In diesem Jahr konnte der Arbeitskreis Behindertenarbeit auf 25 Jahre Engagement zurückblicken. Er wurde 1993 im Diakonischen Werk auf Initiative der Behinderten-Selbsthilfe Schwalbach gegründet.
Es war die Idee Liane Lückfelds, die unterschiedlichen Aufgaben der Organisationen, die mit Behinderten Kontakt hatten, in einem Arbeitskreis zusammen zu führen. Der Arbeitskreis Behindertenarbeit bringt somit die verschiedenen Blickwinkel und Zuständigkeiten auf lokaler Ebene zusammen und bildet eine Plattform und eine Lobby für die Interessen behinderten Menschen in Schwalbach. Ziel war es, mit vereinten Kräften die Anliegen behinderter Menschen in die öffentliche Aufmerksamkeit zu rücken und Schritt für Schritt eine barrierefreie Umwelt schaffen.
Denn Liane Lückfeld, die selbst im Rollstuhl sitzt, hatte bereits die Erfahrung machen müssen, dass die Belange behinderter Menschen auch in Schwalbach wenig oder gar keine Berücksichtigung fanden. „Es gab keine abgesenkten Bordsteine, keine Rampen, keine Geländer an den Treppen, öffentliche Verkehrsmittel waren nicht barrierefrei und es gab auch keinen bezahlbaren Behindertenfahrdienst – von Wohnungen ganz zu schweigen. Es gab keine Behindertentoilette und das Bürgerhaus war auch nicht barrierefrei“, erklärt Liane Lückfeld.
Deshalb hatte sie schon 1986 eine Selbsthilfegruppe für Körperbehinderte gegründet. Eine lange Liste mit Mängeln wurde verfasst. Doch es war damals in Schwalbach nicht leicht, sich für die Interessen Behinderter einzusetzen: „Die Barrieren in den Köpfen schienen ebenso unüberwindbar wie die Bordsteine. Nur mit Beharrlichkeit kamen wir weiter“, erinnert sich die Initiatorin.
Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich das Ärztehaus, das in der Avrilléstraße 1993 eröffnet wurde. Wieder einmal hatte es sich gezeigt, dass der bisherige Kampf um Barrierefreiheit vergeblich war und künftig anders geführt werden musste. „Und das war die gedankliche Geburtsstunde des AK Behindertenarbeit in Schwalbach“, berichtet Liane Lückfeld. Als dann die damals amtierende erste Stadträtin an den Sitzungen des Arbeitskreises teilnahm und weitere Mitkämpfer gewonnen wurden, verlief die Zusammenarbeit gut und der Arbeitskreis wurde zu einer Institution – seit nunmehr einem Vierteljahrhundert.
Ebenfalls positiv wirkte sich die Einsetzung eines Behindertenbeauftragten im Jahr 1996 aus. Seit 2003 nimmt dieses Amt ebenso engagiert wie pragmatisch Robert Kaufmann wahr. Ihm ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Lebensqualität, die für behinderte Menschen erreicht wird, allen dienen kann. So nützen abgesenkte Bordsteine auch Menschen, die einen Kinderwagen schieben. „In den vergangenen Jahren hat sich die Situation für Menschen mit Behinderung glücklicherweise ins Positive gewandelt. Es gibt heute ganz allgemein mehr Verständnis für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung. Die Gesetzeslage in Richtung Barrierefreiheit hat sich wesentlich verbessert. Und auch im Bau- und Sozialamt wird der Schwerpunkt immer mehr auf Barrierefreiheit gelegt“, erklärt Robert Kaufmann.
Das ist sicher nicht die schlechteste Idee für eine älter werdende Gesellschaft. „Bei allen öffentlichen Bauvorhaben werden der Behindertenbeauftragte und der Arbeitskreis deshalb gehört und ihre Sicht in die Gestaltung miteinbezogen“, sagt Bürgermeisterin Christiane Augsburger. Als Beispiele nennt sie die Umgestaltung des Einkaufszentrums Limes, die Renovierung des Bürgerhauses, der Bau des Naturbades oder – ganz aktuell – die Neugestaltung des unteren Marktplatzes. Schon vor einigen Jahren wurde außerdem ein barrierefreier Stadtplan erstellt, der unter stadtfuehrer-barrierefrei.schwalbach.de/ im Internet zu finden ist.
Die Mitglieder des Arbeitskreises setzen sich zusammen aus Vertretern der Kirchengemeinden, der Arbeiterwohlfahrt, dem Sozialverband VdK, dem Diakonischen Werk, der Behindertenselbsthilfe, der Stadtverwaltung und dem Behindertenbeauftragten. An den alle vier bis sechs Wochen stattfindenden Treffen nimmt auch die Bürgermeisterin regelmäßig teil.
In Schwalbach leben aktuell etwa 1.000 Personen mit einer leichten und 2.000 Personen mit einer schweren Behinderung. red