5. August 2021

Die Buchtipps der Schwalbacher Zeitung

Lesestoff

Julietta Henderson erzählt in „Norman Foremans Weg zum Ruhm“ eine zum Heulen lustige Familiengeschichte über zwei Außenseiter und ihren Weg zurück ins Leben. In ihrem ersten Erzählungsband „Grand Union“ vereint Zadie Smith neunzehn auch formal sehr unterschiedliche Storys. Sarah Michaela Orlovsky nähert sich in ihrem Kinderbuch „Eine halbe Banane und die Ordnung der Welt“ dem Thema Magersucht aus der Perspektive der nächsten Angehörigen.

 

„Norman Foremans Weg zum Ruhm“

Norman und Jax waren mehr als beste Freunde. Gemeinsam stand ihnen eine große Karriere als Comedy-Duo bevor – zumindest hatten sie das fest eingeplant. Als Jax jedoch noch vor seinem zwölften Geburtstag stirbt, muss Norman erkennen, dass dieses Ziel ohne ihn ziemlich weit entfernt liegt. Schließlich kann man allein kein Comedy-Duo sein, besonders wenn einem dazu noch jedes Gespür für das richtige Timing fehlt. Doch er weiß, dass er es Jax schuldet, ihren gemeinsamen Traum nicht aufzugeben.

Normans Mutter Sadie weiß, dass sie niemals die Mutter des Jahres sein wird, immerhin weiß sie nicht einmal, wer Normans Vater ist. Es bricht ihr schier das Herz, ihren Sohn nach Jaxs Tod so leiden zu sehen. Als Norman einen Fünf-Jahres-Plan aufstellt, hat Sadie endlich wieder Hoffnung, ihn zum Lächeln zu bringen. Alles, was sie dafür tun muss, ist, ihn auf die Bühne zu bringen – und ganz nebenbei noch seinen Vater zu finden.

Damit beginnt ein abenteuerlicher Roadtrip quer durch Großbritannien, bis nach Edinburgh zum legendären Fringe Festival.

Julietta Henderson ist in den Regenwäldern von North Queensland in Australien aufgewachsen und hat bereits aus Fahrradtourguide in der Toskana, als Nanny in den italienischen Alpen und als Frühstückskellnerin und Schottland gearbeitet. Mittlerweile pendelt sie als Autorin zwischen Melbourne, Großbritannien und wo immer gerade Winter ist. „Norman Foremans Weg zum Ruhm“ ist ihr erster Roman.

Julietta Henderson: „Norman Foremans Weg zum Ruhm“
Übersetzt von Juliane Zaubitzer
Droemer Knaur Verlag, 2021. 352 Seiten, 20 Euro.

 

„Grand Union“

Dieser erste Erzählungsband von Zadie Smith vereint neunzehn auch formal sehr unterschiedliche Storys, die sich um die Themen drehen, mit denen Zadie Smith zur Ikone der Literatur geworden ist:

Frau-Mann, schwarz-weiß, Macht-Ohnmacht – und zunehmend auch Politik und das Älterwerden. Von Leserinnen und Lesern geliebt und von der Kritik hoch geschätzt ist Zadie Smith seit ihrem Debüt „Zähne zeigen“ als Romanautorin und Verfasserin brillanter Essays eine der wichtigsten Autorinnen überhaupt. In dieser ersten Erzählungssammlung nutzt sie ihre außergewöhnliche Beobachtungsgabe und ihre unverwechselbare Stimme, um die Komplexität des modernen Lebens auszuloten.

Dabei bewegt sie sich scheinbar mühelos zwischen den Genres: von der historischen Erzählung über die aktuelle Story bis hin zur Dystopie – „Grand Union“ ist eine kluge literarische Bestandsaufnahme, welche Ereignisse der Vergangenheit unsere Identität bestimmen und bis in die Zukunft wirksam werden.

Zadie Smith, geboren 1975 im Norden Londons, lebt heute in New York. Ihr erster Roman „Zähne zeigen“, 2001 erschienen, wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, von der Kritik gelobt und ein internationaler Bestseller. Der Roman „Von der Schönheit“, 2006 erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, war auf der Shortlist des Man Booker Prize 2005 und gewann 2006 den Orange Prize. U.a. erhielt Zadie Smith im November 2016 den Welt-Literaturpreis und 2018 den Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur.

Zadie Smith: „Grand Union“
Übersetzt von Tanja Handels
Kiepenheuer & Witsch Verlag, 2021. 272 Seiten, 22 Euro.

 

„Eine halbe Banane und die Ordnung der Welt“

Zwei Schwestern: Einst ein eingespieltes Team mit gemeinsamen Erlebnissen und Ideen, mit geteilten Geheimnissen und Wünschen. Bis etwas sie auseinander treibt. Denn jetzt trennt sie die geschlossene Kinderzimmertür. Die große ist drinnen, die kleine draußen. Dazwischen ein Sehnen, eine Suche – nach Perfektion, Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung: Magersucht.

Behutsam und berührend zeigt Sarah Michaela Orlovský in kurzen, monologischen Abschnitten das unermüdliche Bemühen eines Mädchens, jenen Abgrund zu überbrücken, den diese Krankheit immer tiefer zwischen sie und ihrer älteren Schwester gräbt. Zeigt ihr Ringen um Verstehen, ihre Versuche, die Schwester wieder zu Lebensfreude und Frohsinn zu führen, zeigt aber auch Ratlosigkeit, Ohnmacht und Wut.

Kinder- und Jugendbücher zum Thema Magersucht gibt es bereits einige, der oberösterreichischen Autorin gelingt aber ein ganz besonderer Kunstgriff: Indem sie nicht auf die Betroffene selbst, sondern auf eine sehr nahestehende Person fokussiert, wird auf eindrückliche Weise klar, was eine Krankheit dieser Intensität mit einem ganzen Gefüge wie einer Familie macht, gibt Einblicke auf vielen verschiedenen Ebenen und ermöglicht so Verständnis auf jeder Seite.

Sarah Michaela Orlovsky, geboren 1984 in Linz, schreibt seit 2009 in den unterschiedlichsten Ländern Afrikas und Europas – aber immer für Kinder und Jugendliche. Sie hat ihr Notizbuch an der Uni Wien, sowie in Zambia, Armenien, Äthiopien, der Slowakei und Rwanda gefüllt. Mittlerweile erprobt sie gemeinsam mit ihrer Familie die Eigenheiten des sesshaften Lebens im Salzkammergut. Zwischen den Tiefen des Traunsees und den luftigen Höhen der Berggipfel entsteht bereits wieder eine neue Geschichte.

Sarah Michaela Orlovsky: „Eine halbe Banane und die Ordnung der Welt“
Übersetzt von Tanja Handels
Verlag Tyrolia, 2021. 60 Seiten, 12,95 Euro.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert