4. November 2016

Zeitfenster-Vortrag diskutiert Kirchenprojekt von Papst Franziskus

Eine barmherzige Kirche

Am zweiten Abend des diesjährigen Zeitfensters im Rahmen der Bildungsarbeit der Katholischen Kirchengemeinde Schwalbach sprach Dr. Thomas Wagner von der Katholischen Akademie Frankfurt im Pfarrsaal in der Taunusstraße zum Thema: „Das Franziskus-Projekt: eine barmherzige Kirche in einer verwundeten Welt.“

Der Referent trug zunächst die Kerngedanken des neuen „Franziskus-Projekts“ vor – ausgehend von den Gedanken des zweiten Vatikanischen Konzils und eines heute noch aktuellen Buches von Karl Rahner von 1972 zum Strukturwandel der Kirche. Anschließend erläuterte er den Vortrag mit ausgewählten Textstellen aus Konzilsdokumenten, aus den Konferenzen der lateinamerikanischen Bischöfe sowie von Papst Franziskus. Dann gab es eine Diskussion mit den zahlreichen Anwesenden und weitere Texte zur Besinnung am Schluss.
Zusammengefasst in den Worten des Referenten beschreitet das Franziskus-Projekt den Weg vom bisherigen Schwerpunkt auf Rechtgläubigkeit zurück zum Evangelium. Es wendet sich hin zu den drängenden sozialen Fragen der Welt und ihrer Verwundung durch die Missachtung der Schöpfung, von der Kirche „als Moralinstanz zur armen, samaritanischen Kirche“, „vom hierarchischen kirchlichen Feudalsystem zum vielgestaltigen Volk Gottes“ und von der Grundlegung auf das „Kirchenrecht zur Verwirklichung des Reiches Gottes“. Das Ganze gründet auf Barmherzigkeit und Vergebung und nicht auf Verurteilung.
In der angeregten Diskussion zeigten sich die Zuhörerschaft und auch der Referent im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des „Franziskus-Projekts“ zurückhaltend. Die Frage, ob sich Franziskus mit seinem Projekt im Vatikan und überhaupt in der Kirche durchsetzen kann, blieb weiter offen. Gut 50 Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil sind dessen fortschrittliche Gedanken weit von der Realität der katholischen Kirche entfernt. Die vielen volksnahen Ansätze in den lateinamerikanischen Kirchen seit der Versammlung von Medellín 1968 habe die Situation der Armen nicht wesentlich verbessert.
Die Bemühungen von Benedikt XVI. mit seiner Freiburger Rede von 2011, jetzt fortgesetzt in seinem neuesten Bestseller „Letzte Gespräche“, die Kirche in Deutschland zu „entweltlichen“, wenn sie auch ganz anders begründet sind als die vergleichbaren Bemühungen von Franziskus, haben bisher in der offiziellen katholischen Kirche Deutschlands kaum Resonanz oder offene Diskussionen hervorgerufen. Immer mehr Menschen wenden sich von der Kirche ab. Die Jugend scheint nicht mehr erreichbar. Sie erwarte von der Kirche keine Antworten auf ihre Fragen, wie ein Diskutant sagte.
Schließlich wies der Referent aber auf zwei Zeichen der Hoffnung auf Veränderung hin. In einer neuerlichen Botschaft zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung vom 1. September hat Papst Franziskus die Menschen zu einem neuen Werk der Barmherzigkeit aufgerufen: „Die Sorge um das gemeinsame Haus“. Das bedeutet, dass das Heil für die verwundete Welt nicht von der offiziellen Kirche oder gar von der Spitze der Hierarchie aus erreicht werden kann, sondern von unten, von jedem einzelnen. Wie eine solche Bewegung aber die Welt verändern kann, auch angesichts des Schwundes der Kirchenmitglieder, und insbesondere innerhalb der Jugend, ist doch sehr fraglich.
Müsste nicht, wie ein weiterer Diskutant sagte, die neue Vision von Franziskus – wie in einer gut organisierten großen Firma, nicht nur beschrieben und verkündet werden, sondern in einer durchorganisierten Form von der Spitze über alle Hierarchiestufen im Vatikan, in den nationalen Kirchen, in den Diözesen und schließlich allen Kirchengemeinden konkretisiert und durchgesetzt werden? Und die andere derzeitige Hoffnung auf Veränderung sei, so der Referent der neue Bischof, der schon gezeigt habe, dass er auf die Menschen zugehe. red

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert