7. Februar 2023

Stadt soll abwarten und „belastbare Zahlen“ sammeln

Debatten um die Fernwärme

 Der Umgang mit den hohen Fernwärmepreisen stand im Mittelpunkt der Stadtverordnetenversammlung am vergangenen Donnerstag. Zahlreiche Zuschauer – zumeist aus der Limesstadt – verfolgten die Sitzung.

Zunächst ging es um einen Antrag der Grünen, der sich damit befasste, wie die Stadt selbst als Fernwärmekunde auf die hohen Preise reagieren soll. Die Fraktion forderte unter anderem, dass die Stadt ihre Nachzahlung und die geforderten Vorauszahlungen kürzen solle. Weiterhin verlangten die Grünen, dass eine kartellrechtliche Überprüfung der örtlichen Fernwärmepreise auf den Weg gebracht werden soll. Heizwerkbetreiber „E.on“ sollte zudem wegen der hohen Preise abgemahnt werden. Falls keine Preiskorrektur erfolgt, soll das Erbbaurecht für das Grundstück mit dem Heizwerk in der Adolf-Damaschke-Straße zurückgefordert werden. „Die Stadt sollte alles tun, was die IG Fernwärme empfiehlt und sich solidarisch verhalten“, erklärte Thomas Nordmeyer den Antrag.

Jan Welzenbach von der CDU machte für die SPD/CDU-Koalition klar, dass diese auch nicht mit den hohen Preisen einverstanden ist. Der Zeitpunkt für die geforderten Maßnahmen sei allerdings falsch, da man zunächst „belastbare Zahlen“ brauche. „Wir müssen abwarten, damit wir das Richtige tun können.“ Bürgermeister Alexander Immisch (SPD) hatten zuvor berichtet, dass er zwischenzeitlich ein Ingenieurbüro mit der Überprüfung der Preise beauftragt habe. Wann mit einem Ergebnis zu rechnen sei, vermochte er nicht zu sagen.

Danach drehte sich die Diskussion um die beiden Argumente im Kreis. Stephanie Müller von „FDP und Freie Bürger“ erinnerte daran, dass ihre Fraktion die heutige Situation bereits beim Kauf des Grundstücks vor zwei Jahren habe kommen sehen. Aber Alexander Immisch habe den Vertrag seinerzeit noch schnell kurz vor der Kommunalwahl unter Dach und Fach bringen wollen. „Dass das ein schlechter Deal ist, war von Anfang an klar.“ Bei einigen Enthaltungen wurde der Antrag der Grünen in allen abgelehnt, vornehmlich mit den Stimmen von SPD und CDU.

Hilfe für Härtefälle

Einigkeit herrschte dagegen beim zweiten Antrag zum Thema Fernwärme, den alle Fraktionen gemeinsam eingebracht hatten. Danach sollen Schwalbacherinnen und Schwalbacher, die keine Sozialleistungen oder Wohngeld beziehen, aber trotzdem unter den hohen Energiekosten leiden, einmalig 100 Euro zur Unterstützung bekommen. In Anspruch nehmen können die Hilfe sowohl Fernwärmekunden als auch Hausbesitzer und Mieter, die mit Öl, Gas oder anderen Brennstoffen heizen.

So einig wie sich die Stadtverordneten in der Sache waren, so hitzig war die Diskussion über das Zustande-Kommen des Antrags. Denn in den vorangegangenen Ausschusssitzungen war es wie berichtet zu heftigen formalen Debatten gekommen, wer wann welchen Antrag gestellt hat und wann wie über welchen Antrag und welche Änderung diskutiert werden soll. Koalition und Opposition warfen sich dabei wechselseitig vor, nicht kompromissbereit zu sein, obwohl genau das am Ende alle waren und die gemeinsam erarbeitete Härtefallregelung einstimmig verabschiedeten. MS

 

