Die Stadt Schwalbach hat 19 Millionen Euro bei der inzwischen insolventen Greensill-Bank angelegt und mutmaßlich verloren. In einer Serie beleuchtet die Schwalbacher Zeitung, wie es zum größten finanziellen Verlust in der Geschichte der Stadt kommen konnte und wer die Verantwortlichen für das Desaster sind. Im ersten Teil geht es um die Vorgeschichte der verhängnisvollen Geldanlagen.
Dass eine Kleinstadt wie Schwalbach Millionenbeträge anlegen muss, ist ungewöhnlich. Die meisten Städte und Gemeinden in Hessen sind eher in der Kreditabteilung zu Hause. Schwalbach zählt seit gut 20 Jahren aber zu den wenigen Glücklichen, die mehr Geld einnehmen als sie ausgeben. Etliche internationale Großunternehmen müssen in der Stadt ihre Gewerbesteuer bezahlen, was zu enormen Überschüssen führt. Im Juni 2020 – als die erste Anlage bei der Greensill-Bank erfolgte – hatte die Stadt etwas mehr als 100 Millionen Euro auf ihren Konten. Der größere Teil davon war allerdings schon für Umlageverpflichtungen an den Kreis und das Land Hessen verplant. Das „echte“ Vermögen der Stadt Schwalbach lag zu jener Zeit bei circa 30 bis 40 Millionen Euro.
Strenge Vorgaben
Hat eine Stadt 100 Millionen Euro, kann sie diese nicht auf dem schlecht verzinsten Girokonto stehen lassen. Schon ein einziger Prozentpunkt weniger Zinsen bedeutet einen jährlichen Verlust von rund einer Million Euro. Daher sind reiche Städte und Gemeinden verpflichtet, das Geld anzulegen, wobei riskante oder spekulative Anlageformen verboten sind. Die Hessische Gemeindeordnung verlangt einen „angemessenen Ertrag“, fordert aber gleichzeitig eine „pflegliche und wirtschaftliche“ Verwaltung des Vermögens und verlangt, „finanzielle Risiken zu minimieren“.
Lange war das einfach, denn die Städte schützte wie Privatanleger ein Einlagensicherungsfonds. Das änderte sich am 1. Oktober 2017, als die Einlagensicherung für Kommunen wegfiel. Bis zum Greensill-Desaster waren es da noch dreieinhalb Jahre.
Im Mai 2018 erkannte das hessische Innenministerium die Gefahr von missglückten Geldanlagen und schrieb den Städten detaillierte Hinweise, wie sie sich schützen sollten. Die Zinssätze waren zwischenzeitlich derartig gesunken, dass nach Einschätzung aus Wiesbaden bei kurzfristigen Geldanlagen Erträge „realistisch kaum zu erzielen“ sind. Wer Geld zum Anlegen hat, sollte sich daher Anlagerichtlinien geben, die das Prozedere genau festlegen und helfen sollen, Totalverluste zu vermeiden. Seither wird in Schwalbach an einer solchen Anlagerichtlinie gearbeitet. Ein endgültiges Regelwerk hat die Stadtverwaltung dem Stadtparlament aber bis zum heutigen Tag nicht vorlegen können. Der Magistrat berät gerade den neuesten Entwurf. Danach sollen die Stadtverordneten entscheiden.
Da sich die Erarbeitung der Anlagerichtlinie auch schon in den Jahren 2018 und 2019 hinzog, handelte die damalige Bürgermeister Christiane Augsburger am 11. Februar 2019. Der Magistrat beschloss an diesem Tag, dass neue Geldanlagen nur bei Instituten der Sparkassengruppe, der Deutschen Bundesbank und der Genossenschaftsbanken in Form einer Festgeldanlage oder eines Sparbriefes getätigt werden dürfen. Damit waren jegliche Formen von riskanten Anlagen tabu. Mit dieser quasi provisorischen Anlagerichtlinie sollte das verhindert werden, was gut zwei Jahre später trotzdem eintrat: der Verlust eines großen Teils des städtischen Vermögens.
Bürgermeisterin Christiane Augsburger und die Finanzverwaltung setzten in der Folgezeit den Beschluss des Magistrats konsequent um und legten ausschließlich bei Sparkassen und Volksbanken an, zum Teil in Deutschland, zum Teil in Österreich. Für die Amtszeit von Christiane Augsburger sieht die Revision des Main-Taunus-Kreises in ihrem Bericht zu den Schwalbacher Festgeldanlagen keine Verstöße. Den letzten Festgeldauftrag unterschrieb Christiane Augsburger am Freitag, 5. Juni 2020 – an ihrem letzten Arbeitstag im Rathaus. Kaum war sie weg, wurde am Mittwoch, 10. Juni 2020, die erste Festgeldanlage mit der Greensill-Bank vereinbart.
