31. März 2023

Lange Debatte über die Petition „Bürgermeister Immisch abwählen“

Koalition will Bürger nicht entscheiden lassen

Ausführlich haben sich die Schwalbacher Stadtverordneten gestern Abend mit der Petition „Bürgermeister Immisch abwählen“ befasst, für die im vergangenen Herbst 943 Bürgerinnen und Bürger unterschrieben hatten. Doch gegen den Willen der SPD-CDU-Koalition wird es keine Entscheidung an der Wahlurne geben.

Die Online-Petition hat das Ziel, über ein Abwahlverfahren zu ermöglichen, dass alle Schwalbacherinnen und Schwalbacher darüber entscheiden dürfen, ob Bürgermeister Alexander Immisch im Amt bleiben soll oder nicht. Hintergrund ist der Verlust von bis zu 19 Millionen Euro, den er durch verbotene Festgeldanlagen bei der insolventen Greensill-Bank verursacht hat.

Nachdem die Unterschriften am 2. Februar übergeben worden waren, folgte nun eine Aussprache im Parlament, wie mit der Petition umgegangen werden soll, die formal keinerlei Rechtskraft hat. Einen Tag vor der Sitzung hatte die Fraktion von „FDP & Freie Bürger“ einen konkreten Abwahlantrag formuliert und alle Stadtverordneten aufgefordert, diesen zu unterzeichnen, damit dem Wunsch der Petition entsprochen werden kann. Ein solcher Abwahlantrag muss von mindestens der Hälfte der 37 Stadtverordneten getragen werden. Für ein Abwahlverfahren entschieden sich bis Donnerstagabend aber nur rund ein Drittel der Abgeordneten aus den Fraktionen von Grünen und „FDP & Freie Bürger“.

Die Mehrheits-Koalition aus SPD und CDU sprach sich gegen das Ansinnen der Petition aus. Vor allem SPD-Fraktionsvorsitzender Eyke Grüning echauffierte sich am Rednerpult, sprach von einer „Hexenjagd gegen den Bürgermeister“ und dass so mancher ihn „wie im wilden Westen teeren und federn“ wolle. Er sah keinen Grund für einen Rücktritt. Grüning hat nicht einmal das Gefühl, dass Alexander Immisch seine Legitimation durch die desaströsen Geldanlagen und den Millionenschaden verloren hat. „Alexander Immisch ist ein guter Bürgermeister und er soll es auch bleiben“, rief er in den Saal.

Andere Genossinnen und Genossen sekundierten ihrem sichtlich verärgerten Fraktionsvorsitzenden. „Verantwortung übernehmen heißt nicht automatisch zurücktreten“, gab Dr. Claudia Ludwig zu Protokoll und Jörg Janata erinnerte daran, dass beinahe jedes Jahr irgendeine Bank Pleite gehe.

Für die CDU versuchte Daniela Hommel den Spagat, einerseits den Bürgermeister für das Desaster in die Verantwortung zu nehmen, andererseits aber einen Abwahlantrag abzulehnen. Sie wies darauf hin, dass ein solcher Antrag ohne die Mitarbeit der SPD wegen der fehlenden Zweidrittel-Mehrheit scheitern werde. Die Wähler könnten ja bei der nächsten Wahl im Jahr 2026 ihr Urteil fällen. Wichtiger als eine Abwahl sei der CDU, dass solche Vorfälle in Zukunft vermieden werden.

Thomas Nordmeyer von den Grünen nannte Alexander Immisch mehrfach eine „Lame Duck“, also eine „lahme Ente“. Er sei so beschädigt, dass er keine Autorität mehr habe und der Stadt nicht mehr nutzen könne. „Mit jedem Tag vergrößern Sie den Schaden“, erklärte er in Richtung des Bürgermeisters. Seine Fraktionskollegin Claudia Eschborn schlug in die gleiche Kerbe: „Sind sind bis heute nicht in Ihrem Amt angekommen. Sie haben Angst und Sie sind kein Gewinn mehr für Schwalbach.“ Arnold Bernhardt von den Grünen forderte Alexander Immisch auf, sich freiwillig dem Bürgervotum zu stellen.

