es sieht leider so aus, als würde der Streit ebenso erbittert weitergeführt, wie vor der Abstimmung. Dabei stehen zwei Themen im Hintergrund, deren Wichtigkeit wohl keine Seite bezweifelt. Zusätzlichen, für Mieter bezahlbaren Wohnraum im Rhein–Main–Gebiet zu schaffen, ist ein ebenso wichtiges Ziel, wie für eine ausreichende Betreuung von Schulkindern zu sorgen.
Leider ist dieser Streit in Schwalbach von Anfang an auf ein „Entweder – Oder“ reduziert worden, verbunden mit einer Fokussierung auf den Platz zwischen bisherigem Wohngebäude und der Schule. Dass mit der Frage „Schulkinderhaus Am Erlenborn“ zusätzlich parteipolitische Positionen verbunden sind, macht es nicht einfacher und es wäre sicherlich naiv zu glauben, dass sich das im Jahr der Landtagswahl leicht ändern lässt.
Ob die Schwalbacher dort ein Schulkinderhaus wollen, ist jeweils Interpretationssache. Von jenen, die an der Wahl Teil genommen haben, ist ein überwältigender Anteil für den Bau. Dass jedoch rund 77 Prozent der Wahlberechtigten sich überhaupt nicht für das Thema erwärmen konnten, kann auf Gleichgültigkeit oder Ablehnung hinweisen.
Dabei erschöpft sich die Frage einer Schulkinderbetreuung doch keineswegs in dem Bau oder Nicht–Bau eines Gebäudes auf dem umstrittenen Grund. Vielmehr geht es um die Frage, wie Schulkinder heute angemessen betreut werden können. Es geht um ein Konzept für eine Ganztagsbetreuung in Schwalbach. In dieser Frage sind Schule, Schulträger, Stadt und Bürger gefordert.
Konzeptionelles Denken setzt voraus, sich zunächst frei zu machen von frühzeitigen räumlichen und inhaltlichen Festlegungen. Das schafft Raum für die Fantasie und Freiheit, die nötig ist, um sich dann in einem weiteren Schritt wieder dem Machbaren zu widmen. In der Diskussion sind Begriffe wie Ganztagsschule oder andere bebaubare Räume rund um die bisherige Schule genannt worden – hier etwas zu bewegen, gelingt am Ehesten, wenn viele Menschen kreativ mitdenken. Dabei müssen alle für die Schule und die Betreuung der Kinder zuständigen Stellen miteinbezogen werden, denn die Schulkinderbetreuung ist kein ausschließlich kommunales oder gar kommunalpolitisches Thema. Schule und Schulträger müssen mit in die Verantwortung genommen werden, und zwar von den Befürwortern des Bürgerbegehrens und den Gegnern. Entscheidend ist auch, dass diese Thematik nicht auf den „St. Nimmerleinstag“ verschoben wird. Vielleicht kommt ja am Ende etwas Besseres heraus, als ein Gestückel mit drei bis fünf Standorten zur Schulkinderbetreuung.
Kreativ denken und sich frei machen von fertigen Lösungen – im Grunde gilt das Gleiche auch für die zweite Position in diesem Streit. Während gleichzeitig der Bebauungsplan für das Gebiet „Hinter dem Flachsacker“ öffentlich ausgelegt ist, steht zur Diskussion, in einem wegen des Wasserschutzes heiklen Gebiet ein teures Wohnhaus zu bauen. Die Frage nach bezahlbaren Wohnraum in Schwalbach ist sicherlich komplexer. Vielleicht kommt ja am Ende etwas Besseres heraus, als ein extrem teurer Wohnhausbau am umstrittenen Ort.
Ich habe die verwegene Hoffnung, dass sich die weitere Diskussion nicht in Grabenkämpfen erschöpft, deren Ziel gewinnen oder verlieren ist. Hinter beiden scheinbar so unvereinbaren Positionen stehen wichtige Aufgaben, die zu schade sind, zwischen zwei Fronten zerrieben zu werden.

Christian Wiener, Schwalbach

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