20. August 2020

Die Buchtipps der Schwalbacher Zeitung

Lesestoff

Unter der Überschrift „Lesestoff“ stellen wir ihnen ab sofort immer donnerstags Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt vor. Es erwartet sie ein bunter Mix aus Belletristik und Thrillern, Sachbüchern und Bildbänden, Bestsellern und Geheimtipps.


„Tod im Bankenviertel“

Nur wenige Kilometer von Schwalbach entfernt wird der Sturz eines Mannes aus dem 47. Stock des Frankfurter Hypo-Union-Towers von der Polizei schnell als Selbstmord abgetan. Doch die dort herrschenden Sicherheitsvorkehrungen lassen den jungen Wirtschaftsjournalisten Oskar Willemer zweifeln: Warum sollte sich jemand gerade von diesem Tower der Skyline stürzen? Schnell wird ihm seine Neugier zum Verhängnis, als er ungewollt kriminellen Finanzprofis auf die Schliche kommt, die einen Absturz der Aktienkurse provozieren wollen, um daran zu verdienen. Als seine Gegenspieler auch auf ihn aufmerksam werden, wird Oskar vom Jäger zum Gejagten. Mit Hilfe der jungen Wirtschaftsprofessorin Franziska Böhning und mit Unterstützung der Bundesbank will Oskar nicht nur einen Börsencrash verhindern, sondern muss Franziska und sich selbst aus der Schusslinie bringen.

Als stellvertretender Chefredakteur der Börsen-Zeitung weiß Autor Detlef Fechtner, wie die Finanzmärkte ticken. Mit viel Einfühlungsvermögen für seine Protagonisten erzählt er aus der Innenwelt der Börsen-Szene. Er gewährt seinen Lesern dabei nicht nur Einblick in die Fragilität digital gestützter Handelssysteme, sondern zeigt auch, wie einfach Manipulationen durch gewiefte Gauner möglich sein können. „Tod im Bankenviertel“ schildert das Zusammenspiel von Händlern, Bankern und Journalisten am Finanzplatz, wo wenige Nachrichtenzeilen Kurse abstürzen lassen können und die Aussicht auf schnelle Gewinne manche dazu verführt, es mit der Einhaltung des Rechts nicht so genau zu nehmen.

Detlef Fechtner: „Tod im Bankenviertel“
Societäts Verlag, Frankfurt 2020. 256 Seiten, 15 Euro.


„Ich bin ein Laster“

Vor kurzem wurde bekannt, dass Kanada als Partnerland der Buchmesse im Oktober nur virtuell in Frankfurt vertreten sein wird. Im Jahr 2021 soll sich das Land dann mit eigenem Pavillon, Autorenlesungen und allem, was sonst noch zur großen Büchershow gehört, präsentieren. Eine Entscheidung, die auch Auswirkungen auf einige für den Herbst geplante Neuerscheinungen haben wird, denn mancher Verlag wird die geplanten Veröffentlichungen seiner kanadischer Autoren wohl auf den Herbst kommenden Jahres verschieben.

Wer schon jetzt Lust auf Literatur aus Kanada verspürt, dem legen wir den Roman „Ich bin ein Laster“ von Michelle Winters ans Herz. In ihm entdecken Agathe und ihr Ehemann Réjean das Geheimnis einer harmonischen und sinnlich erfüllenden Ehe: großzügig akzeptierte kleine Lügen. Auch nach 20 Jahren freut sich Agathe über die angeblichen Erfolge ihres Gatten beim Angeln, obwohl der mitgebrachte Fisch aus dem Kühlregal kommt. Als Réjean von einem Angelausflug nicht mehr heimkehrt, tun sich allerdings ein paar Fragen auf. Der trauernden Agathe geht bald das Geld aus, sie findet einen Job in einem Elektronikgeschäft. Ihre Kollegin Debbie bringt ihr das Autofahren, das Rock-and-Roll-Tanzen und noch so manches andere bei. Gleichzeitig wird Agathe von Réjeans bestem Freund heimlich verfolgt, bis der Verschwundene einigermaßen verändert plötzlich wieder vor der Tür steht. Das bereits im März auf Deutsch erschienene Debüt von Michelle Winters ist Krimi und Liebesgeschichte in einem. Ein Roman über das Aufeinandertreffen von anglo- und frankophoner Kultur in Kanada, mit Witz und überraschenden Wendungen, auch wenn in der deutschen Übersetzung der reizvolle Sprachmix der Originalfassung aus Englisch und Französisch fehlt.

Michelle Winters: „Ich bin ein Laster“
aus dem kanadischen Englisch von Barbara Schaden
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2020. 144 Seiten, 18 Euro.


„Bowies Bücher“

Ob „Heroes“, „Let’s Dance“ oder „Ashes to Ashes“ – Mit seinen Songs hat David Bowie ganze Generationen berührt. Die Frage, was für ihn das vollkommene irdische Glück sei, hat der 2016 verstorbene Künstler in einem Interview mit der Zeitschrift „Vanity Fair“ mit „Lesen“ beantwortet. Drei Jahre vor seinem Tod erstellte Bowie eine Liste mit einhundert Büchern, die sein Leben verändert haben – eine Liste, die einer besonderen Autobiografie gleichkommt. David Bowie hat Literatur geliebt. Er hat immer und überall gelesen, über Bücher gesprochen und sie sogar rezensiert. Unter den einhundert Werken, die ihm am wichtigsten waren, sind „Madame Bovary“, „Clockwork Orange“, „Flauberts Papagei“ und „Nachdenken über Christa T“. Manche gehören zum klassischen europäischen Kanon, andere sind nur Eingeweihten bekannt – sie alle haben ihn inspiriert und zu dem gemacht, der er war. John O’Connell stellt diese Bücher in hundert kurzen Essays vor; jeder von ihnen wirft einen neuen Blick auf den Menschen und Künstler David Bowie, auf seine Arbeit und die Zeit, in der er lebte. „Bowies Bücher“ ist so nicht nur eine ungewöhnliche Liste mit Büchern, die sich zu entdecken lohnen, sondern auch eine unterhaltsame Art, einen der größten Künstler der vergangenen Jahrzehnte neu kennenzulernen.

John O’Connell: „Bowies Bücher“
aus dem Englischen von Tino Hanekamp
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 384 Seiten, 16 Euro.

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