Stephanie Müller von „FDP & Freie Bürger“ erklärte, dass man die Petition nicht „weglächeln“ könne. „Das war ein klares und deutliches Signal, dass sich die Bürger nicht gut vertreten sehen.“ Man könne die Abwahl mit der Landtagswahl im Herbst verbinden. „Alle reden von stärkerer Bürgerbeteiligung, das ist Ihre Chance“, sagte sie mit Blick auf die SPD-CDU-Koalition.

Insgesamt traten 15 der 37 Stadtverordneten ans Rednerpult, um sich an der lebhaften Debatte zu beteiligen. Kein Wort dagegen sagte Bürgermeister Alexander Immisch. MS

5 Gedanken zu „Koalition will Bürger nicht entscheiden lassen

  1. Ich kann dem Kommentar von Herrn Schlosser 100% zustimmen. Bedanken möchte ich mich nochmal bei Herrn Schlosser für die mehrteilige Aufarbeitung der Greensill Affäre in seiner Zeitung und das Starten der Petition. Bedanken möchte ich mich auch bei den Schwalbachern, die einmalig an einem Tag Stimmen gesammelt haben und sehr viele Unterstützer für die Petition gewinnen konnten. Das zeigt, dass es locker möglich wäre, genügend Stimmen für ein Bürgerbegehren zusammen zu bekommen. Ein Bürgerentscheid am gleichen Tag wie die Landtagswahl in diesem Jahr wäre ein echtes Highlight und würde eine sehr hohe Wahlbeteiligung bringen.
    Wenn Eyke Grünig von einer Hexenjagd gegen den Bürgermeister spricht ist das eine bodenlose Frechheit. Er als größter Verhinderer der Aufklärung maßt sich an, gegen alle zu wettern, die das Geschehen aufgeklärt haben. Als damaliger Kämmerer ist Herr Immisch Schuld an dem Verlust der 19 Mio. Euro. Allein das politische Kartell aus SPD und CDU hält Herr Immisch im Amt. Die CDU macht als Wackeldackel der SPD mit. Selbst nachdem der erste Stadtrat inthronisiert ist, lässt sie die Chance aus und lehnt den Abwahlantrag ab, mit dem Argument ohne die Stimmen der SPD würden die notwendigen Stimmen nicht erreicht werden. Gleichzeitig nimmt die CDU den Bürgermeister für das Desaster in die Verantwortung. Das passt doch alles nicht mehr zusammen.

  2. „Verantwortung übernehmen heißt nicht automatisch zurücktreten“, diese Aussage ist zu 100% richtig.
    Verantwortung zu übernehmen und diese dann auch zu tragen ist aber das, was von einem Politiker erwartet werden darf. Und dazu ist Hr. Immisch nicht bereit, das ist sehr deutlich geworden.

    In Trump’scher Manier werden in der Stadtverordnetenversammlung Phrasen gedroschen, dass man glaubt in Amerika zu sein. Beinahe bedauere ich es, an dieser Stadtverordnetenversammlung nicht dabei gewesen zu sein.
    „Hexenjagd“, „teeren und federn“, „wilder Westen“, „Lame Duck“ …
    Frei dem Motto: „wer am lautesten mit abgedroschenen Phrasen“ um sich wirft, ist im Recht. Aber ist das wirklich so? Bei einigen hilft ja auch ein selektives Gedächtnis, wenn z. B. vor Gericht Stellung genommen werden soll. Hat Hr. Immisch deshalb nicht das Wort ergriffen?
    Verantwortung mit Amtsantritt zu übernehmen ist eine Sache, sich dieser Verantwortung dann auch zu stellen eine ganz andere. Dazu ist eben nicht jeder Politiker bereit. Egal ob Kommunal, im Land oder im Bund.
    Nun heißt es abwarten, was das Ermittlungsverfahren ergibt, oder eben auch den Herbst 2026

