13. Februar 2017

Abiturienten der AES diskutieren mit Experten über Sterbehilfe und Sterbebegleitung

Über das Sterben sprechen

„Warum sollen wir uns mit einem solch sperrigen Thema kurz vor unserem Abitur beschäftigen?“, fragt der Abiturient Malte kurz vor Beginn des Projekttages die mit der Organisation betrauten Lehrkräfte der AES Schwalbach, Nina Pötzl und Jochen Kilb. Und diese antworten ihm und den Mitabiturienten der Gegenfrage „Warum sollten Sie das nicht tun?“

Traditionell am Ende ihrer Schulzeit beschäftigen sich die Abiturienten der AES einen Tag lang mit einem gesellschaftlich oder politisch relevanten Thema, und in diesem Jahr konnte man zum Thema „Sterbehilfe/Sterbebegleitung“ hochkarätige Referenten gewinnen.
Eingestimmt auf den Tag wurden die etwa 150 Schüler durch ein Anspiel der Theatergruppe DS der E-Phase, die ein beklemmendes viertelstündiges Theaterstück darbot, in dem es um einen an Demenz erkrankten Familienvater ging, dessen Angehörige und Kinder eine schwere Entscheidung treffen mussten.
In vier Expertengruppen kamen die Schüler im Anschluss mit insgesamt sechs Referenten ins Gespräch und diskutierten zum Teil heftig und kontrovers:
Professor Leo Latasch, Mitglied im Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienst (ÄLRD) für die Stadt Frankfurt und Mitglied im Deutschen Ethikrat konnte aus seiner 35jährigen Praxis als Notfallmediziner berichten und verblüffte die Abiturienten mit manch überraschender Aussage: „Es gibt nahezu keinen Arzt, der nicht schon mehrfach aktive Sterbehilfe geleistet hätte.“
Pater Josef Schuster, Professor Emeritus für Moraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt, stellte den Standpunkt der katholischen Kirche dar und verwies auf das menschliche Leben als „fundamentalstes Gut“.
Gudrun Westphal aus Oberursel und Helga Liedtke aus Frankfurt von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) zeigten den Schülern eine andere Perspektive auf, indem sie darauf verwiesen, wie sie ältere Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleiten, indem sie beispielsweise gemeinsam mit diesen Patientenverfügungen verfassen.
Die Begleitung von Sterbenden ist auch das Anliegen von Theda Mirwald und Andreas Valbert vom Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst (AHPB) Bad Soden. Allerdings mit einer klar christlichen, dem Leben und – trotz allem möglichen Leiden am Lebensende – der Lebensfreude zugewandten Ausrichtung.
Die Gegensätzlichkeit der Standpunkte kam in der abschließenden Podiumsdiskussion aller sechs beteiligten Experten zum Ausdruck. Einigkeit kam in einem einzigen Punkt auf: Alle Diskutanten gingen miteinander konform, dass das im November 2015 vom Bundestag beschlossene neue Gesetz zum Verbot der gewerbsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung in der Praxis deutlich größere Schwierigkeiten bereitet, als es beim vorher geltenden Sterbehilfegesetz der Fall war.
Am Ende des Projekttages verabschiedete Schulleiterin Anke Horn die Schüler und animierte sie zu weiteren Diskussionen in und außerhalb der Schule über dieses wichtige Thema. Die meisten Abiturienten hatten neue Einblicke in bisher nicht oder wenig bekannte Standpunkte gewonnen. So hatte denn auch Malte seine anfangs geäußerten Vorbehalte ablegen können, und Gudrun Westphal stellte beim Abschied fest: „Das war auch für uns eine ganz neue Erfahrung, vor so vielen jungen Menschen über ein solch schwieriges Thema zu sprechen.“ red

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