10. Januar 2023

Kundgebung auf dem Markplatz

Fernwärmekunden demonstrieren

Trotz Regens trafen sich am Sonntagmorgen rund 150 Schwalbacherinnen und Schwalbacher vor dem Rathaus, um mit Worten und Transparenten gegen die hohen Fernwärmekosten in der Limesstadt zu protestieren. Foto: Schlosser

 Das neue Jahr begann in Schwalbach mit einer Demonstration auf dem Marktplatz. Trotz Regens versammelten sich am vergangenen Sonntag vor dem Neujahrsempfang rund 150 Schwalbacherinnen und Schwalbacher vor dem Rathaus, um gegen die hohen Fernwärmepreise zu protestieren. Eine Informationsveranstaltung vom bisherigen Kraftwerksbetreiber „E.ON Energy Solutions“ kurz vor Weihnachten hatte viele Betroffene frustriert zurückgelassen.

Die Interessengemeinschaft (IG) Fernwärme hat mittlerweile klare Forderungen formuliert. Ihr Sprecher Arnold Bernhardt erklärte bei der Kundgebung am Sonntag: „Es geht darum, dass die Fernwärmepreise hier in Schwalbach geradezu explodiert sind, deutlich mehr als bei anderen Fernwärmeversorgern. Wieder einmal, muss man sagen, nach ähnlichen Erfahrungen in der Vergangenheit.“ Alle Schwalbacherinnen und Schwalbacher, die nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen sind, würden „deutlich günstiger“ fahren.

Formal liegt das laut IG Fernwärme an einer überaus komplizierten, für den normalen Kunden kaum nachvollziehbaren Preisänderungsklausel. Diese Klausel berücksichtige nicht in angemessener Weise die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt, obwohl das laut Gesetz vorgeschrieben ist. „Die Preisänderungsklausel erlaubt stattdessen wie in unserem Fall kräftige Übergewinne für den privaten Heizkraftwerkbetreiber“, sagte Arnold Bernhardt. Die Klausel müsse geändert und der unerwartete Übergewinn durch die Preissprünge an der Gasbörse sollten ausgeglichen werden.

Für die Abrechnung des Jahres 2022 machte Bernhardt den Bewohnerinnen und Bewohnern der Limesstadt wenig Hoffnung: „Die Schwalbacher Fernwärmekunden haben noch den Schrecken in den Gliedern von der letzten Abrechnung für das Jahr 2021. Ganz einfach gesagt: Im Jahr 2022 würde es nach dieser Klausel ungefähr doppelt so teuer werden.“

Arnold Bernhardt erinnerte daran, dass die Schwalbacher Fernwärmekunden alle „Zwangskunden“ sind.  Wenn das so bleiben soll, gibt es aus Sicht der IG Fernwärme nur eine Konsequenz: Die Stadt soll – wie in anderen Städten auch – die Fernwärmeversorgung in die Stadtwerke integrieren und „endlich für zeitgemäße Tarife“ sorgen. “Es darf nicht dabei bleiben, dass die Fernwärmekunden auf unabsehbare Zeit einem privaten Unternehmen ausgeliefert sind.“

Betreiberwechsel

Unterdessen ist bekannt geworden, dass „E.ON Energy Solutions“ den Betrieb des Fernheizkraftwerks in der Adolf-Damaschke-Straße zum 1. Januar kurzfristig abgegeben hat. Ab sofort hat dort die „Süwag Grüne Energien und Wasser AG & Co. KG“ das Sagen, die ebenfalls zum „E.ON“-Konzern gehört. „Mit dem Ziel, unsere Kunden zukünftig noch besser und schneller mit Energielösungen zu versorgen, wurden Teile des Wärme- und Kältegeschäfts auf regionale Schwestergesellschaften übertragen, erklärt „E.ON“-Sprecherin Isabel Reinhardt auf Anfrage der Schwalbacher Zeitung. Die betroffenen Kunden würden „selbstverständlich weiterhin zuverlässig versorgt“. Kurzfristig würden sich für die Kunden „keinerlei Änderungen“ ergeben. Die „E.ON Energy Solutions GmbH“ führe weiterhin dienstleistend die Abrechnung für das Versorgungsjahr 2023 und den Kundenservice durch und bleibe in Abrechnungsfragen Ansprechpartner für die Kundinnen und Kunden in Schwalbach. red

