5. Mai 2022

Die Buchtipps der Schwalbacher Zeitung

Lesestoff

In Mirjam Wittigs Debütroman „An der Grasnarbe“ treffen innere und äußere Landschaften aufeinander, die nicht nur durch die Klimakrise ins Wanken geraten. Kult-Kommissar Kluftinger kommt in „Affenhitze“ von Volker Klüpfel und Michael Kobr ins Schwitzen. William Boyles neuer Kriminalroman „Brachland“ erzählt von einer Nachbarschaft, die der Willkür ausgesetzt ist.

 

„An der Grasnarbe“

Jetzt hütet Noa also Schafe. Um ihren Angstattacken in der Großstadt zu entfliehen und aus Sehnsucht nach dem einfachen Leben ist sie als freiwillige Helferin auf einen Hof nach Südfrankreich gekommen. Hier leben Ella, Gregor und ihre elfjährige Tochter Jade von ihrer Herde und dem, was sie auf den Äckern anbauen. Doch das wird immer beschwerlicher, die Sommer werden heißer. Auch Noa bemerkt die Risse im Boden und wie wenig Wasser der Fluss führt. Das Landleben zeigt sich nicht weniger aufreibend als Noas früheres Leben. Und in der Abgeschiedenheit der Berge holen sie auch die Ängste und inneren Widersprüche ein, mit denen sie bereits zuhause zu kämpfen hatte.

Mirjam Wittig, geboren 1996, hat u. a. Literarisches Schreiben und Lektorieren in Hildesheim studiert. Sie war Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift Bella triste und Teil der Künstlerischen Leitung des Prosanova-Festivals 2020. Für Auszüge aus ihrem Debütroman „An der Grasnarbe“ erhielt sie 2019 den Förderpreis der Gesellschaft für Westfälische Kulturarbeit NRW und 2021 das Stipendium des Literarischen Zentrums Göttingen.

Mirjam Wittig: „An der Grasnarbe“
Suhrkamp Verlag, 2022. 189 Seiten, 23 Euro.

 

„Affenhitze (Kluftinger-Krimis 12)“

Zefix, was für eine Hitze! Eigentlich viel zu schwül, um vor die Tür zu gehen. Aber Kluftinger hat keine Wahl:  Er muss in der Tongrube ermitteln, in der Professor Brunner vor einiger Zeit das berühmte Skelett des Urzeitaffen „Udo“ ausgegraben hat.  Nun wurde Brunner verscharrt unter einem Schaufelbagger gefunden. Der Wissenschaftler, der mit seinem Fund beweisen wollte, dass die Wiege der Menschheit im Allgäu liegt, hatte viele Feinde. Kluftinger hat deshalb gleich mehrere Verdächtige im Visier, darunter die Mitglieder einer obskuren Sekte. Aber auch privat muss sich der Kommissar um ein Observationsobjekt kümmern: Die Tagesmutter seiner kleinen Enkelin verfolgt höchst seltsame Erziehungsansätze. Grund genug, ihr genauer auf die Finger zu schauen und Flugstunden mit Doktor Langhammer und seiner neuen High-Tech-Drohne auf sich zu nehmen. Doch der Probeflug gerät gefährlich aus dem Ruder.

Altusried hat einen prominenten Sohn: Kommissar Kluftinger. Volker Klüpfel, Jahrgang 1971, kommt wenigstens aus dem gleichen Ort. Nach dem Abitur zog es ihn in die weite Welt – nach Franken: In Bamberg studierte er Politikwissenschaft und Geschichte. Danach arbeitete er bei einer Zeitung in den USA und stellte beim Bayerischen Rundfunk fest, dass ihm doch eher das Schreiben liegt. Seine letzte Station vor dem Dasein als Schriftsteller war die Feuilletonredaktion der Augsburger Allgemeinen. Die knappe Freizeit verbringt er am liebsten mit seiner Familie, mit der er im Allgäu lebt. Sollte noch etwas Zeit übrig sein, treibt er Sport, fotografiert und spielt Theater. Auf der gleichen Bühne wie Kommissar Kluftinger.

Michael Kobr, geboren 1973 in Kempten im Allgäu, studierte in Erlangen ziemlich viele Fächer, aber nur zwei bis zum Schluss: Germanistik und Romanistik. Nach dem Staatsexamen arbeitete er als Realschullehrer. Momentan aber hat er schweren Herzens dem Klassenzimmer den Rücken gekehrt – die Schüler werden’s ihm danken –, um sich dem Schreiben, den ausgedehnten Lesetouren und natürlich seiner Familie widmen zu können. Kobr wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern im Unterallgäu – und in einem kleinen Häuschen mitten in den Bergen, wo die Kobrs im Winter häufig auf der Skipiste, im Sommer auf Rad- und Bergtouren unterwegs sind. Wenn nicht gerade mal wieder eine gemeinsame Reise ansteht.

Volker Klüpfel & Michael Kobr: „Affenhitze (Kluftinger-Krimis 12)“
Ullstein Hardcover, 2022. 560 Seiten, 24,99 Euro.

 

„Brachland“

Gleich zu Anfang geschieht ein Mord. Ein Spieler schuldet dem Mafioso Tony Ficalora Geld. Der Polizist Donnie Parascandolo soll den Rückstand für ihn eintreiben. Doch Donnie besitzt ein leicht aufbrausendes Temperament, ist vor kurzem durch den Selbstmord seines Sohnes völlig aus der Bahn geraten. Donnie wirft den Spieler von einer Brücke. Angeblich ein Selbstmord. Zwei Jahre später wird er aus dem Polizeidienst entlassen, weil er einen Vorgesetzten geschlagen hat, und arbeitet von da an Vollzeit für Tony Ficalora. Der Sohn des Opfers, Mikey Baldini, hat das College abgebrochen und ist nach Hause zu seiner Mutter zurückgekehrt, die für die Schulden ihres Mannes gerade stehen muss und sie in kleinen Raten abbezahlt.

„Brachland“ erzählt von einer Nachbarschaft, die der Willkür ausgesetzt ist. In der ein Mord lange Schatten wirft und das Leben Unschuldiger zerfrisst. Sie alle ringen mit sich, hoffen oder haben längst aufgeben. Zwei Generationen gefangen zwischen Sackgassen, die allesamt auf der Flucht sind. Vielleicht Boyles liebevollster Blick auf „Gravesend“ und seine Nachbarstraßen.

William Boyle ist in der Nachbarschaft von Gravesend in Brooklyn aufgewachsen. Er ist der Autor von „Death don’t have no mercy“ und lebt zurzeit in Oxford, MS.

William Boyle: „Brachland“
Übersetzt von Andrea Stumpf
Polar Verlag, 2022. 360 Seiten, 25 Euro.

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