Ein Gedanke zu „Debatten um die Fernwärme

  1. Nicht nur Schwalbach oder Erkrath, auch Hamburger EON Kunden erlebten ähnliche Preissteigerungen, obwohl nicht mit Gas sondern Holz als Primärenergie gearbeitet wird.
    Interessant ist, dass EON aber Gasbezugsgrößen in die Lieferverträge einsetzte, offenbar statthaft. In Hamburg kommt die Energie von einer Kontrakting Firma, in Schwalbach das Erdgas von Sachsenenergie, einem mittlerweile kommunalen Versorger, der nach seiner Webseite eigentlich nur regional liefert.

    Hier ein Link zur Hamburger Bürgerschaft:
    https://bv-hh.de/bergedorf/documents/wie-sind-die-verbraucherkosten-bei-der-fernwaerme-in-hamburg-gestiegen-119559

    „Die Stadt sollte alles tun, was die IG Fernwärme empfiehlt und sich solidarisch verhalten“, erklärte Thomas Nordmeyer

    Die IG Fernwärme in allen Ehren. Sie hinterfragt, sie versucht Transparenz herzustellen, sie hat vor 10 Jahren eine kartellrechtliche Überprüfung mit begleitet und sie betreibt ein andauerndes Monitoring der Fernwärmesituation in Schwalbach. Dafür bin ich dankbar, ich wohne seit Bestehen der Limesstadt fernwärmegebunden.

    Es gab eine Zeit, da hatten Nachbarn vom Fach gemeinsam mit mir Graphenschreiber an Vor-und Rücklauf geklemmt und Heizkurven mitverfolgt. Es gab sogar schon einmal eine Heizkostenkommission.

    Zu keiner Zeit aber haben Gemeindevertreter (Stadt sind wir ja erst seit den 70’er Jahren) oder Stadtverordnete verlangt, dass ein Parlament oder der Magistrat seine Verantwortung abgibt und einer Interessenvertretung einfach folgt.

    Es gibt ein vertraglich vereinbartes Junktim zwischen der Stadt und dem Fernwärmebetreiber das besagt, dass die Preise in Hessen vergleichbar sein müssen. Das ist beauftragt und solange diese Vergleichbarkeit nicht belegt ist, solange ist jede Abrechnung, die nach Vertragsunterzeichnung mit EON erstellt wird, für mein Verständnis befangen.

    Ich habe meine Nachzahlung für 2021 unter diesem Vorbehalt gezahlt und gleichzeitig eine Reduzierung des neuen Abschlags verlangt. Statt 266 € habe ich von mir aus 200 € angeboten, festgesetzt wurden letztlich 166 €.
    Ob die Stadt jetzt wie in Rechnung gestellt bezahlt oder eben nur reduziert sei ihr überlassen. Letztlich summieren sich die Einzahlungen auf dem Kundenkonto und werden hoffentlich zeitnah aufgerechnet.
    Was hat das mit fehlender Solidarität zu tun? Vor allem Solidarität mit wem?

    Ein Nachbar hat mir heute erzählt, er hat die Nachzahlung bis zur Überprüfung einbehalten, die neu festgesetzten Vorauszahlungen aber von sich aus noch erhöht. Ist der etwa unsolidarisch?

    Wir alle sind solidarisch mit jenen, denen die hohen Energiepreise gerade besonders zusetzen und die oberhalb der bekannten sozialen Sicherungssyteme leben. Es ist freiwilliges öffentliches Geld welches hier angeboten wird. Im Übrigen gibt es Konzessionsabgaben auch für Gas und Strom, nicht nur für Fernwärme. Sich hier allein auf Fernwärme zu kaprizieren ist nahe an politischer Polemik.

    Abmahnungen und weitere rechtliche Schritte lassen sich womöglich politisch einfach einfordern und öffentlich proklamieren, sie sollten vor ihrem Aufleben allerdings auch auf ihre juristische Substanz und gerichtliche Durchsetzung geprüft sein.

