15. März 2019

Iranische Brüder erzählen ihre Fluchtgeschichte vor AES-Schülern

Drei Brüder und ein Koffer

Masoud (links) und Mojtaba Sadinam stellten ihr Buch „Unerwünscht“ vor und diskutierten mit Schülern der Albert-Einstein-Schule. Foto: Groh

Für die Stufe 10 der Albert-Einstein-Schule (AES) fand am Dienstag ein Projekttag zum Thema „Flucht und Asyl“ im Schwalbacher Bürgerhaus statt. Zwei Brüder aus dem Iran, die vor 23 Jahren nach Deutschland gekommen sind, lasen aus ihrem Buch vor und standen anschließend auf der Bühne im Dialog mit geflüchteten Schülern, die an der Hofheimer Brühlwiesenschule eine Integrationsklasse besuchen.

Die Veranstaltung wurde von Bürgermeisterin Christiane Augsburger eröffnet. Sie hob in ihrer Begrüßung auch die Bedeutung der Integrationsarbeit in Schwalbach hervor.
„Unerwünscht“- So heißt der Titel des Buches, in welchem die drei iranischen Brüder Milad, Mojtaba und Masoud Sadinam ihre Fluchterfahrungen niedergeschrieben haben und erzählen, wie sie es trotz wiederholter Asylablehnung schließlich schafften, sich ein Leben in Deutschland aufzubauen. Mit lediglich einem Koffer kamen die drei Brüder 1996 samt ihrer Mutter nach Deutschland, weil sie laut eigener Aussage aufgrund der politischen Oppositionsarbeit der Eltern über keine Zukunftsperspektive verfügten.
Heute haben alle drei Brüder mit Hilfe von hart erarbeiteten Stipendien an verschiedenen Privatunis ein Studium abgeschlossen. In nahezu perfektem Deutsch lasen zwei von ihnen den Schülern einige Kapitel aus ihrem Buch vor und standen anschließend sehr offen und mit viel Humor für Rückfragen bereit. Ebenfalls unter den Zuhörern waren „InteA-Schüler“ zweier Schulen im Main-Taunus-Kreis. Die Abkürzung steht für „Integration und Anschluss“. Es handelt sich dabei um Unterricht für jugendliche Migranten, die erst kurze Zeit in Deutschland leben.
In der zweiten Hälfte der Veranstaltung betraten vier von ihnen, welche momentan die Brühlwiesenschule in Hofheim besuchen, die Bühne und erzählten ihre eigenen Fluchtgeschichten – nicht ohne danach ebenfalls geduldig auf Fragen der AES-Schüler zu antworten. Auch ihre Wünsche für die Zukunft verrieten sie dabei dem Publikum.
„Die Leute haben mir gesagt, ich kann das nicht mehr schaffen, ich wäre schon zu alt, um hier eine gute Schulausbildung zu schaffen“, erläuterte die 18-jährige Amina, die mit ihrer Familie aus der Ukraine geflüchtet ist. „Jetzt habe ich viele Menschen kennengelernt, neue Freunde gefunden und weiß, dass das nicht stimmt. Ich möchte mein Abitur machen und anschließend studieren.“
Masoud und Mojtaba Sadinam berichten auch, dass der Integrationswille von Anfang an von ihnen selbst ausgegangen ist. Um in der Gesellschaft akzeptiert zu werden, hätten sie sich schnell an deutsche Gepflogenheiten angepasst, die Sprache gelernt und arbeiteten – der Hartnäckigkeit ihrer Mutter zu verdanken – stets mit besonders viel Fleiß auf eine gute Ausbildung hin.
Jahrelang kämpften sie für die Anerkennung ihres Asyls. Sie stellten Widerspruchsanträge, gingen von Gericht zu Gericht, lieferten benötigte Informationen, starteten Unterschriftenaktionen an ihren Schulen. Die Situation schien aussichtlos zu sein, da konnte der Integrationswille noch so groß sein. Erst neun Jahre nach ihrer Ankunft wurde ihr Asylantrag aufgrund einer Gesetzesänderung genehmigt.
Trotz ihres langen Weges sehen die Brüder Deutschland heute als ihre Heimat an, erklärten sie weiter. Aber als „Vorzeigemigranten“ – also Flüchtlinge, deren gelungene Integration dem System des deutschen Staates zu verdanken ist – wollen sie auf keinen Fall gesehen werden, gerade weil sie seitens der Behörden fast ein Jahrzehnt lang nur Ablehnung erfahren haben.
Mojtaba Sadinam wünscht sich zudem, dass Flüchtlinge bei ihrer ersten Antragsstellung in Deutschland nicht mehr auf sich selbst gestellt sind, sondern rechtliche Unterstützung bekommen, statt nur einen Dolmetscher. Ohne Freunde und Unterstützung der Menschen von der Flüchtlingshilfe hätten sie es während dieser Zeit niemals so weit geschafft, erinnern sich die Brüder.
Sie betonten daher, dass sich ihr Buchtitel „Unerwünscht“ nicht auf die deutsche Gesellschaft im Allgemeinen bezieht, sondern auf die deutschen Behörden. „Wir haben uns jahrelang ausgeliefert gefühlt, wie Objekte, über die fremde Menschen einfach so bestimmen können.“ Anna Groh

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