Die Zinssituation
Wegen der Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank erzielte die Stadt mit ihren Festgeldanlagen in den vergangenen Jahren kaum Erträge. Spätestens seit Mitte 2019 lag der Zins deutlich unter 1% pro Jahr und ab dem Frühjahr 2020 drohten gar Negativzinsen für die Einlagen. Bei flüssigen Mitteln in Höhe von 100 Millionen Euro ist das ein echter Kostenfaktor: Ein Negativzins von 0,5% bedeutet für die Stadt jährliche Kosten in Höhe von 500.000 Euro. Das heißt die Stadt hätte mehr Geld für die Aufbewahrung ihres Vermögens bezahlen müssen als zum Beispiel für den laufenden Betrieb des Naturbads.
Wie hoch oder besser wie niedrig die Zinsen gerade sind, erfahren die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Finanzverwaltung in der Regel von sogenannten Anlagevermittlern. Das ist ein seit vielen Jahren erprobtes Prozedere. Die Vermittler schicken der Stadt fortlaufend Angebote für Festgeldanlagen. Eine Beratung ist das jedoch nicht. Die Vermittler legen stets großen Wert darauf zu betonen, dass sie keinerlei Verantwortung für die Anlageentscheidungen der Stadt übernehmen. Sie werden auch nicht von der Stadt bezahlt, sondern kassieren Provisionen von den Banken, deren Geldanlagen sie verkaufen.
Hohe Fluktuation
Zum Verlust der Einlagensicherung und den immer weiter sinkenden Zinssätzen kam im Herbst 2019 ein dritter Faktor, der das Feld für das Desaster vorbereitete: die hohe Fluktuation des Personals in der Finanzabteilung. Gleichzeitig verließen zum 1. Januar 2020 Amtsleiterin Sandra Hartmann und ihr Stellvertreter Robert Eckhardt das Schwalbacher Rathaus. In Bezug auf die Geldanlagen wog vor allem der Wechsel von Sandra Hartmann ins Kreishaus nach Hofheim schwer, da sie bis dahin alle Festgeldanlagen vorbereitet und mit Bürgermeisterin Christiane Augsburger besprochen hatte. Da nicht klar war, ob und mit wem die Leitung der Finanzverwaltung ab Januar 2020 besetzt sein wird, erhielt die Leiterin der Stadtkasse den Auftrag, sich um die Festgeldanlagen zu kümmern. Sie sichtete fortan die Angebote der Vermittler, bereitete die Anlagen vor und besprach sich mit Bürgermeisterin Christiane Augsburger.
Neue Amtsleiterin wurde am 1. Januar 2020 Carola Klüsener, die jedoch – anders als ihre Vorgängerin und anders als es die Allgemeinen Geschäftsanweisungen der Stadt verlangen – nie in die Festgeldanlagen eingebunden war und die diese auch nicht abzeichnete. Am 5. Juni 2020 schied dann auch Bürgermeisterin Christiane Augsburger nach zwölf Jahren aus dem Amt, so dass fortan allein der neue Bürgermeister Alexander Immisch und die Leiterin der Stadtkasse für alle Geldanlagen der Stadt zuständig waren – zwei Personen, die ein Jahr zuvor noch nicht damit gerechnet hatten, einmal in einem schwierigen Umfeld Millionenbeträge anlegen zu müssen. Fortsetzung folgt. MS
Hohe Fluktuation….der Schwalbacher Zeitung und hier dem Herausgeber Herrn Schlosser sei Dank, dass sich niemand die Mühe machen muss den geschwärzten Revisionsbericht ins halbwegs Interpretierbare zu übersetzen. Folgende Zeilen beruhen auf der Annahme, dass die Berichterstattung in Teil 1 verbindliche Zeit- und Personenangaben enthält.
Festgeldanlagen wurden von der BGMin Augsburger gemeinsam mit der bisherigen Amtsleiterin Hartmann beschlossen. Dies bis zum Wechsel von Frau Hartmann zum MTK zum 01.01.2020.
