15. Dezember 2020

Pfarrer Christian Wiener zur Situation der Bewohner im zweiten Corona-Lockdown

Altenheimseelsorger im Gespräch

Pfarrer Christian Wiener ist der Altenheimseelsorger für das Dekanat Kronberg und betreut die Senioren in der Augustinum Seniorenresidenz in Bad Soden und im Altkönig-Stift in Kronberg. Foto: Ev. Dekanat

Seit dem Beginn der Corona-bedingten Einschränkungen im März und nun im zweiten Lockdown seit November hat sich auch die Situation für die Seelsorge in Senioreneinrichtungen verändert. Pfarrer Christian Wiener, der als Altenheimseelsorger für das Dekanat Kronberg tätig ist, berichtet, wie er die Situation der Bewohner erlebt und wie er weiterhin für sie da sein kann. Er betreut die Senioren in der Augustinum Seniorenresidenz in Bad Soden und im Altkönig-Stift in Kronberg. Dort leben nahezu 1.000 Menschen in ihren eigenen Wohnungen und im Altkönig-Stift außerdem in sechs Pflegebereichen.

„Im Vergleich zum ersten Lockdown ist die Stimmung insgesamt entspannter, weil viele der Maßnahmen schon bekannt und Abläufe eingeübt sind. Die meisten versuchen, die Regeln einzuhalten und Kontakte zu reduzieren. Es ist zwar Herbst, draußen ist es dunkel, man kann sich nicht mehr gut im Freien treffen. Aber es sind mehr Dinge möglich als im ersten Lockdown“, erklärt Christian Wiener. Die Bewohner dürften – wenn auch eingeschränkt – Besuch in ihren Appartements oder in einem gesonderten Besucherbereich empfangen. Es gäbe jedoch auch manche, die sich wegen Corona abgekapselt haben.
Schwierig sei es für an Demenz erkrankte Menschen, weil sie die Corona-bedingten Einschränkungen oft nicht verstehen oder einhalten können, wie zum Beispiel das Tragen einer Maske. „Die Gruppe der Senioren in den Einrichtungen, die ich betreue, ist sehr disparat. Die Hochaltrigen ab 85 sind häufig nicht mehr so mobil und im Sehen oder Hören eingeschränkt. Viele von ihnen haben jedoch einen Resillienzfaktor durch die Kriegserfahrungen, da sie schon ‚Schlimmeres‘ überlebt haben“, berichtet der Altenheim-Seelsorger. Die Jüngeren seien oft noch mobil und können noch hinaus. Sie leiden ihm zufolge natürlich auch darunter, keine Ausflüge oder Reisen mehr machen zu können und auf Kulturangebote verzichten zu müssen. Aber sie könnten noch eine Menge tun.
Diejenigen, die vorher schon keine Kontakte hatten, für die habe sich scheinbar wenig verändert. Grundlegend ist nach Ansicht von Christian Wiener für die Senioren wichtig, dass – sofern sie einen engen Kontakt zur Familie haben – dieser weiter besteht. Ein Aspekt sei auch, dass in hohem Alter noch einmal deutlicher ist, dass die Lebenszeit nun mal begrenzt ist und ältere Menschen nicht mehr viel verschieben können. Da trifft es sie schon, wenn ein 90. Geburtstag oder eine diamantene Hochzeit nicht gefeiert werden können. Und es gäbe auch ein leichtes Resignieren unter betagten Senioren. Nach dem Motto: „Da müssen wir jetzt also auch noch durch.“
„Um im Kontakt zu bleiben, besuche ich die Bewohner weiterhin – wenn auch etwas weniger und nicht mehr so spontan. Meine Präsenz dort ist besonders jetzt sehr wichtig. Da ergibt sich viel in Tür- und Angelgesprächen. Ich telefoniere auch oft mit den Menschen. Es sind auch weiter Gottesdienste mit Besuchern möglich. Außerdem halte ich Gottesdienste und Vorträge, die über Haus-TV oder Haus-Telefon übertragen werden. Und ich schreibe im Wechsel mit den katholischen Kollegen Gedanken zum Tag, die in der Hauszeitung veröffentlicht werden“, sagt der Altenheim-Seelsorger.
Anders würden die Möglichkeiten im Pflegebereich aussehen. Dort gäbe es mehrere Dilemmata. Im ersten Lockdown gab es starke öffentliche Diskussionen, weil Besuche durch Angehörige nahezu unmöglich waren. Darauf habe man im zweiten Lockdown reagiert. Menschen von außen seien jedoch immer ein Risiko und stellten auch eine Gefahr für die Senioren und die Pflegekräfte dar. Viele Krankheitsfälle beim Personal würden bewirken, dass eine intensive Betreuung schlicht nicht möglich ist. Aber gerade bei den immobilen Bewohnern müssen Besucher kommen dürfen, weil sie sonst gar keine Kontakte hätten.
„Meine Besuche sind also weiterhin prinzipiell möglich und ich versuche auch dort, im Kontakt zu bleiben“, meint Christian Wiener. Gottesdienste könnten im Pflegebereich aber derzeit nicht gefeiert werden.
„Aus meiner Begleitung eines ehrenamtlichen Besuchsdienstkreises weiß ich außerdem, dass in vielen Senioreneinrichtungen des Dekanats keine Ehrenamtlichen zu Besuchen gehen können. Hier ist wieder das Dilemma: Aus Gründen des Gesundheitsschutzes halte ich eine solche Entscheidung für absolut sinnvoll, aus Sicht der seelischen Gesundheit der Menschen sind Kontakte überaus wichtig. Aus meinen Kontakten mit anderen Kollegen in der Altenseelsorge habe ich aber den Eindruck, dass die meisten Einrichtungen mit viel Augenmaß mit der derzeitigen Situation umgehen“, resümiert Christian Wiener.
Aus seiner Sicht besteht überhaupt keine Untergangsstimmung. Eher eine „da müssen wir eben auch noch durch“-Stimmung und die Hoffnung, dass es wieder besser werden wird. red

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