18. Januar 2024

Die Buchtipps der Schwalbacher Zeitung

Lesestoff

Iris Wolff erzählt in „Lichtungen“ von zeitloser Freundschaft und davon, was es braucht, um sich von den Prägungen der eigenen Herkunft zu lösen. „Miss Merkel: Mord auf hoher See“ von David Safier bringt einen neuen Fall für die Ex-Kanzlerin. In ihrem Buch „Regeln. Eine kurze Geschichte“ zeichnet die Historikerin Lorraine Daston nach, wie sich Regeln in der westlichen Tradition seit der Antike entwickelt haben.

 

„Lichtungen“

Zwischen Lev und Kato besteht seit ihren Kindertagen eine besondere Verbindung. Doch die Öffnung der europäischen Grenzen weitet ihre Lebensentwürfe und verändert ihre Beziehung für immer. Voller Schönheit und Hingabe erzählt Iris Wolff in ihrem großen neuen Roman von zeitloser Freundschaft und davon, was es braucht, um sich von den Prägungen der eigenen Herkunft zu lösen. 

Als der elfjährige Lev über Wochen ans Bett gefesselt ist, wird ausgerechnet die gescheite, aber von allen gemiedene Kato zu ihm ans Krankenbett geschickt, um ihm die Hausaufgaben zu bringen. Zwischen dem ungleichen Paar entsteht eine unverbrüchliche Verbindung, die Lev aus seiner Versteinerung löst und den beiden Heranwachsenden im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien einen Halt bietet. Ein halbes Leben später läuft Lev noch immer die Pfade ihrer Kindheit ab, während Kato schon vor Jahren in den Westen aufgebrochen ist. Geblieben sind Lev nur ihre gezeichneten Postkarten aus ganz Europa. Bis ihn eines Tages eine Karte aus Zürich erreicht, darauf nur ein einziger Satz: „Wann kommst du?“ Kunstvoll und poetisch verwandelt Iris Wolff jenen Moment in Sprache, wenn ein Leben ans andere rührt, und zeichnet in ihrem großen europäischen Roman das Porträt einer berührenden Freundschaft, die sich als Reise in die Vergangenheit offenbart und deren Leuchten noch lange nachklingt.

Iris Wolff, geboren in Hermannstadt, Siebenbürgen. Die Autorin wurde für ihr literarisches Schaffen mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, darunter mit dem Marieluise-Fleißer-Preis und dem Marie Luise Kaschnitz-Preis für ihr Gesamtwerk. Zuletzt erschien 2020 der Roman „Die Unschärfe der Welt“, der mit dem Evangelischen Buchpreis, dem Eichendorff-Literaturpreis, dem Preis der LiteraTour Nord und dem Solothurner Literaturpreis ausgezeichnet sowie unter die fünf Lieblingsbücher des Deutschen als auch des Deutschschweizer Buchhandels gewählt wurde. Die Autorin lebt in Freiburg im Breisgau.

Iris Wolff: „Lichtungen“
Klett-Cotta, 2024. 256 Seiten, 24 Euro.

 

„Miss Merkel: Mord auf hoher See“

Eine Seefahrt, die ist lustig. Diese Seefahrt, die bringt Tod. Die Krimi-Kreuzfahrt auf der Ostsee, die Angela für sich und ihre Lieben gebucht hat, soll der Ex-Kanzlerin etwas Abwechslung verschaffen. Doch die Traumschiffreise verläuft ganz anders als im Reiseprospekt  angekündigt. Gleich am ersten Abend kommt der Megastar des deutschen Thrillers Florian Watzek unerwartet zu Tode. Und die anderen erfolgreichen Krimiautoren, die sich an Bord befinden, zählen zu den Hauptverdächtigen. Endlich schlägt wieder die Stunde für die Meisterdetektivin.

David Safier, 1966 geboren, zählt zu den erfolgreichsten Autoren der letzten Jahre. Seine Romane, darunter „Mieses Karma“, „Jesus liebt mich“, „Happy Family“ und „MUH!“ erreichten Millionenauflagen im In- und Ausland. Der erste Band seiner Krimireihe rund um die Ex-Kanzlerin gehört zu den bestverkauften Büchern des Jahres 2021. Als Drehbuchautor wurde David Safier unter anderem mit dem Grimme-Preis sowie dem International Emmy ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Bremen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

David Safier: „Miss Merkel: Mord auf hoher See“
Kindler Verlag, 2023. 320 Seiten, 18 Euro.

 

„Regeln. Eine kurze Geschichte“

Regeln ordnen fast jeden Aspekt unseres Lebens. Sie legen unsere Arbeitszeiten fest, bestimmen unser Verhalten im Straßenverkehr und ob es angebracht ist, zur Begrüßung die Hand zu geben oder die Wange hinzuhalten. Regeln organisieren die Riten des Lebens von der Geburt bis zum Tod. Nicht alle Regeln, die wir haben, mögen uns gefallen, und manche, die uns abgehen, sehnen wir herbei. Doch keine Kultur kann ohne sie auskommen.

In ihrem reich bebilderten Buch zeichnet die Historikerin Lorraine Daston nach, wie sich Regeln in der westlichen Tradition seit der Antike entwickelt haben. Sie dokumentiert deren verwirrende Vielfalt anhand einer Fülle von Beispielen – von juristischen Traktaten über Militärhandbücher bis hin zu Kochrezepten –, entdeckt aber auch, dass es nur wenige Grundarten gibt, die über die Zeiten Bestand hatten: Algorithmen, Gesetze und Modelle. Und sie zeigt, wann Regeln funktionieren, wie sie sich verändern können und warum einige philosophische Fragen zu Regeln so alt sind wie die Philosophie selbst, andere hingegen so modern wie Rechenmaschinen. Ein souverän geschriebenes, fesselndes Buch über die Zwänge, die uns leiten – ob wir es wissen oder nicht.

Lorraine Daston, geboren 1951, war bis zu ihrer Emeritierung 2019 Direktorin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin.

Lorraine Daston: „Regeln. Eine kurze Geschichte“
Übersetzt von Michael Bischoff
Suhrkamp, 2023. 432 Seiten, 34 Euro.

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