 

3 Gedanken zu „Fernwärmekunden demonstrieren

  1. Hallo Frau Lindenau, da Sie mich direkt angesprochen haben eine direkte Antwort:

    Wer verbietet dem Kundenbeirat öffentlich zu tagen? Warum sollen Protokolle der Sitzungen nicht öffentlich zugänglich sein, z.B. im Ratsinformationssystem?

    Mir ist nicht bekannt, dass es sich bei den Verträgen zwischen den Kunden und dem Lieferanten um öffentlich-rechtliche Gebührentatbestände handelt. Wo also liegt bei dem Austausch über Preisgleitklauseln und Ähnliches hier die Verantwortung und Zuständigkeit beim Stadtparlament?

    Als langjährige Kommunalplitikerin wissen Sie sicher, dass sich die Stadtverordnetenversammlung nur mit Sachverhalten beschäftigt, für die sie auch Entscheidungskompetenz hat.
    Selbstverständlich können die politischen Gruppierungen in Schwalbach alles Mögliche diskutieren, auch bürgerschaftliches Engagement jenseits des parteipolitischen Spektrums ist erwünscht.

    So ist im Falle Fernwärme ausdrücklich die IG Fernwärme zu nennen, die sich seit vielen Jahren diesem Thema annimmt. Es sind sogar aktiv Mitwirkende dabei, die im Anschlussgebiet der Fernwärme wohnen, also selbst direkt Betroffene sind. Ein Diskurs findet eben nicht nur an Runden Tischen sondern über diese hinaus seit Jahren öffentlich wahrnehmbar statt. Gut so. Hatten wir schon einmal in den 60er Jahren. Limes 68, mir sind noch viele Mitwirkende bekannt, die über das Thema Fernwärmeversorgung in Schwalbach zusammengefunden haben und sogar ins Gemeindeparlament einzogen.

    Zurück zur Zuständigkeit. Die Stadtverordnetenversammlung kann in eigener Verantwortung die grundsätzlichen Rahmenbedingungen verändern. So z.B. mit Ablauf des Vertragszeitraums dem Betreiber den Vertrag kündigen und für geschätzte 20 bis 25 Millionen Eigenkapital die Fernwärmeversorgung übernehmen, egal ob als GmbH oder Eigenbetrieb. An der Pflicht zu einer wirtschaftlichen Betriebsführung und einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals ( bei 5% ca. 1.2 Millionen € jährlich) ändert sich nichts.

    Gleichzeitig kann sie den Anschluss- und Benutzungszwang aufheben. Die Begründung von vor gut 60 Jahren war zutiefst ökologisch: eine Stadt, ein Schornstein! Da unsere Bundesregierung im Gleichschritt mit der EU den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas betreibt fällt die ökologische Begründung Eine Stadt/ein Schornstein auf mittlere Sicht weg. Wir werden zur Stadt der Wärmepumpen.

    So entsteht zumindest ein gesunder Wettbewerb zwischen dem dann kommunalen Wärmeversorger und allen in Schwalbach denkbaren Anschlussnehmern, die dann entweder erstmals eine eigene Wärmestation betreiben dürfen oder aber ihre bisherigen Verbrenner austauschen müssen.

    Ich freue mich auf spannende öffentliche Diskussionen in Fachausschüssen und der Stadtverordnetenversammlung.