  3. Es wurde mehrmals betont dass der Herr Immisch immerhin von 2.800 Schwalbachern gewählt wurde (wow – soo wenige?) und nur knapp 1.000 die Petition unterschrieben haben. Bei der letzten Sitzung wurde noch bezweifelt dass das auch alles Schwalbacher waren die da unterschrieben haben. Dieser Verdacht hat sich wohl zerstreut, denn davon war keine Rede mehr.
    Leider hat das keiner der Redner aufgegriffen, aber der 2.800 zu 1.000 Vergleich hinkt ein bisschen. Denn das würde ja bedeuten, dass kein einziger der ihn gewählt hat jetzt die Petition unterschrieben hat.
    Aus sicherer Quelle weiß ich, dass das falsch ist.
    Theoretisch wäre es sogar möglich dass von den 2.800 Wählern alle auch die Petition unterschrieben haben. Dann wären es plötzlich nur noch 1.800 Unterstützer.
    Auch mehrmals erwähnt wurde, welch großes Ungemach diese angebliche „Hexenjagd“ für die Familie Immisch bedeutet.
    Das solle sich jeder mal vorstellen, hieß es.
    Nun, für Schwalbach ist es auch ein großes Ungemach, sowohl die diversen Vorfälle als auch der Umgang damit.
    Diese Mißlichkeit kann jetzt nur von der Staatsanwaltschaft oder von Herr Immisch selber schnell bereinigt werden.

  4. Die Schwalbacher Zeitung hat eine lebhafte Diskussion angeregt. Dafür sei Dank. Ernsthaft erwartet hat wohl kein Schwalbacher Bürger, dass es in der Stadtverordnetenversammlung eine Mehrheit für einen Abwahlantrag geben wird. Zumindest soviel politische Kultur und Respekt vor den eingereichten Stimmen ist vorhanden, dass es eine offizielle öffentliche Aussprache in der Versammlung dazu gab. Auch das ist ein Erfolg.
    Noch läuft das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen Bürgermeister Immisch. Der Ausgang sollte abgewartet werden.

  5. Es war nicht anders zu erwarten! Die Bürger:innen Schwalbachs dürfen nicht darüber entscheiden, ob Bürgermeister Immisch im Amt bleiben soll oder nicht. Einem entsprechenden Antrag wurde durch die große Koalition nicht zugestimmt. Da waren die Damen und Herren von SPD und CDU wieder einer Meinung. Da bestand kein Zweifel… Herr Immisch hat sich ja auch
    vorbildlich in sein neues Amt eingeführt. Er hat Beschlüsse bzgl. Geldanlagen ignoriert, bzw. nichts davon gewusst. Mitarbeiter:innen konnten frei agieren und nach Lust und Laune
    19 Mio. bei der Greensill Bank anlegen. Das ist ja auch nicht wirklich dramatisch, denn jetzt hat die GroKo ein wachsames Auge auf die Finanzen der Stadt. Allen voran die CDU!
    Außerdem geht doch lt. Aussage von Herrn Janata beinahe jedes Jahr irgendeine Bank pleite. Was soll also die ganze Aufregung…..
    Wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD sich echauffieren muss, dann ist Polemik angesagt. Worte, wie „Hexenjagd“, „teeren und federn“, der „wilde Westen“ auch noch ins Spiel kommt, dann
    ist der Moment gekommen, da kann ich sie als Politiker nicht mehr ernst nehmen.
    Gibt es in dieser GroKo noch Menschen, die sich keinem Fraktionszwang beugen und so den Erhalt der eigenen Partei sichern? Herr Immisch wird im Amt bleiben. Es wird bis 2026 ausgesessen . Die CDU freut sich sicher schon auf die nächsten Wahlen. Die Vorfreude muss man genießen! Manchmal kommt es anders als geplant.

    Politik ist die Bühne, auf der die Souffleure manchmal deutlicher zu hören sind als die Akteure. (Ignazio Silone)

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