28. März 2019

Schüler der Albert-Einstein-Schule diskutierten mit Kultusminister Lorz über den Brexit

Viele Fragen offen

Hessens Kultusminister Alexander Lorz (vorne 1.v.l.) diskutierte hautnah mit den Schülern der Albert-Einstein-Schule über den Brexit. Foto: Rautert

Hessens Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz diskutierte am vergangenen Mittwoch mit Schülern der Albert-Einstein-Schule über die schulischen und gesellschaftlichen Auswirkungen des britischen EU-Austritts.

„Der aktuelle Prozess rund um den Brexit ist geeignet, mir den Optimismus auszutreiben. Das Schöne ist aber, dass ich hier lauter engagierte Europäer sitzen sehe“, stellte Alexander Lorz am Ende einer Diskussionsrunde fest. Die Aktion war Teil eines EU-Projekttages, der an Schulen in Deutschland durchgeführt wird und unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel steht. Mit der Maßnahme soll Schülern die Möglichkeit gegeben werden, mit politischen Entscheidungsträgern über aktuelle Herausforderungen in Europa zu diskutieren.
Das taten die anwesenden Abitur-Klassen, unterstützt von zwei Zehntklässlern auch besonders intensiv. Unter der Moderation von Jochen Kilb, dem Fachbereichsleiter für Gesellschaftswissenschaften an der Albert-Einstein-Schule, wurden von einer Lehrerin und drei Schülerinnen zunächst zwei Referate zum Einstieg in das Thema präsentiert. Sie beschäftigten sich mit dem für die Schule wichtigen Thema Schüleraustausch und den Folgen des Brexits speziell für die hiesige Region.
Der europäische Gedanke hat an der Albert- Einstein-Schule einen hohen Stellenwert. Sie pflegt seit Jahren Schüleraustausche mit mehreren europäischen Ländern, darunter auch Großbritannien. „Ein Austausch ist die beste Möglichkeit, andere Kulturen kennenzulernen und den Einigungsgedanken mit Leben zu füllen“, erklärte Alexander Lorz. „Es muss deshalb Aufgabe aller Beteiligten sein, Schüleraustausche auch über den Brexit hinaus sicherzustellen.“ Doch in Sachen Schüleraustausch wird aufgrund der erwarteten Erschwernisse im Reiseverkehr mit einem Rückgang der Interessentenzahlen und reduzierter finanzieller Unterstützung gerechnet.
Dennoch bietet der britische EU-Austritt für die Region sowohl Vor- als auch Nachteile. Hessen, das mit dem britischen Wirtschaftsraum eng vernetzt ist, müsste zum Beispiel im Falle eines harten Brexit einen Verlust in Höhe von 698 Millionen Euro hinnehmen, bei einem weichen immerhin noch 398 Millionen.
Profitieren würde allerdings die Stadt Frankfurt, wohin viele der in Großbritannien verlorenen Arbeitsplätze verlagert würden. Zudem würden dort aufgrund des wachsenden Bedarfs neue Jobs für Juristen, Risikomanager und Handelsunterstützer entstehen. Das würde zu steigenden Steuereinnahmen und einem boomenden Markt für Gewerbeimmobilien führen. Die Auswirkungen auf den privaten Immobilienbereich seien aber überschaubar.
Die Schüler dokumentierten mit vielen Diskussionsbeiträgen und Fragen ihr großes Interesse am Thema. Der Kultusminister wies dabei auf eine für sie möglicherweise besonders relevante Folge des Brexits hin. Würde sich Großbritannien aus dem europäischen Bildungskanon verabschieden, würden dort Abschlüsse wie das deutsche Abitur nicht mehr anerkannt. „Das Spektrum der Möglichkeiten würde geringer“, so Alexander Lorz. Wenn man den höheren Aufwand in Kauf nähme, seien aber sowohl Schüleraustausche wie Studienaufenthalte weiterhin möglich.
Allerdings sei der Austritt insgesamt den zwischenstaatlichen Beziehungen nicht zuträglich. Eine schwindende Kontaktintensität behindere den Austausch und fördere die Bildung von Vorurteilen in den Ländern. Damit würde die EU in ihrer Rolle als das wichtigste friedensstiftende Projekt auf europäischer Ebene gefährdet.
Andere Themen, die in der Diskussion adressiert wurden, waren das Aufenthaltsrecht britischer Bürger und die Irland-Frage. Ausweisungen, so Alexander Lorz, würden nach Möglichkeit vermieden werden. Pläne, um dem zu begegnen, lägen bereits in der Schublade. Weniger klar ist die Sachlage im Umgang mit Irland. Im Falle der Einrichtung einer Grenze zu Nordirland könne man sicher über die Intensität von Kontrollen sprechen. Der Minister musste aber zugeben, dass derzeit niemand wisse, wie eine Lösung aussehen könne: „Ich habe nicht die Fantasie, mir vorzustellen, wie man diese konträren Positionen auflösen kann.“
Insgesamt so der Minister am Schluss, sei Großbritannien heute ein zutiefst gespaltenes Land. Die Tatsache, dass aber quasi jeder zweite Bürger dort ein Gegner des Brexits sei, erhöhe für die Schüler die Chance, einen europafreundlichen Briten zu treffen. hr

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