Zur Diskussion über die verlorenen Greensill-Festgelder und die von der Schwalbacher Zeitung gestartete Petition erreichte die Redaktion nachfolgender Leserbrief von Süreyya Harmjanz-Gökyaprak. Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Wenn auch Sie einen Leserbrief veröffentlichen möchten, senden Sie ihn unter Angabe Ihrer vollständigen Adresse und einer Rückruf-Telefonnummer an info@schwalbacher-zeitung.de.Die repräsentative Demokratie beinhaltet diverse Kontrollmechanismen, zum Schutz vor Fehlentscheidungen oder zu deren Korrektur. Das funktioniert in der Regel auch in Gemeinden. Darauf ist die parlamentarische Demokratie aufgebaut. Aber wie bereits in anderen Kommentaren angemerkt wurde: „Die Hessische Gemeindeordnung (HGO) ist leider nicht darauf ausgelegt, dass die Mehrheit in Stadtparlament und Magistrat untätig bleibt.“
Im Fall Greensill-Bank haben die Verantwortlichen in Schwalbach bisher zur Entlastung nicht mehr vorgetragen als „Hatte leider keine Kenntnis.“, „Wollte das nicht.“, „Ich kann Ihnen versichern, dass ich das nicht wollte“ oder ähnliches. Das ist sicher aufrichtig, aber genügt nicht.
Die mangelnde Kenntnis von wichtigen geltenden Vorschriften stellt niemanden von der Verantwortung und den Konsequenzen des Handelns frei. Ein Bürgermeister und ein Amtsleiter sollten wissen, welchen rechtlichen Rahmen sie bei ihrer Arbeit beachten müssen. Weder „guter Wille“, „Jahrzehnte lange ehrenamtliche Tätigkeiten“ können eine „sorglos leichtfertige Vorgehensweise“ im Amt aufwiegen oder fehlende grundlegende Selbstverständlichkeiten für die Amtsausübung ersetzen. Dies muss in dieser Klarheit gesagt werden, bei aller aufrichtigen Wertschätzung sonstiger Fähigkeiten und guten Absichten der Beteiligten.
Verlorenem Geld sollte nicht noch mehr hinterhergeworfen werden. Auch der beste Anwalt kann nicht mehr herausholen als im Topf der insolventen Greensill-Bank drin ist. Daher ist es an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen und eine personale Neuaufstellung zuzulassen.
Ob die Verantwortlichen strafrechtlich zu belangen sind, ist dabei nicht relevant. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung auch für alle. Aber: Für eine gute Amtsausübung muss man nicht nur das Strafrecht beachten und sozial engagiert sein. Schuld im Sinne des Strafrechts und Übernahme politischer Verantwortung dürfen nicht gleichgesetzt oder gar vermengt werden.
Großes Unverständnis erzeugt, dass dieses „Desaster“ kleingeredet wird. Scheinbar wurden nunmehr alle Konsequenzen gezogen, alle notwendigen Abmahnungen ausgesprochen und die „Schwalbacher Rathauswelt“ ist wieder in bester Ordnung.
Eine aktivere, kritischere Haltung der Gremien (Magistrat, Stadtverordnetenversammlung) und Parteien sowie effektive Kontrollmechanismen würden das Vertrauen in ihre Arbeit und der Demokratie stärken.
Zur Klarstellung: Das ist keine „Kampagne“, kein „Schmierentheater“, sondern schlicht das berechtigte nachhaltige „Einfordern der Einhaltung rechtlicher Vorgaben im Amt“.
Ein Glück, dass die Revision, die Staatsanwaltschaft, die Grünen und die Schwalbacher Zeitung ihre Aufgaben ernst nehmen.
Vielen Dank dafür, das macht Hoffnung.
Süreyya Harmjanz-Gökyaprak,
Schwalbach