  2. Sehr geehrter Herr Dienst, Detailarbeit und die Offenheit Aller im Kundenbeirat kann man zwar fordern oder sich wünschen, aber Beschlüsse zur Fernwärmeversorgung sind eigentlich dem Parlament vorbehalten. Der Kundenbeirat tagt nicht öffentlich und Abreden, die dort getroffen werden, werden nicht rechtsverbindlich getroffen, so dass ein Interessensausgleich zugunsten der Anschlussnehmer eben nicht garantiert ist.
    Nehmen wir uns die Rede von Frau Prof. Dr. Deitelhoff zum guten Vorsatz für das neue Jahr und holen wir das Thema Fernwärmeversorgung „Raus aus den Runden Tischen“ und rein damit ins Parlament.
    Es darf nicht sein, dass die große Mehrheit der Fernwärme-Kundinnen und -Kunden von den Beratungen ausgeschlossen wird, indem sich einige auserwählte Personen im Kundenbeirat oder wenige gewählte Mitglieder der Energiekommission in nichtöffentlichen Sitzungen treffen. Denn in der Vergangenheit wurden doch an „Runden Tischen“ und in vielen nichtöffentlichen Sitzungen die Entscheidungen und Fernwärme-Verträge vorbereitet, gegen die die privaten Fernwärme-Kundinnen und -Kunden heute zurecht demonstrieren.

  3. E.ON kam kaum über die Begrüßung auf der Informationsveranstaltung hinaus, da machte sich der Unmut der Anwesenden bereits bemerkbar. Die vorgesehene Tagesordnung endete bereits mit der Diskussion über die Erläuterung der Preisgleitklauseln.
    40% Spotmarktpreise in monatlicher Festlegung durch das Statistische Bundesamt wurden als Preistreiber in der Arbeitspreisformel für den Gasbezug des Fernheizwerks ausgemacht. Mit Übernahme der Fernwärmeversorgung von Innogy setzte E.ON auch eine geänderte Formel für die Errechnung des Arbeitspreises ein. Auch ich war nicht erfreut, als E.ON dies deutlich machte.

    Mit ein wenig Abstand habe ich aus den in meinem Kundenkonto hinterlegten Abrechnungen seit 2009 die Arbeitspreise zusammen gestellt. Bereits 2009 und 2010 waren im Umfeld der Gaspreiskrise in Folge des Russland/Ukrainekonflikts Arbeitspreise von bis zu 8,8 cent/kwh Wärme aufgerufen. Nach der damals geltenden Formel.
    So sind die 9,5 cent/kwh in der Abrechnung 2021 zwar bisher Spitzenreiter, aber eben nicht wesentlich höher als in 2008.

    Das Erschrecken über die Abrechnung dürfte auch darin begründet sein, dass das Jahr 2020 trotz der neuen Arbeitspreisformel mit 4,5 cent/kwh das bisher niedrigste Arbeitspreisjahr innerhalb der letzten 13 Jahre war.
    Somit war die Rechnung 2021 über den gestiegenen Arbeitspreis gut 100% teurer als das Vorjahr, hinzu kommt ein rund 20%iger Mehrverbrauch, womöglich witterungsbedingt.

    Erschwerend auch, dass die Schwalbacher Fernwärme ausschließlich aus Gas erzeugt wird. Andere Fraktionen die Marktverwerfungen auf dem Gasmarkt nicht abfedern (Müllverbrennung etc).

    Private Versorger wie E.ON oder die zum Konzern gehörende SÜWAG erzielen sicher Gewinne, auch mit Fernwärme. Es ist allerdings nicht richtig, dass Stadtwerke in diesen Bereichen nicht auch erlösorientiert wirtschaften. Schreibt das Hessische Eigenbetriebsgesetz in Paragraph 11,5 vor, dass der Jahresgewinn so hoch sein soll, dass neben angemessenen Rücklagen mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet wird.

    Darüber hinaus gelten die marktüblichen Rahmenbedingungen auch für kommunale Eigenbetriebe, so auch die höchstrichterlich bestätigte Verwendung von Preisgleitklauseln beim Betrieb von Fernwärmenetzen.

    Es wird viel Detailarbeit und Offenheit Aller im Kundenbeirat notwendig sein, um den Interessenausgleich zwischen Anschlussnehmern und Betreiber jetzt und künftig auszutarieren. Immerhin auch ein Erfordernis, welches Eingang in die Rechtsprechung gefunden hat.

    Die bevorstehende Decarbonisierung (weg von Gas, Kohle und Öl) wird es nicht einfacher oder günstiger machen.

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