4. Mai 2022

Szenisch-musikalische Lesung mit Literatur der Autorinnen Irmgard Keun und Mascha Kaléko

„Nach Mitternacht“

Bei der szenisch-musikalischen „Nach Mitternacht“ schlüpft die Schauspielerin Nina Hoger in die Rolle von Irmgard Keun, während Schauspielerin Margaux Kier als Diseuse und Sprecherin Mascha Kaléko lebendig werden lässt. Foto: Veranstalter

Die Stadt Schwalbach und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Main-Taunus-Kreis laden am Sonntag, 8. Mai, um 18 Uhr zu einer szenisch-musikalischen Lesung im Zeichen der Ukraine-Solidarität im großen Saal im Bürgerhaus ein. Die Veranstaltung findet auch im Rahmen von „Frankfurt liest ein Buch“, in dessen Mittelpunkt der Roman von Irmgard Keun „Nach Mitternacht“ steht, statt.

An diesem Tag jährt sich zum 77. Mal das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa und die Befreiung vom Nationalsozialismus. Der 8. Mai 1945 war das Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sowie das Ende von Bombennächten und Todesmärschen.
Die szenisch-musikalische Lesung „Nach Mitternacht“ beleuchtet das vom Naziregime geprägte Leben der beiden Schriftstellerinnen Mascha Kaléko und Irmgard Keun. Wenn das arg strapazierte Wort des Fräulein-Wunders in der Literatur je einen Sinn gehabt hat, dann bei diesen beiden großen Autorinnen: Mascha Kaléko und Irmgard Keun. Beide zeichneten neben männlichen Kollegen wie Hans Fallada und Erich Kästner verantwortlich für einen völlig neuen Sound in der Literatur: leicht zu verstehen für jedermann und -frau, witzig, perlend wie Champagner, aber zugleich mit einem Röntgenblick, der tief blicken ließ in das Seelenleben des modernen Menschen.
In die Literaturgeschichte ist diese Epoche eingegangen als Neue Sachlichkeit. Man nannte sie die Großstadtlerche und der zwischen Ironie und Melancholie schwebende Ton verzauberte nicht nur die Berliner, sondern viele Deutsche zu Beginn der 1930er Jahre. Mascha Kaléko war die auflagenstärkste deutschsprachige Lyrikerin in jenen Jahren. Ihr jüngster Lyrik-Band wartete druckfrisch auf die Auslieferung, als sie im September 1938 gemeinsam mit ihrem Mann und Sohn im buchstäblich allerletzten Moment in die USA emigrierte.
Irmgard Keuns erster Roman „Gilgi, eine von uns“ machte sie über Nacht berühmt. Auch ihr zweiter Roman „Das kunstseidene Mädchen“ war ein Kassenschlager. Viel wichtiger aber: Irmgard Keun hatte den jungen Frauen, die sich während der sogenannten goldenen 20er Jahre zu emanzipieren begannen, eine Stimme verliehen. Die hochfliegenden Träume von Ruhm und Geld des kunstseidenen Mädchens träumten wohl viele Frauen ihrer Generation. Zugleich erweist sich Irmgard Keun in ihren Romanen als großartige Kennerin der männlichen Seele und ihrer Abgründe. Die Nazis verfemten ihre Romane als Asphalt-Literatur und verbrannten sie. Ihre Erfahrungen in Nazi-Deutschland hat sie unter anderem in dem Roman „Nach Mitternacht“ verarbeitet.
Im wirklichen Leben sind diese beiden Frauen wohl nie aufeinander getroffen. Heiner Bontrup hat für die szenische Lesung ein fiktives Szenario erfunden: Was wäre, wenn Keun und Kaléko einander doch kennengelernt hätten? Was hätten sie sich wohl zu sagen gehabt? Über die Liebe, über die Männer, über Berlin, über die aufkommende Nazi-Zeit, die Zeit im Exil? Antworten gibt es aus ihren Gedichten und Romanen, Tagebuchaufzeichnungen und Briefen, die unter der Hand zu einem literarischen Hohlspiegel Deutschlands von den frühen 30er bis hin zu den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts werden.
Die Musik – am Piano Henning Brand – fängt die Stimmung dieser Texte auf und entführt den Zuschauer auf eine Zeitreise. Nina Hoger schlüpft dabei in die Rolle der Irmgard Keun, während Margaux Kier als Diseuse und Sprecherin Mascha Kaléko vor dem geistigen Auge der Zuschauer entstehen lässt. Thorsten Krug als Erzähler stellt den geschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhang her.
Der Eintritt ist frei. Eine Spende für die Ukraine ist erwünscht. Anmeldungen werden per E-Mail an cjz.mtk@gmx.de oder unter der Telefonnummer 06196/807978 oder am Einlass entgegen genommen. red

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