Zu den Artikeln „Förderung für neue Photovoltaikanlagen“ und „Schwalbach im Wattbewerb“ in der Ausgabe vom 9. Juni erreichte die Redaktion nachfolgender Leserbrief von Egon Kerst. Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Wenn auch Sie einen Leserbrief veröffentlichen möchten, senden Sie ihn unter Angabe Ihrer vollständigen Adresse und einer Rückruf-Telefonnummer an info@schwalbacher-zeitung.de.
Photovoltaik (PV) ist eine begeisternde Technik. Kein Wunder, denn sie wurde von der Natur abgeschaut. Deshalb ist sie allen anderen Verfahren zur Stromerzeugung weit überlegen. Sie verursacht keinen Lärm, keinen Abfall und kein Kohlendioxyd, sie tötet keine Vögel und Fische, sie verbraucht keine Feldfrüchte und verschandelt nicht unsere schönen Landschaften. Und wenn die zur Platzierung der das Sonnenlicht einfangenden Module auf Dächern oder an Wänden befestigt werden, verbraucht sie weder Ackerboden noch Wiesenflächen.
Als wir Anfang Juni unsere Photovoltaikanlage zum ersten Mal einschalteten war es für mich ein beglückender Augenblick, am Display der Anlage zu sehen, wie die auf dem Dach eingesammelten Photonen – die etwas mehr als acht Minuten vorher unsere Sonne verlassen hatten – 4,5 Kilowattstunden Strom in die Batterien schickten.
Unsere Umweltministerin hätte einen überzeugenden Werbefilm drehen lassen können. Stattdessen berichtete die FAZ am 5. Juni, dass „nach den Plänen der Bundesregierung Solarmodule künftig Pflicht werden“. Typisch für viele unserer Politiker, die immer öfter uns mit Gesetzen und Verordnungen traktieren, obwohl mit ein wenig Psychologie vielmehr zu erreichen wäre. Allzu oft missbrauchen sie die Macht, die wir ihnen gegeben haben, um uns herum zu kommandieren.
Lobenswert, dass, wie die Schwalbacher Zeitung berichtet – sonst hätten wir das gar nicht erfahren – zwei Umweltgruppen einen Wettbewerb ins Leben gerufen haben, dessen Ziel offensichtlich die Verdopplung der Fläche der Dachphotovoltaikanlagen ist. Mitte Februar hat laut Artikel der SZ die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, an diesem Wettbewerb teilzunehmen. Ohne davon gewusst zu haben, haben wir an diesem Wettbewerb teilgenommen. Da unsere Anlage über eine Spitzenleistung von 5,53 Kilowatt-Peak verfügt, erhöhen wir die Gesamtleistung unserer Stadt um 0,38 Prozent. Das ist nicht viel, aber das macht nichts, denn ich halte den Wettbewerb für wenig sinnvoll.
im Zuge der Planung unserer Anlage habe ich gelernt, was die Installation einer Dachphotovoltaik-anlage viel mehr leistet, und da ist die Anzahl der Kilowatt-Peak wenig aussagekräftig. Etwa so, als würden sie die Leistung eines Autos lediglich an der Höchstgeschwindigkeit messen. Eine moderne Photovoltaikanlage liefert ihrem Besitzer nicht nur Strom, sie entlastet unsere überlasteten Stromnetze und hält eine Stromreserve vor, die im Notfall Kühl- und Gefrierschränke, Treppenlift, Rolladenmotore, Mobiltelefone vieles mehr bis zu etwa eine Woche am Leben hält. Für uns war das ein besonders wichtiger Grund für die Anschaffung unserer Anlage. All diese Gründe sind für unsere Gesellschaft genau so wichtig. Mit Kilowatt-Peak kann man das nicht messen.
Nach so viel guten Gründen für die Anschaffung einer Dachphotovoltaikanlage möchte ich aber auch auf die Probleme hinweisen, die Interessenten erwarten. Da ist zuerst die Aufgabe, eine erfahrene, motivierte Firma zu finden, die nicht zu weit vom Wohnort entfernt ist. Ohne sie wird das Projekt nicht gelingen. Sie sollten sich in die Thematik einarbeiten, da sie sonst nicht mitreden können. Informieren sie sich, obwohl das nicht leicht ist, denn es gibt kaum hilfreiche Broschüren.
Damit sind wir beim Staat, der sich mit Informationen unrühmlich zurückhält. Ich habe keine einzige Unterlage gefunden, die über alle für das Projekt wichtigen Belange informiert hätte. So kam es auch, dass ich trotz aller Bemühungen am Schluss feststellen musste, die Regierung hat mich überlistet. Kein Wort darüber, dass wir – die als Fördermaßnahme angekündigte Rückerstattung der Mehrwertsteuer nur dann erhalten, wenn wir als Kleinunternehmer mindestens sechs Jahre lang Umsatzsteuer erklären und zahlen. Das heißt: pro Jahr zwölf Umsatzsteuervoranmeldungen, eine Jahreserklärung und 13 Zahlungsvorgänge. Dem kann man so viel ich bisher weiß nur entgehen, wenn man auf die Rückerstattung der Mehrwertsteuer verzichtet.
Darüber hinaus muss die Einkommensteuererklärung um die Anlage für „Gewerbebetriebe“ ergänzt werden, die vermutlich eine weitere Anlage nach sich zieht. Klingt genauso unglaublich wie die mir erst jetzt bekannt gewordene Pflicht, auf den selbst erzeugten Strom, wenn wir ihn verbrauchen, Umsatz- und Einkommensteuer bezahlen zu müssen. Hätte ich das vorher gewusst, hätte wir uns überlegt, ob wir unser Geld nicht besser für ein neues Auto oder eine letzte große Reise ausgeben sollten.
Unser Bürgermeister und die Stadtverordneten sollten, wenn sie etwas Wirksames für den Ausbau der Photovoltaikanlagen in unserer Stadt und darüber hinaus tun wollen, sich an ihre Bundestagsfraktionen, die Umweltministerin Schulze und den Finanzminister Scholz wenden, damit die unsinnigen Bremsen gelöst werden.
Egon Kerst,
Schwalbach