„Das ist doch ein Mist“, meint der ältere Herr, den Ulrike Bohni als „Engel auf Rädern“ besucht und der sich eigentlich ohne Hilfe aus dem Sessel erheben möchte, aber jedes Mal zurück auf die Sitzfläche plumpst. Letztendlich nimmt er doch ihren angebotenen Arm an und gemeinsam klappt es dann mit dem Aufstehen.
Ulrike Bohni kann viele Geschichten aus dem Alltag der „Engel auf Rädern“ erzählen. Der Besuchsdienst, der ökumenischen Diakoniestation Eschborn/Schwalbach, besucht und begleitet Patienten und ältere, alleinstehende Menschen aus dem Umfeld der Kirchengemeinden in Schwalbach und Niederhöchstadt.
Vor zehn Jahren, also 2008, nahm die Idee des Fördervereins Schwalbach/Niederhöchstadt der Diakoniestation Gestalt an. Carina Schmidt, eine junge Theologin aus Sao Leopoldo in Brasilien hauchte dem Projekt Leben ein. Ein schwieriges Unterfangen, so berichtet Norbert Dienst, der Vorsitzende des Vereins rückblickend auf die Anfänge. Mussten doch alle lernen, dass unsere Zielgruppe, ältere, allein lebende und von der Diakoniestation pflegerisch betreute Menschen nicht so einfach eine fremde Person zusätzlich in ihren Alltag integrieren.
Carina Schmidt gelang es, nach und nach die Patienten für sich zu gewinnen und diese freuten sich über regelmäßige Besuche der jungen Theologin. Carina Schmidt ging Ende 2009 wieder zurück nach Sao Leopoldo und arbeitet heute als ordinierte Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche von Brasilien.
Ihr folgte eine weitere Theologin aus Sao Leopoldo. Die dem dortigen Diakonissenhaus angehörende Cleide Bihr verstetigte den Besuchsdienst. Die Kontakte nach Brasilien ergaben sich über das Gustav-Adolf-Werk, eine evangelische Einrichtung, welche in Schwalbach auch beim Bau der Friedenskirche beteiligt war.
Der Förderverein nutze in dieser Zeit die Tatsache, dass die Diakoniestationen Schwalbach/Niederhöchstadt und Eschborn im Zuge eines Projektes der Landeskirche zur Zukunftssicherung dieser Einrichtungen innerhalb der EKHN fusionierten. Mit der daraus resultierenden Satzungsänderung zur Namensanpassung wurde auch der bisherig begrenzte Förderraum über die Diakoniestation auf die Kirchengemeinden in Schwalbach und Niederhöchstadt ausgeweitet. So konnte der „Engel auf Rädern“ jetzt auch in Haushalten tätig werden, die noch keine pflegerische Betreuung durch die Diakoniestation in Anspruch nahmen.
Cleide Bihr war bis 2014 tätig und nach zwei Brasilianerinnen wurde mit Ulrike Bohni von der evangelischen Andreasgemeinde eine Schweizer Gemeindepädagogin der dritte „Engel auf Rädern“. Ulrike Bohni betreut das Projekt jetzt seit drei Jahren. Mittlerweile sind neben ihr weitere ehrenamtliche Engel unterwegs. Über die Andreasgemeinde wird einmal im Jahr ein Ausbildungswochenende für Interessierte angeboten, zwischen fünf und zehn Ehrenamtliche engagieren sich unter ihrer Leitung im Besuchsdienst.
Zwölf Stunden finanziert der Förderverein in diesem Projekt, fünf weitere Stunden wurden vom Gemeindeaufbauverein der Andreasgemeinde finanziell begleitet. Seit zwei Jahren wird der Anteil der Andreasgemeinde von der Stadt Eschborn über einen Zuschuss mitgetragen.
Ulrike Bohni führt aus:
Der „Engel auf Rädern“ hört zu, schenkt Verständnis, tröstet und gibt Rat, wo er gewünscht wird. Er begleitet bei Spaziergängen, zum Arzt oder zur Bank, und hin und wieder fährt er Senioren zum Mittagstisch oder zu einem Gottesdienst. Dort, wo pflegerischer Rat oder Unterstützung im Haushalt gewünscht wird, verweist er auf die ökumenische Diakoniestation. Bei umfassenderen, rechtlichen und amtlichen Themen leitet er die Menschen mit ihren Fragen an die städtischen Seniorenberater oder an die des Diakonischen Werkes weiter. Bei Sterbebegleitungen, wie bei Menschen mit einer schweren Krebserkrankung, wurde auch schon der Hospizverein Lichtblick mit ins Boot geholt.
Die „Engel auf Rädern“ haben zum Auftrag, einsame, alleinstehende und pflegebedürftige Menschen, die sich nach Zuwendung sehnen, zu besuchen, ihnen ein offenes Ohr zu schenken, Begleiter und Seelsorger zu sein – für diese Menschen ist der „Engel auf Rädern“ da.
Die Landschaft der Diakoniestationen innerhalb der EKHN und des Dekanats Kronberg ändert sich, aber in diesen Veränderungen liegen auch Chancen für die Fördervereine, so Norbert Dienst. Er hat keine Bedenken für die Zukunft der vom Verein geförderten Projekte, wenn zum 1. Januar .2019 aus der ebenfalls vor zehn Jahren fusionierten Diakoniestation Eschborn/Schwalbach gemeinsam mit der Diakoniestation Kronberg/Steinbach der evangelisch kirchliche Zweckverband ökumenischer Diakoniestationen im Dekanat Kronberg wird. red