22. Dezember 2022

Leserbrief

„Stimmungsvolle Zeit abseits der Religionen“

Zum Kommentar „Wie bei den Germanen“ erreichte die Redaktion nachfolgender Leserbrief von Herbert Ochs. Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Wenn auch Sie einen Leserbrief veröffentlichen möchten, senden Sie ihn unter Angabe Ihrer vollständigen Adresse und einer Rückruf-Telefonnummer (beides nicht zur Veröffentlichung) an info@schwalbacher-zeitung.de.

Wie man am Verhalten der Germanen ersehen kann, hat die Zeit der Stille und Besinnlichkeit in erster Linie nichts mit einer ideologisierten Weihnachtsbotschaft zu tun, weil sie gemäß der jahreszeitlichen Stimmungslage einfach ihrer inneren instinktgeleiteten Stimme der Besinnlichkeit folgen. Die Weihnachtszeit des Christentums passt natürlich hervorragend in diese Zeit, die uns mit segensreichen Liedern und Hoffnungsbotschaften unter dem Namen des sogenannten Gottessohns Trost spendet.

Eine Zeremonie, die wir – ob Kirchenmitglied oder (wie ich) nicht – gerne annehmen und auch glauben möchten. Andererseits wissen wir, dass an dieser ach so friedvollen Religion aus vergangenen Jahrhunderten immens viel Blut klebt, und selbige bis zum jüngsten Tag mit anderen Missetaten aufgewartet hat. Und das alles unter dem Deckmantel im Auftrag Gottes zu handeln.

Um es klar zu sagen: Die Kirche hat sich das Grundmotiv von Jesus unter weltlichem Machtanspruch mit Zwangsrekrutierung zu Nutze gemacht und seine Friedensbotschaft außer Kraft gesetzt – und sich damit als Institution unglaubwürdig gemacht.

Götter und Götzenbilder begleiten die Menschheit von Anfang an. Aber ideologisiert unter oben genannten Kriterien wurden sie erst seit Beginn der abrahamisch patriarchalischen Götterkultur unter der geradezu beleidigenden Anmaßung, dass der „wahre Gott“ erst vor rund 2.000 Menschenjahren nach deren Doktrin sozusagen auf die Welt gekommen ist und die vorangegangene Welt- und Menschheitsgeschichte ohne ihn auskommen musste.

Damit drängt sich der Verdacht auf, dass die alten Naturvölker von den Germanen bis zu den Aborigines nicht nur sehr viel instinktvoller und weiser mit der Schöpfung gelebt haben, sondern in Bezug auf ihre Götterwelten gegenüber allen anderen Völkern auch viel toleranter mit sich umgegangen sind.

Belassen wir es dabei: Jede Göttervorstellung, und es ist nur eine rein menschliche Vorstellung, hat ihre eigene Symbolik sowie ihre speziellen Rituale, und der Glaube an diese Vorstellungswelten hat seine individuelle zeitliche und örtliche Berechtigung und sollte dementsprechend keiner intoleranten Ideologie anheimfallen, denn das wahre Leben findet nun mal grundsätzlich im Völker übergreifenden Alltag statt. Und hier entscheidet sich – von Mensch zu Mensch – jeden Tag aufs Neue unser gemeinsames rein pragmatisches (Über)Leben auf Erden.

Genießen wir also einfach diese stimmungsvolle Zeit, und zwar jeder auf seine Weise mit all den damit verbundenen Wünschen und Sehnsüchten, so wie die alten Germanen es auf ihre Weise taten und bitten den über allen Religionen schwebenden geschlechtslosen Schöpfer, dass er uns im Lichte der Lichterketten auch die Erleuchtung schenkt – unter anderem die, dass er, nämlich Gott, der zeitlose unsichtbare Weltgeist ist, und Religionen bloß weltliche Zeitgeister sind. Herbert Ochs, Schwalbach

Schreiben Sie Ihre Meinung zu dem Thema in das Feld unten!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert