7. April 2022

Die Buchtipps der Schwalbacher Zeitung

Lesestoff

Von seiner Reise nach Nordkorea brachte Andreas Stichmann kein erzählendes Sachbuch heim, sondern die Idee zu seinem neuen Roman „Eine Liebe in Pjöngjang“. Eine hinreißende Tiefstaplerin, der man nicht so ganz trauen kann, führt uns durch Verena Roßbachers„Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“. Ein Toter im Watt zwischen Holland und Deutschland führt im Krimi „Der Holländer“ von Mathijs Deen zu Kompetenzgerangel zwischen niederländischer und deutscher Polizei.

 

„Eine Liebe in Pjöngjang“

Starke Empfindungen sind Claudia Aebischer eigentlich fremd. An der Spitze einer Delegation junger Kulturschaffender reist die Fünfzigjährige ein letztes Mal nach Pjöngjang: zur feierlichen Eröffnung der dortigen Deutschen Bibliothek. Doch schon kurz hinter der chinesischen Grenze sieht sie sich mit einer Erscheinung konfrontiert, die eine alte Sehnsucht in ihr weckt. Eine Begegnung, die alles neu und anders macht – gibt es das? Das Phänomen hat, wie Claudia erfährt, einen Namen. Sunmi ist Germanistin, Dolmetscherin und Agentin der DVRK.

Von seiner Reise nach Nordkorea 2017 brachte Andreas Stichmann keine literarische Reportage und kein erzählendes Sachbuch heim, sondern die Idee zu einem Roman. «Eine Liebe in Pjöngjang» ist mehr als das, es ist ein Abenteuer. Die unwahrscheinliche Geschichte einer Liebe zwischen zwei ungleichen Frauen, zwei Lebensaltern, zwei Kulturen. Ein Buch, das sich das Fremde anverwandelt wie jemand, der sich verliebt: schlagartig, voller Hingabe, geblendet vom Leuchten der eigenen Projektionen.

Andreas Stichmann, 1983 in Bonn geboren, studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Für den Erzählungsband „Jackie in Silber“ (2008) sowie die Romane „Das große Leuchten“ (2012) und „Die Entführung des Optimisten Sydney Seapunk“ (2017) erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und Preise, unter anderem den Hamburger Förderpreis für Literatur, den Clemens-Brentano-Preis, den Kranichsteiner Literaturförderpreis und den Förderpreis zum Bremer Literaturpreis. Andreas Stichmann lebt in Berlin, von wo aus er Südostasien und zuletzt Nordkorea bereiste. „Eine Liebe in Pjöngjang“ (2022) ist sein dritter Roman.

Andreas Stichmann: „Eine Liebe in Pjöngjang“
Rowohlt Buchverlag, 2022. 160 Seiten, 20 Euro.

 

„Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“

Mit unverbrüchlichem Optimismus und irre gut gelaunt strauchelt Charly Benz seit 43 Jahren durch ihr Leben. Sie arbeitet im Marketing einer Berliner Foodcompany, ernährt sich von angebrannten Croissants und bespricht ihre Beziehungsprobleme – die darin bestehen, dass sie keine Beziehung hat – mit ihrem einzigen Freund: Herr Schabowski, ein sechzigjähriger Mann, der ihre Post und Ängste sortiert. Doch als dieser eine tödliche Diagnose erhält, ihr erster Versuch einer Systemischen Familienaufstellung in einem Debakel endet und plötzlich gleich drei Männer ihr Leben gehörig durcheinanderbringen, verlässt Charly allumfassend der Mut. Den sollte sie schleunigst wiederfinden, sie ist nämlich schwanger. Sie und Schabowski beschließen, ihre Probleme proaktiv anzugehen: Sie flüchten. Und zwar nach Bad Gastein, ein ehemals mondäner Kurort im Südwesten Österreichs. In einem leerstehenden Hotel der Jahrhundertwende, das einst Charlys Vater gehörte, stellen sie fest: Man kann sich die Menschen, mit denen man verwandt ist, nicht aussuchen – seine Familie aber schon.

Verena Roßbacher, geboren 1979 in Bludenz/Vorarlberg, aufgewachsen in Österreich und der Schweiz, studierte einige Semester Philosophie, Germanistik und Theologie in Zürich, dann am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. „Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“ ist nach ihrem Debüt „Verlangen nach Drachen“ (2009), „Schwätzen und Schlachten“ (2014) und „Ich war Diener im Hause Hobbs“ (2018) ihr vierter Roman bei Kiepenheuer & Witsch.

Verena Roßbacher: „Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“
Kiepenheuer & Witsch Verlag, 2022. 512 Seiten, 24 Euro.

 

„Der Holländer“

Es soll eine ruhige Fahrt übers Wattenmeer für Geeske Dobbenga werden, die letzte vor ihrer Pensionierung beim niederländischen Grenzschutz. Doch in der Emsmündung stößt ihr Patrouillenboot auf eine Leiche. Bevor die Flut sie wegträgt, bringen Geeske und ihre Mannschaft sie nach Delfzijl in den Niederlanden. Damit beginnen die Probleme: Der Tote war Deutscher, und sein Fundort liegt in umstrittenem Grenzgebiet. Während der Streit um die Zuständigkeit beiderseits der Grenze eskaliert und die Fragen rund um den toten Wattwanderer sich häufen, schickt die Bundespolizei See in Cuxhaven heimlich einen Ermittler nach Delfzijl: Liewe Cupido, gebürtiger Deutscher, aber auf der niederländischen Insel Texel aufgewachsen. Seine deutschen Kollegen nennen diesen eigenwilligen, schweigsamen Typen: den Holländer. Wer, wenn nicht er, könnte den Fall lösen?

Mathijs Deen, geboren 1962, ist Schriftsteller und Radioproduzent. Er veröffentlichte Romane, Kolumnen und einen Band mit Kurzgeschichten, der für den renommierten AKO-Literaturpreis nominiert war. 2018 wurde ihm für die literarische Qualität seines Werks der Halewijnpreis verliehen. Bei mare erschienen bisher sein Romane „Unter den Menschen“ (2019) und „Der Schiffskoch“ (2021).

Mathijs Deen: „Der Holländer“
Übersetzt von Andreas Ecke
mare, 2022. 272 Seiten, 20 Euro.

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