8. Juni 2023

Die Buchtipps der Schwalbacher Zeitung

Lesestoff

Robert Reuland zeigt in seinem neuen Krimi „Brooklyn Supreme“, dass es nicht immer einfach ist, eine eindeutige Wahrheit herauszufinden. Acht ungleiche Frauenstimmen erzählen in Maylis de Kerangals „Kanus“ von Momenten, in denen Nähe und Entfremdung ineinander vibrieren. Hat man als Einzelner überhaupt eine Chance gegen das System? Dieser Frage spürt Anthony McCarten in seinem Roman „Going Zero“ nach.

 

„Brooklyn Supreme“

Will Way ist die erste Person, die gerufen wird, wenn es in Brooklyn zu einer Schießerei kommt, in die ein Polizist verwickelt ist. Als Gewerkschaftsvertreter der Patrolmen’s Benevolent Association hat er achtundvierzig Stunden Zeit, sich mit den betroffenen Polizisten zu unterhalten, bevor es irgendjemand anderes tut. Seine Aufgabe besteht darin, sich in erster Linie um das Wohlergehen der Polizisten zu kümmern.

Als Georgina Reed einen schwarzen Mann unmittelbar nach dem Überfall auf eine Bodega erschießt, denkt Way, dass dies ein einfacher Fall ist. Doch als er im Keller des Reviers sitzt und Georginas Geschichte hört, wird ihm immer mulmiger zumute. Georgina lügt eindeutig über das, was vor wenigen Stunden passiert ist. Sie behauptet, dass der Mann, den sie erschossen hat, eine Waffe in der Hand hielt. Andere schwören, dass er nur einen Strauß Azaleen bei sich führte. Der Fall wird zum gefundenen Fressen für die Medien. Als Ways undurchsichtige Verbindung zu einem prominenten Richter ans Tageslicht kommt, wird er zur Zielscheibe.

Robert Charles Reuland wurde 1963 in Dallas, Texas, geboren. Er begann seine juristische Laufbahn 1990 in Manhattan, wo er in den Prozessabteilungen zweier Unternehmen arbeitete, bevor er 1996 in das Büro des Bezirksstaatsanwalts in Brooklyn wechselte.

Er ist der Autor von zwei weiteren Romanen, „Hollowpoint“ und „Semiautomatic.“ Beide Bücher spielen im Büro des Bezirksstaatsanwalts von Brooklyn, wo Reuland als Staatsanwalt im Morddezernat tätig war. Im Jahr 2001 ließ er sich als Privatanwalt in New York City nieder und spezialisierte sich auf die Verteidigung von Personen, die aufgrund von polizeilichem und staatsanwaltschaftlichem Fehlverhalten zu Unrecht verurteilt wurden. Er lebt in Park Slope, Brooklyn.
 
Robert Reuland: „Brooklyn Supreme“
Übersetzt von Andrea Stumpf
Polar Verlag, 2023. 504 Seiten, 26 Euro.

 

„Kanus“

Immer stimmt irgendetwas nicht. Wenn die Freundin Zoé plötzlich fremd wirkt, ihre Stimme ein ungewohntes Timbre aufweist, weil sie sich, wie sich endlich erweist, für einen Job beim Radio einem Sprechtraining unterzogen hat. Wenn sich nach Jahren der Fernbeziehung die langersehnte Nähe zu Sam nicht einstellt, weil sich die Liebenden nur übers Telefon kannten und sich ihre wahren Stimmen nicht synchronisieren wollen. Oder wenn der Vater es nicht übers Herz bringt, die von der verstorbenen Mutter gesprochene Ansage auf dem gemeinsamen Anrufbeantworter zu löschen – und damit ihre Stimme auf ewig verschwinden zu lassen.

Die acht ungleichen Frauenstimmen dieser alle Sinne ansprechenden Geschichten erzählen von Momenten, in denen Nähe und Entfremdung ineinander vibrieren. Wo eine winzig kleine Verschiebung im Gefüge alles entscheidend ist und Liebe in Skepsis umschlägt, Befangenheit in Zutrauen. Momente, die Raum für befreiend Neues schaffen.

Maylis de Kerangal, geboren 1967 in Toulon, zählt zu den einflussreichsten Gegenwartsautorinnen Frankreichs. Sie hat zahlreiche Romane, Essays und Erzählungsbände veröffentlicht. Für ihren 2010 erschienenen Roman „Die Brücke von Coca“ wurde sie mit dem Prix Médicis ausgezeichnet, „Die Lebenden reparieren“ gewann zahlreiche Preise und wurde 2016 verfilmt. Kerangal lebt mit ihrer Familie in Paris.

Maylis de Kerangal: „Kanus“
Übersetzt von Andrea Spingler
Suhrkamp, 2023. 168 Seiten, 22 Euro.

 

„Going Zero“

Zum Wohl der nationalen Sicherheit hat die CIA in Zusammenarbeit mit Silicon-Valley-Wunderkind Cy Baxter ein ultimatives Überwachungsprojekt entwickelt. Zehn Personen sind für den letzten Betatest ausgewählt worden, bei dem es darum geht, alle Datenspuren auf null zu reduzieren und 30 Tage unentdeckt zu bleiben. Eine von ihnen ist, als vermeintlich leichte Beute, die als Erste gefunden werden würde, eine unauffällige Bibliothekarin aus Boston. Doch Kaitlyn Day schafft es, die Jägerteams immer wieder zu überraschen, und erweist sich als talentierter als alle anderen Spielteilnehmer. Für sie geht es um viel mehr als 3 Millionen Preisgeld.

Anthony McCarten, geboren 1961 in New Plymouth/Neuseeland, schrieb als 25-Jähriger mit Stephen Sinclair den Theaterhit „Ladies Night“. Es folgten Romane und Drehbücher, für die er schon mehrere Male für einen Oscar nominiert war (u.a. zu den internationalen Filmen „The Theory of Everything“, „Darkest Hour“ und „Bohemian Rhapsody“). Er lebt in London.
 
Anthony McCarten: „Going Zero“
Übersetzt von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié
Diogenes, 2023. 464 Seiten, 25 Euro.

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