Als Kind hatte sie im Hochsommer die Masern. Damit begann die Begeisterung fürs Lesen, die Petra Beyer-Tilders bis heute nicht abgelegt hat. Auch jetzt noch beendet die mittlerweile 61 Jahre alte Leiterin der Schwalbacher Stadtbücherei etwa alle drei Tage ein Buch.
In ihrer Kindheit versorgte sie sich noch in der Stadtteilbibliothek Höchst regelmäßig mit neuem Lesefutter. Ihr erstes Lieblingsbuch, die Märchen von Hans Christian Andersen, hat sie heute noch. Inzwischen ist sie es, die Kindern und Jugendlichen hilft, die richtigen Bücher zu finden. Sicher von Vorteil ist dabei, dass sie immer noch am liebsten Jugendromane liest. Sie seien oft „überraschender – auch in den Themen mitunter vielleicht ernster und die Autoren enttäuschen in der Regel auch beim dritten oder vierten Buch noch nicht“, erklärt die Bibliothekarin.
Die Bücher, die sie zuletzt begeistert haben, kommen jedoch aus anderen Kategorien. Die „Hillbilly-Elegie: Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise“ von James David Vance ist ein Sachbuch über die Welt der Donald-Trump-Wähler und Theresa Hannig schrieb mit „Die Optimierer“ einen erfolgreichen Science-Fiction-Roman. Ihr Favorit ist aber immer noch Joachim Meyerhoff mit dem Roman „Wann wird es endlich wieder so wie es nie war“. Für Besprechungen greift sie oft zu den etwas weniger bekannten Titeln, denn Petra Beyer-Tilders ist nicht nur Ansprechpartnerin der Benutzer vor Ort, sondern zum Beispiel auch in der „OnLeihe“-Arbeitsgruppe für Neuerwerbungen zuständig.
Was sie nicht mag, ist Unordnung. „Aber das gehört eben dazu“, meint sie und spricht im gleichen Zuge ein Lob an ihre Kolleginnen dafür aus, dass sie helfen, dass es selbst in der Kinderabteilung der Schwalbacher Bücherei die meiste Zeit doch recht ordentlich aussieht. Auch für die Unterstützung der Stadt, durch die die Bibliothek ihre Dienste den Nutzern kostenlos zur Verfügung stellen kann, schätzt sie sehr.
Spiele spielt sie ebenfalls nicht nur bei den entsprechenden Veranstaltungen der Bücherei, sondern auch mit der Familie gerne: „Im Urlaub muss es mindestens mal Kniffel sein“, erzählt die Bibliothekarin. Als Lieblingsspiel nennt sie „Maori“. Monopoly mag sie hingegen nicht besonders, da sei sie dann auch keine gute Verliererin.
Petra Beyer-Tilders, die in Stuttgart Bibliothekswesen studiert hat, kam 1997 aus Hattersheim nach Schwalbach. Zu der Zeit war sie schon Mutter von zwei Töchtern, die mit viel Vorlesen ebenfalls für Bücher begeistert wurden. Diese zeigten sich zunächst wenig verständnisvoll, erzählt sie mit einem Schmunzeln, wie sie denn von dem schönen Fachwerkbau der Hattersheimer Stadtbücherei in so ein hässliches Gebäude wechseln könne – die Schwalbacher Bücherei war bis 1999 noch im Rathaus untergebracht. Lesungen mussten in einem anderen Raum des Bürgerhauses stattfinden und die Möglichkeiten zur Unterbringung der Medien waren stark begrenzt.
Aber zwei Jahre nachdem sie in Schwalbach angefangen hatte, wurden die damals schon öfter angekündigten Pläne in die Tat umgesetzt: Die Stadtbücherei durfte in den modernen Bau auf der anderen Seite des Marktplatzes umziehen. Das brachte natürlich jede Menge Platz für attraktive Neuanschaffungen mit sich. Seit 1999 stieg die Zahl der jährlich ausgeliehenen Medien von 34.582 auf fast das Doppelte an. Heute verzeichnet die Stadtbücherei circa 25.000 Medien. Damit ist das Ziel, mindestens ein Medium pro Einwohner verfügbar zu haben, mehr als erreicht.
Petra Beyer-Tilders ist überzeugt: „Es gibt nichts Besseres, als vorzulesen“. Sie machte aus den regelmäßigen Vorlesestunden für Kinder vor zehn Jahren den wöchentlichen „Treffpunkt Lesetreppe“, der nun seit fünf Jahren auch in den Ferienzeiten mittwochs fortgeführt wird. Auch die Eltern und Großeltern möchte sie dafür gewinnen, ihren Kindern viel vorzulesen, weil dadurch Sprache, Verständnis und Gehör geschult werden und so zum Beispiel die Schule viel leichter falle. Auch die regelmäßigen Lesungen für Erwachsene, die in Zusammenarbeit mit der Kulturkreis GmbH geplant werden, sind weiterhin erfolgreich.
Angst, dass Büchereien wegen des Internets schon bald irrelevant würden, scheint sie nicht zu haben. Es werde immer wichtiger, sie als „dritte Orte“ attraktiv zu gestalten. Sie sollen Plätze sein, an denen man sich wohlfühlen kann und nichts konsumieren muss, und an denen gleichwohl Zeit und Raum für Hausaufgaben oder Familienaktivität ist. Ganz neu dazu bei trägt nun das freie WLAN der Stadtbücherei. Außerdem werde gleichzeitig Wert auf ein gutes Angebot an E-Books gelegt.
Ihre Töchter sind heute 29 und 26 Jahre alt und ihr Mann gerade in Rente gegangen. Petra Beyer-Tilders hofft, noch einige weitere Jahre gesund zu sein und der Schwalbacher Stadtbücherei treu bleiben zu können. Für die Zukunft der Bücherei würde sie sich noch etwas mehr Platz wünschen. Vielleicht einen eigenen Raum für Hausaufgaben und Studienarbeiten. Johanna Richter