Ab dem 01.01.2020 war anstelle der Amtsleiterin Frau Hartmann die Leiterin der Stadtkasse mit der Vorbereitung und Durchführung der Festgeldanlagen in Absprache mit der BGMin betraut. Bis zum 05.06.2020 wurden die Festgelder ausschließlich nach den damals geltenden Richtlinien (einem Magistratsbeschluß) getätigt. Somit war der Beschluss des Magistrats allen zu diesem Zeitpunkt mit den Festgeldanlagen befassten Personen bekannt.
Die Amtsübergabe von Frau Hartmann zu Frau Klüsener mag nicht dokumentiert sein. Es geht aus den Schilderungen in Teil 1 auch nicht hervor, ob es ein Zusammentreffen der bisherigen und der neuen Amtsleiterin vor dem 01.01.2020 gab. Sicher ist aber, dass einer Stellenbesetzung in diesem hochkarätigen Bereich und noch dazu von „extern“ ein dokumentiertes Auswahlverfahren zu Grunde liegt. Es war also bereits vor dem 01.01.2020 bekannt, durch wen und wann die Nachfolge der scheidenden Amtsleiterin erfolgen wird.
In dieser Hinsicht ist die Feststellung, dass die Kassenleiterin mit der Festgelddisposition betraut wurde, da nicht bekannt gewesen sei, wann und durch wen eine Nachfolgeregelung erfolgt zu hinterfragen. Warum die neue Amtsleiterin von der Kassenleiterin über die geänderte Situation nicht informiert wurde, bleibt im Unklaren.
Die neue Amtsleiterin kommt aus der Finanzverwaltung unserer Nachbarstadt Kronberg. So ist davon auszugehen, dass allen handelnden Personen bis zum Amtswechsel der BGMin von dem Erlass des Landes Hessen und den damit verbundenen Anforderungen gewusst haben sollten. Von einer Amtsleitung ist darüber hinaus erwartbar, dass sie sich mit den spezifischen Regeln vertraut macht. Selbst wenn sie mit der Vorbereitung der Festgeldanlagen nicht unmittelbar betraut war ist doch ein Mitzeichnen der Anordnungen vor der Ausführung durch die Stadtkasse realistisch.
Was wusste der neu ins Amt gekommene Bürgermeister Immisch von den Regeln zur Festgelddisposition im Schwalbacher Rathaus?
Mindestens das, was ihm die mit der Vorbereitung der Disposition betrauten Personen im jeweiligen Abstimmungsgespräch oder der Aktenvorlage mitgeteilt haben. Wie vorstehend ausgeführt, müssen diese umfängliche Sachkenntnis gehabt haben.
Leiter/innen von Stadtkassen sind auch andernorts mit der Disposition ihrer liquiden Mittel betraut. Das ist kein ungewöhnlicher Vorgang. Egal ob es um 1.000 €, 500.000 € oder Millionenbeträge geht. Ein Blick in den Nachbarort Eschborn wird dies bestätigen.
Auf Teil 1 wird sicher noch Teil 2, Teil 3 und… folgen. Man darf gespannt bleiben.
Eins ist aber jetzt schon klar: Wer einen Schaden angerichtet hat, sollte auch zu seiner Verantwortung stehen. Egal ob fahrlässig oder bewusst. Die verschwundenen 19 Millionen Euro sind unser aller öffentliches Vermögen.
Mann, Mann … wenn ich überlege wie die Stadtkasse übergeben wurde muss man im wahrsten Sinn aufpassen das man sich nicht verschluckt. Einer geht ein anderer kommt… Übergabeprotokoll inclusive Gespräch über die bestehenden Anlagerichtlinien. Wenn man das alles liest frage ich mich, welche Dilettanten waren hier am Werk ! Ich war zwar nur Schatzmeister bei einem im Amtsgericht Bad Homburg eingetragenen Verein. Aber unser Übergabeprotokoll hat gestimmt und bei uns ging es nicht um Millionen. Darüber wurde noch ein Gespräch bezüglich der Gemeinnützigkeit geführt. Bei der Übergabe der Finanzen wurde nichts ausgelassen, oder vergessen. Wir hatten unsere Kasse unentgeltlich geführt und erhielten keine monatliche Entlohnung. Dafür hat alles gestimmt, bei der Kassenübergabe in Schwalbach hier sollten die Stadtverordneten oder der Magistrat, sich das Übergabeprotokoll mal anschauen ( ob es überhaupt eins gibt ? ) Nur zur Kenntnisnahme : bei uns hat alles gestimmt und hier ging es nicht um 19 Millionen… es ist sensationell, aberwitzig und peinlich !!