    Ebenso kartellrechtliche Verfahren. Es ist mir nicht bekannt, dass in Hessen oder irgendwo sonst in unserer Republik eine Stadt ein kartellrechtliches Verfahren „einleiten“ kann. Das obliegt allein den Landeskartellämtern oder dem Bundeskartellamt. Sowohl in Hessen als auch in NRW haben die Landesbehörden ihre Monitoringverfahren im Fernwärmebereich gerade erst durchgeführt. In Hessen ohne Auffälligkeiten.
    In NRW verbunden mit einer Sonderbetrachtung EON/Innogy in Erkrath/Hochdahl für vergangene Zeiträume. Das Ergebnis lässt sich auf der Webseite der Hochdahler nachlesen.

    Begriffe wie „kriminell“ (Leserbrief aktuelle Ausgabe, Frau Ferdinand) „marktüblich“, „Übergewinne“(bezogen auf Fernwärme), die sich behauptet aber bisher nicht belegt in die Diskussion einschleichen, sind wohl emotionsschürend aber nicht faktenklärend.
    Sie helfen nicht weiter.

    Es wäre gut, wenn z.B. die IG Fernwärme die Daten hinter ihren Preisentwicklungsschaubild offenlegt. Ohne diese Transparenz ist überhaupt nicht nachvollziehbar, was genau der „Wettbewerbsfähige Durchschnittspreis“ oder der „Durchschnittsmischpreis Schwalbach“ abbildet.

    Die Kartellbehörden bemühen eigene, rechtssichere Berechnungsmethoden, um Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fernwärmenetzen zu erreichen. Gleicht von Haus aus doch so gut wie keins dem anderen. Auch eine Erkenntnis der kartellrechtlichen Überprüfungen, die auf den Webseite der IG Fernwärme und auch in Hochdahl nachzulesen sind.

    Mit einem Blick in die Zukunft frage ich, was soll den passieren, wenn ein anderer Betreiber gesucht wird?
    Mit welcher Zielsetzung soll ausgeschrieben werden? Welche Heizleistung wird, unabhängig von der einzusetzenden Energieart, abverlangt? Was bedeutet das für die Anschlussnehmer und für künftige energetische Bestandsanpassungen?

    Vor 60 Jahren wurde, nicht nur in Schwalbach, modernes, serielles Bauen mit neuartiger Fußbodenheizung eingeführt und umgesetzt. Ein Fernwärmebetreiber gefunden und eine Gesamtanschlussleistung definiert.

    Die wurde geliefert und sie ist offenkundig auch bei nachträglicher energetischer Sanierung von Teilen des Gebäudebestands oder Änderung der städtebaulichen Rahmenplanung nicht verhandelbar. Die aktuelle Rechtsprechung hat zumindest bisher keine Tür geöffnet. Es ist letztlich Investitionsschutz für den Fernwärmebetreiber.

    EON fördert kein Gas, erzeugt noch mit einem Kernkraftwerk im Konzernverbund Strom, der im letzten Jahr vergoldet wurde wie im Übrigen bei allen Erneuerbaren. EONs Kerngeschäft ist der Netzbetrieb.
    Da gibt s keine Übergewinne. Die Durchleitung obliegt der Aufsicht der Bundesnetzagentur. Das sollten sie als politische Meinungsbildner in Partei und Interessengemeinschaft zumindest ebenso kommunizieren.
    Selbst wenn solch ein Konzern nahezu 8 Milliarden € europaweit in 2022 verdient hat.

    Die Öl- und Gasförderer Exxon, Shell, BP, Chevron und Total werden für 2022 auf rund 200 Miliarden US Dollar Gewinn geschätzt. Die Energiewelt spielt verrückt, BP ist so begeistert, dass sie erst mal weiter die Kassen füllen wollen und später als geplant in die projektierte Energiewende einsteigen.

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