13. Mai 2021

Lesestoff

Viktor Martinowitsch fragt in „Revolution“ nach dem Wesen der Macht. Alem Grabovac erzählt in „Das achte Kind“ eine Geschichte über Herkunft und Zugehörigkeit. Der britische Autor Matt Haig führt seine lebensmüde Heldin in „Die Mitternachtsbibliothek“ in eine Zwischenwelt.

 

„Revolution“

Dies ist die Beichte von Michail German. Den Namen Victor Martinowitsch benutzt er nur als beliebiges Pseudonym. Vor Jahren beendete er, aufstrebender Dozent an einer Moskauer Privatuniversität, von einem Tag auf den anderen die Beziehung zu einer Kellnerin, die er eigentlich innig liebte. Was steckt hinter seinem plötzlichen Verschwinden? In diesem Buch offenbart er sein Geheimnis. Martinowitsch erzählt in einem klugen Spiel mit der Fiktion von der skrupellosen Manipulation fragwürdiger Freunde und fragt nach dem Wesen der Macht, nach der menschlichen Tendenz zu Feigheit und Fügung.

Viktor Martinowitsch (auch: Victor Martinovich), 1977 in Belarus geboren, studierte Journalistik in Minsk und lehrt heute Politikwissenschaften an der Europäischen Humanistischen Universität in Vilnius. Er schreibt regelmäßig für ZEIT online. Martinowitsch wurde bekannt mit dem Roman „Paranoia“ (Voland & Quist 2014), der in Belarus nach Erscheinen inoffiziell verboten wurde und 2013 auch auf Englisch erschienen ist. 2012 erhielt Martinowitsch den Maksim-Bahdanowitsch-Preis. Von Dezember 2016 bis Mai 2017 war Martinowitsch Gast des Literaturhauses Zürich.

Viktor Martinowitsch: „Revolution“
Übersetzt von Thomas Weiler
Voland & Quist, 2021. 400 Seiten, 24 Euro.

 

„Das achte Kind“

Smilja schuftet als Gastarbeiterin in der Schokoladenfabrik, ihr Mann Emir, ein feierfreudiger Kleinganove, landet später im berüchtigten Gefängnis Goli Otok in Jugoslawien. Nach der Geburt ihres Sohnes Alem trifft Smilja eine folgenschwere Entscheidung: Ihr Baby wächst bei einer strengen deutschen Pflegefamilie mit sieben eigenen Kindern auf. Jedes zweite Wochenende aber verbringt der Junge mit seiner Mutter und ihrem neuen gewalttätigen Freund im Frankfurter Bahnhofsmilieu. Erst als Erwachsener macht sich Alem auf die Suche nach seinem leiblichen Vater. Alem Grabovac erzählt die erschütternde Geschichte eines extremen Aufwachsens, ungeschönt und ohne Wertung.

Alem Grabovac wurde 1974 in Würzburg geboren. Seine Mutter ist Kroatin, der Vater Bosnier. Grabovac hat in München, London und Berlin Soziologie, Politologie und Psychologie studiert und lebt mit seiner Familie in Berlin. Als freier Autor schreibt er unter anderem für Die Zeit, Welt und taz.

Alem Grabovac: „Das achte Kind“
Hanserblau, 2021. 256 Seiten, 22 Euro.

 

„Die Mitternachtsbibliothek“

Das Leben meint es nicht gut mit Nora Seed. Sie verliert ihren Job im Plattenladen, der Kontakt zu ihrer besten Freundin in Australien und zu ihrem Bruder ist fast völlig abgebrochen, und dann stirbt auch noch ihre Katze. Nora fühlt nichts mehr außer Einsamkeit und Verzweiflung. Und so beschließt sie, ihrem Leben ein Ende zu setzen.

Doch statt im Jenseits landet sie in einer Zwischen­welt – der Mitternachtsbibliothek. Auf unzähligen Bücherregalen reihen sich hier die Leben, die sie hätte führen können, aneinander, die sie mithilfe ihrer ehemaligen Schul­bibliothekarin Mrs. Elm anprobieren kann. Was wäre geschehen, wenn sie mit ihrer besten Freundin nach Australien gegangen wäre? Was, wenn sie die Karriere als Schwimmerin durchgezogen hätte? Jede Entscheidung, die Nora bereut, kann sie hier rückgängig machen. Hätte eine dieser Alternativen sie glücklich machen können? Und ist es wirklich zu spät, sich auch in ihrem echten Leben aufgehoben zu fühlen?

Matt Haig, Jahrgang 1975, ist ein britischer Autor. Seine eigenen Erfahrungen mit Depressionen und Angststörungen sind auch stets ein zentrales Thema in seinen Büchern. Bei dtv sind von ihm zuletzt die Romane „Ich und die Menschen“ (2014) und „Wie man die Zeit anhält“ (2018), sowie die Sachbücher „Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben“ (2016) und „Mach mal halblang“ (2019) erschienen. Matt Haig lebt mit seiner Familie in Brighton.

Matt Haig: „Die Mitternachtsbibliothek“
Übersetzt von Sabine Hübner
Droemer Verlag, 2021. 320 Seiten, 20 Euro.

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