Zu den Artikeln „Das sagen die Schwalbacher Fraktionen“ in der Ausgabe vom 23. November erreichte die Redaktion nachfolgender Leserbrief von Jürgen Vits. Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Wenn auch Sie einen Leserbrief veröffentlichen möchten, senden Sie ihn unter Angabe Ihrer vollständigen Adresse und einer Rückruf-Telefonnummer an info@schwalbacher-zeitung.de.Mit ihren Antworten und Nicht-Antworten auf die Fragen der Schwalbacher Zeitung zum Greensill-Finanzskandal haben die „regierenden“ Parteien SPD und CDU ihre Strategien und Haltungen auf entlarvende Weise zum Ausdruck gebracht.
Soso, Herr Immisch habe also am dritten Tag nach Amtsantritt die erste Anlage bei Greensill getätigt, obwohl es einen Magistratsbeschluss gab, der Finanzanlagen bei Privatbanken ausschließt. Dieser Beschluss sei ihm aus der Verwaltung nicht vorgelegt worden, so die Behauptung. Die Schuld trügen also seine Mitarbeitenden. Nein, der Bürgermeister hat über Monate wiederholt ohne neue Risikobewertungen hohe Summen bei der Greensill-Bank investiert. Folglich hätte er genügend Zeit gehabt, sich in seiner Funktionsverantwortung über die Beschlusslage zu informieren, bevor er alles blauäugig „wie vorgelegt“ unterschreibt. Eigentlich hätte er dies vom ersten Tag an bei einer solch wichtigen Angelegenheit tun müssen. Dafür hätte er keine vollen Leitz-Ordner wälzen, sondern nur in die digitalen Verzeichnisse des Finanzausschusses bzw. des Magistrats schauen müssen.
Zur Not hätte der „Anfänger im Amt“ seine Amtsvorgängerin fragen können. Ein Anruf genügt. Merkwürdig ist, dass ein ganzes Jahr lang Millionen Steuergeld überhastet angelegt wurde, wo doch andere Verwaltungsvorgänge nicht selten längere „Reifephasen“ für Bearbeitungen und Entscheidungen benötigen. Nein, das Geld der Schwalbacher musste schnell rausgehauen werden. Augen zu und durch. Es wird schon gutgehen. Unser Bürgermeister konnte offenbar keine Prioritäten setzen und sah auch keine Notwendigkeit, sich erst einmal sach- und aktenkundig zu machen. Sein vermeintliches Unwissen erstaunt, zumal seine Partei ja im Wahlkampf mit seiner kommunalen Expertise geworben hatte.
In der Wirtschaft wäre er für seine Verstöße und Versteckspiele sofort vor die Tür gesetzt worden. Statt eines Rücktritts ergreift er nun die Flucht nach vorne: Keine persönlichen Konsequenzen. Denn in Zukunft soll ja alles besser werden. Ein Kämmerer wird installiert. Eine neue Anlagerichtlinie muss her. Die frohe Kunde an uns: Weitere Millionen sollen nicht mehr versenkt werden. Wir Bürger dürfen wieder ruhig schlafen. Immisch will weitermachen. Es ist halt gut, wenn man loyale Parteifreunde hat – noch dazu eine kooperative CDU.
Die Weigerung der ansonsten „meinungsstarken“ Schwalbacher CDU, die Fragen der Schwalbacher Zeitung zu beantworten, ist vielsagend und mehrdeutig. Entweder ist sie Ausdruck von Arroganz und Missachtung gegenüber den Schwalbachern, die auch in wahlfreien Zeiten an der Haltung der CDU interessiert wären, oder sie deutet darauf hin, dass die Meinungen in der Schwalbacher CDU zur Causa Immisch keineswegs einheitlich sind und die Partei daher keine gemeinsame Position formulieren konnte. Mit ihrer peinlichen Verweigerungshaltung hat die CDU zumindest öffentlich kundgetan, dass sie sich an dem unwürdigen Versteck- und Ablenkungsspiel des Bürgermeisters und seiner Partei beteiligt. Zwei hauptamtliche Posten auf Steuerzahlerkosten hat sie sich ja gesichert. Die CDU-Wähler in Schwalbach werden sicherlich ihre Schlüsse aus diesen Manövern ziehen.
Wie wird es nun weitergehen? Die „interessenverwobene“ Wagenburg von SPD und CDU wird ein Abwahlverfahren verhindern. Die Schwalbacher werden die Folgen der Verstöße fortan mit höheren Steuern und Gebühren bezahlen. Unser lächelnder Bürgermeister wird weiterhin emsig die Schwalbacher Vereine und Veranstaltungen aufsuchen, um dort um Sympathiepunkte und Wähler zu werben. Warten wir also auf das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, das die SPD bereits auf anmaßende Weise zu kennen scheint. Der ganze Vorgang ist wahrlich keine Werbung für die Demokratie und fördert die Parteiverdrossenheit.
Jürgen Vits,
Schwalbach