27. März 2015

Vor genau 70 Jahren endete in Schwalbach der zweite Weltkrieg

Vier schützende Hände über Schwalbach

Auch die alte Schule wurde bei den Bombenangriffen 1944 und 1945 schwer beschädigt. Repro: pelo

Vor 70 Jahren in Schwalbach: Am kleinen Kirchturm wehte die weiße Fahne. Die schützende Hände von James Elmer Spylglass und Marcel Vasselin bewahrten Schwalbach vor Unheil.

Knapp sechs Wochen vor dem eigentlichen Ende des zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945 erreichten die US-Streitkräfte Frankfurt und damit auch das Umland der Stadt. Der Einmarsch stieß kaum auf Widerstand. Am 29. März verkündete der US-Radiosender Luxemburg, dass die Stadt komplett in amerikanischer Hand sei. Am Vormittag des 29. März bewegten sich die amerikanischen Truppen von Höchst in den Vordertaunus.
Es war ein sonniger Tag. Der Kalender schrieb Gründonnerstag, Ostern stand vor der Tür. Kurz vor der Mittagszeit erreichte das US-Militär die Landgemeinde Schwalbach. Augenzeugen berichten: „Rechts und links der Schulstraße schritten in kurzen Abständen hintereinander amerikanische Soldaten mit Gewehren im Anschlag. In der Mitte fuhren große Jeeps mit Ladepritschen, „Waepons Carrier“ genannt. Als Zeichen der Kapitulation und dafür, dass sich keine Soldaten der deutschen Wehrmacht im Ort aufhielten, hingen in der Schulstraße und in der Taunusstaße vereinzelt weiße Fahnen.
Nicht zu übersehen war aber die weiße Fahne am kleinen Kirchturm der katholischen Pfarrkirche St. Pankratius. Der Franzose Marcel Vasselin war auf den Turm hinaufgeklettert und hatte die weiße Fahne gehisst. Der etwa 25 Jahre alte Marcel Vasselin gehörte zu einer Gruppe von 20 Franzosen, die ihr Nachtquartier im Saal des Gasthauses „Zum Schwanen“ hatten.
Als Kriegsgefangener war er 1941 nach Schwalbach gebracht worden, wo er im Futtermittelgeschäft von Valentin Müller zur Arbeit verpflichtet war. Er steuerte ein Pferdefuhrwerk und arbeitete täglich in der Landwirtschaft. Mit seiner Aktion auf dem Kirchturm hat Marcel Vasselin sicher dazu beigetragen, dass Schwalbach vor weiteren Schäden verschont blieb. Die Luftangriffe 1944 und Anfang 1945 hatten etwa 30 Opfer in der Zivilbevölkerung gefordert und großen Sachschaden angerichtet.
Der Einmarsch der US-Streitkräfte erfolgte ohne Zwischenfall. „Wir waren sehr froh, dass es so kam“, sagte die damals praktizierende Landärztin Dr. med. Zieger in einem Gespräch zu ihren Lebzeiten. Laut Ziegers Aussagen war Schwalbachs Bevölkerung zuvor noch aufgefordert worden, vor den Amerikanern in Richtung Wetterau zu fliehen. Die Schwalbacher aber blieben in ihrem Ort und warteten den Einmarsch der Amerikaner ab.
Schwalbach hatte in den Tagen bei Kriegsschluss neben Marcel Vasselin noch einen anderen „Beschützer“, den schwarzen US-Bürger James Elmer Spyglass. Er hat 1944, nach den schrecklichen Bombennächten über Frankfurt und der Zerstörung seiner Wohnung in Frankfurt Zuflucht, in Schwalbach gefunden. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass dieser Mann im Gedächtnis der älteren Schwalbacher haften geblieben ist. Seine Hilfsbereitschaft begann noch vor dem Einmarsch der US-Militärs. Er war dann effizient als Fürsprecher bei der Besetzung der Amerikaner und hat vielen über die folgenden Hungerjahre bis 1949 geholfen.
James Elmer Spyglass hat viel Gutes für die Gemeinde Schwalbach getan. Die Gemeindevertretung verlieh ihm deshalb am 9. November 1954 das Ehrenbürgerrecht. Ihren Ehrenbürger würdigte die Stadt im März 2013 mit der Enthüllung einer Informations-Tafel am Haus im Steinweg, in dem er einst wohnte.
Während der Name von James Elmar Spyglass seit 1994 mit der Verleihung des gleichnamigen Preises durch die Stadt Schwalbach seine persönliche Wertschätzung erhalten hat, ist der Name des Franzosens Marcel Vasselin in der Zeitgeschichte Schwalbachs verblasst. Der Wohnsitz seiner verbliebenen Angehörigen ist nicht bekannt, um Nachforschungen über sein Leben zu erforschen. pelo

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