30. September 2020

Der Arbeitskreis Avrillé lud zum ersten Vortrag nach dem Corona-Lockdown ins Bürgerhaus ein

Vortrag über die Dreyfus-Affäre

Der Historiker Matthias Hofmann referierte im großen Saal des Bürgerhauses über die Affäre Alfred Dreyfus. Foto: Neumann-Paul

Am Dienstag vergangener Woche fand nach langer Corona-bedingter Pause der erste Vortragsabend im Rahmen des Kulturprogramms des Arbeitskreises Avrillé statt. Der Historiker Matthias Hofmann referierte vor 30 Interessierten über die Affäre Alfred Dreyfus im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Eingeladen hatte neben dem Arbeitskreis Avrillé im Kulturkreis Schwalbach auch die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Nach einer kurzen Einführung der ehemaligen Vorsitzenden des Arbeitskreises Städtepartnerschaft, Margot Comes, ging der Referent zunächst auf den deutsch-französischen Krieg 1870/71 ein, dessen Auswirkungen auf Gesellschaft und Staat, insbesondere auf die Situation des Elsass, aus dem Alfred Dreyfus, stammte, und seine Biografie. Die Anklage und Verurteilung wegen Landesverrats zugunsten des deutschen Kaiserreichs wurden zum einen wegen der familiären Bindungen des Offiziers an das Elsass, das an Deutschland gefallen war, zum anderen teils latent, teils offen durch den Antisemitismus gegenüber dem Juden Alfred Dreyfus negativ beeinflusst.
Seine Verurteilung basierte auf rechtswidrigen Beweisen und zweifelhaften handschriftlichen Gutachten. Alfred Dreyfus, der auf die Teufelsinsel verbannt wurde, vertraute bei seinen Bemühungen um seine Rehabilitierung loyal auf Militär und Justiz, während es nicht zuletzt auf Grund der Solidaritätsbekundungen – bis hin zu Emile Zolas berühmter Schrift: J’accuse – zu einer Spaltung der französischen Gesellschaft kam, die auch nach Aufdeckung der Intrige, Entlarvung des wahren Verräters, Revision anhielt. Auch nach seinem Freispruch und der Aufnahme in die Ehrenlegion blieb Alfred Dreyfus noch lange nationalistisches, antisemitisches Hassobjekt, auf das immer wieder Anschläge verübt wurden.
1935 starb Dreyfus, seine Frau Lucie, die sich engagiert für die Rehabilitierung ihres Mannes eingesetzt hatte, flüchtete 1940 aus dem vom Deutschland besetzten Teil Frankreichs in die freie Zone, um der Judenverfolgung zu entgehen, und überlebte den II. Weltkrieg versteckt in einem Nonnenkloster.
Der Referent entwarf ein anschauliches und lebendiges Bild der historischen Vorgänge und besonders der Person Alfred Dreyfus‘, der Intrigen und der Polarisierung der französischen Gesellschaft Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhundert, die in der Frage der beantragten, aber noch nicht vollzogenen Überführung der „Ikone“ Dreyfus ins Pantheon bis heute wirkt.
Monika Beck gab einige ergänzende Hinweise auf die Spaltung auch der Künstler- und Schriftstellerszene in der Zeit in Sachen Dreyfus und verwies auf die nächste Kultur-Veranstaltung des Arbeitskreises am Freitag, 2. Oktober: Roman Polanskis Film „Die Intrige“ aus dem Jahr 2019, die aktuellste künstlerische Bearbeitung des Vorfalls. red

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