2. März 2023

Die Buchtipps der Schwalbacher Zeitung

Lesestoff

In der Schattenwelt von Melissa Ginsburgs Krimi „Sunset City“ verschwimmen Schuld und Mitgefühl. Johann von Bülow erzählt in seinem Debütroman „Roxy“ von Schicksal und Zufall, von den Wegen, die man geht, vom luxuriösen Unglück des Reichtums und der Wucht echter Entscheidungen. Franziska Gerstenberg fängt in ihrem Familien- und Gesellschaftsroman „Obwohl alles vorbei ist“ all die achtlosen Momente ein, die schließlich in die Katastrophe münden.

 

„Sunset City“

Vor den Drogen war Danielle Reeves Charlotte Fords treueste und lebhafteste Freundin. Sie half Charlotte durch die Krankheit und den Tod ihrer Mutter und sprach offen über ihre eigene kaputte Familie. Die beiden Freundinnen waren unzertrennlich und schwelgten in Houstons schattigen Ecken. Aber dann ergriff die Sucht Besitz von Danielle und sie kam für vier Jahre ins Gefängnis. Nach ihrer Entlassung verbinden sie und Charlotte sich wieder. Charlotte hofft, dass dies ein Neuanfang für ihre Freundschaft ist. Doch dann taucht ein Detektiv in Charlottes Wohnung auf. Danielle wurde ermordet, zu Tode geprügelt.

Von Trauer überwältigt, ist Charlotte entschlossen zu verstehen, wie die lebendigste Person, die sie je gekannt hat, so enden konnte. Charlottes Leben gerät aus den Fugen und sie taucht in die Schattenseiten der Stadt hinab, wo sie die Stripperinnen, Pornografen und Drogendealer trifft, die Danielle in den letzten Jahren umgaben.

Ginsburgs Houston ist Teil eines weniger bekannten Südens, in dem Stadt und Land aufeinanderprallen. In dieser Schattenwelt verschwimmen Schuld und Mitgefühl. Doch je tiefer Charlotte in Danielles dunkle Welt eintaucht, desto weniger versteht sie. War Danielle ein glückloses Opfer oder Meistermanipulator? Wollte sie wirklich noch einmal von vorn anfangen oder war alles nur gespielt? Um die Wahrheit herauszufinden, muss Charlotte einen klaren Kopf bewahren und auf der Hut sein. Houston hat eine Art, sich von schlechten Angewohnheiten zu ernähren, und Charlotte will nicht von diesem Moloch geschluckt werden, als ein Opfer ihrer eigenen qualvollen Begierden.

Melissa Ginsburg: „Sunset City“
Übersetzt von Kathrin Bielfeldt
Polar Verlag, 2023. 216 Seiten, 17 Euro.

 

„Roxy“

Marc Berger muss nach München. Zur Beerdigung seines einst besten Freundes. Dabei hatte Roy buchstäblich alle Möglichkeiten der Welt. Damals. Marc blickt zurück auf sein halbes Leben, Freundschaften, Lieben. München, Achtzigerjahre: Marc wächst in der Doppelhaussiedlung auf. Er will ausbrechen, Schauspieler werden, die Welt erobern. Die liegt seinem Freund, dem Industriellensohn Roy – eigentlich Robert –, schon zu Füßen. Die beiden träumen und hoffen, wachsen aneinander, aber auch hinein in eine Glamourwelt, die sich in der Edeldisco „Roxy“ trifft. Sie feiern das Dasein. Aber die Linien zwischen Freundschaft und Rivalität sind manchmal dünn. Sie lernen die umwerfende Carolin kennen, die alles verändert.

Johann von Bülow, geboren 1972 in München, zählt zu den bekanntesten deutschen Schauspielern seiner Generation. Nach einem Studium an der Otto-Falckenberg-Schule spielte er an wichtigen Theatern wie dem Schauspielhaus Bochum; darüber hinaus ist er in zahlreichen deutschen und internationalen Kino- und Fernsehfilmen zu sehen und arbeitet mit Regisseuren wie Oliver Hirschbiegel und François Ozon. „Roxy“ ist sein erster Roman.

Johann von Bülow: „Roxy“
Rowohlt Berlin, 2023. 336 Seiten, 24 Euro.

 

„Obwohl alles vorbei ist“

Kurz vor dem 11. September 2001 begegnen sich Charlotte, die Frau aus dem Osten, und Simon, der Mann aus dem Westen. Mit der Geburt ihres Kindes verlassen sie Berlin und ziehen nach Dresden in Charlottes Elternhaus. Doch die ersten Brüche zeigen sich schnell, und obwohl nach Greta noch Karl auf die Welt kommt, ist die Ehe bald nicht mehr zu retten. Das Paar trifft eine folgenreiche Entscheidung: Haus und Familie werden buchstäblich aufgeteilt; sie bewohnt mit dem Sohn die eine Haushälfte, er mit der Tochter die andere. Das Heranwachsen in dieser falschen Normalität hinterlässt seine Spuren. Karl, ein Einzelgänger, stalkt seine Schwester, und als Greta sich politisch engagiert, will er ihr zeigen, was er kann – mit fatalen Konsequenzen. Am Ende muss sich nicht nur die Familie fragen: Wie kann man weitermachen, obwohl alles vorbei ist?

Franziska Gerstenberg, 1979 in Dresden geboren, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sie erhielt zahlreiche Stipendien und Literaturpreise, darunter den Hermann-Hesse-Förderpreis. Ihr erster Roman „Spiel mit ihr“ wurde mit einem Stipendium der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart sowie dem Förderpreis zum Lessingpreis ausgezeichnet. Für ihre Erzählungen „So lange her, schon gar nicht mehr wahr“ wurde sie mit dem Sächsischen Literaturpreis 2016 ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrer Familie im Wendland.

Franziska Gerstenberg: „Obwohl alles vorbei ist“
Schöffling & Co., 2023. 296 Seiten, 24 Euro.

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