22. Dezember 2016

Bibelforscher Sven Lichtenecker sprach über das Leben der Christen in einer islamischen Welt

Christen in der heutigen Türkei

Am 28. November sprach der Bibelforscher Sven Lichtenecker vom Bibelhaus in Frankfurt im Pfarrsaal der der katholischen Gemeinde zum Thema „Christen heute im Nahen Osten“. Da die Lage der Christen im Nahen Osten insgesamt zu diffus und nicht hinreichend präzise in einem Vortrag zu klären sei, erklärte der Referent gleich zu Beginn, dass er sich auf das Thema „Christentum in der modernen Türkei“ beschränken wolle.

Sven Lichtenecker begann mit einer eingehenden Analyse der Entwicklung des Christentums in Anatolien seit den Anfängen der Missionierung des Apostel Paulus. Er hob die Rolle, die das Christentum im byzantinischen Reich bis zur Eroberung des Gebiets durch die muslimischen Osmanen spielte, hervor. Nach der Legalisierung des Christentums im Jahre 313 unter Kaiser Konstantin war die Gegend um Konstantinopel zunächst das Zentrum des Christentums.
Unter der osmanischen Herrschaft ab dem 13. Jahrhunderts gab es eine durchgehende Duldungspolitik gegenüber den Christen. Wenn sie sich der Herrschaft unterwarfen, genossen sie, wie auch andere Religionen, insgesamt die Freiheit der Ausübung ihrer Religion, mussten aber eine Sondersteuer entrichten. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht im 17. Jahrhundert waren die muslimischen Osmanen in ihrem Reich in der Minderheit. Eine grundlegende Verschlechterung und zunehmende Diskriminierung der Christen trat erst durch den Eingriff der Westmächte im ersten Weltkrieg und die laizistische Revolution des Mustafa Kemal Atatürk mit dem Untergang des osmanischen Reiches ein.
Unter Kemal Atatürk wurde die Türkei zu einem Nationalstaat ethnischer Türken, nicht unbedingt muslimisch. Immer wieder und heute besonders gab und gibt es starke Bewegungen gegen die tatsächliche oder vermeintliche Unterdrückung des wahren Islam durch die Kemalisten. Heute sind nur noch etwa 0.2 Prozent der Bevölkerung der Türkei Christen. Die überwiegende Mehrheit lebt in der Gegend um Istanbul.
Die aktuelle Situation fasste der Referent wie folgt zusammen: Die islamische Welt befindet sich einerseits in einem innerislamischen Bürgerkrieg zwischen den gemäßigteren, toleranteren Teilen und den radikalen, islamistischen Hardlinern. Und andererseits in einem innerislamischen Kulturkampf zwischen den moderneren, den westlichen Lebensformen zugewandten Teilen und der radikalen, kämpferischen Auslegung eines rückwärtsgewandten Islams.
Während die westliche Lebensauffassung durchaus Sympathisanten unter den Moslems hat, gründet die kämpferische Seite im Gefühl einer tiefen Demütigung durch die westliche Welt. Dagegen wehren sich radikale Moslems mit Ablehnung. Einen Ausweg aus dieser Lage könne es nur geben, wenn die westliche Welt dem Islam mit Achtung und Respekt begegnet. Sie müsse versuchen die moderneren Tendenzen im Islam im Geiste wahrer Toleranz zu stärken, ohne auf der Durchsetzung ihrer Wertvorstellungen zu beharren.
Das würde aber letztlich die Aufgabe des Anspruchs auf universelle Durchsetzung der westlichen Werte der Menschenrechte und der Gleichheit aller Menschen in persönlicher Freiheit bedeuten, die auch der moderatere Islam so nicht akzeptieren kann. Wohin das dann führen wird, ließ der Referent völlig offen und damit auch, ob der von Huntington analysierte Kampf der Kulturen damit unvermeidlich ist. red

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