Mit Seitenblicken auf Literatur, Mode, Stadtwelten und Liebesverhältnisse entfaltet die renommierte Historikerin Victoria de Grazia in „Der perfekte Faschist“ ein opulentes Gesellschaftsepos, das das kulturelle Klima der Epoche greifbar werden lässt. „Die Zeit im Sommerlicht“ ist der neue Roman der schwedischen Bestsellerautorin Ann-Helén Laestadius. Respektlos und kühn erzählt Anthony Veasna So in seinem posthum erschienenen Erzählband „Nach der Party“ vom Befreiungskampf der jungen Generation gegen die Stille und das Vergessen.
„Der perfekte Faschist“
Das Private ist politisch, erst recht in der Diktatur. Der italienische Faschismus, auf vollkommen neue Weise erzählt als umfassende Kulturrevolution – abenteuerlich, verblüffend grotesk und erschreckend gegenwartsnah.
Im Juni 1926 war Rom Schauplatz eines spektakulären gesellschaftlichen Ereignisses. Gefeiert wurde eine „faschistische Hochzeit“, Trauzeuge Mussolini inklusive. Vor den Altar traten Lilliana Weinman, gefeierte amerikanische Opernsängerin aus einer jüdischen Industriellenfamilie, und Attilio Teruzzi, hochdekorierter Kriegsveteran, Teilnehmer beim Marsch auf Rom, mitleidloser Anführer der Schwarzhemden und Archetyp des »neuen starken Mannes«.
Aber bald schon fühlte sich der virile Gatte von der Unabhängigkeit seiner Frau in der Ehre verletzt und forderte die Scheidung – nur dachten seine Frau und die katholische Kirche gar nicht daran, dem zuzustimmen. Die Zwangsehe wird für den Aufsteiger Teruzzi zusehends zum Problem, kündigen sich am Horizont doch die ersten antisemitischen Gesetze des faschistischen Staates an.
Mit Seitenblicken auf Literatur, Mode, Stadtwelten und Liebesverhältnisse entfaltet die renommierte Historikerin Victoria de Grazia ein opulentes, fesselnd erzähltes Gesellschaftsepos, das das kulturelle Klima der Epoche greifbar werden lässt. Sie zeigt, wie Mussolinis Bewegung ihre Revolution bis in die zwischenmenschlichen Beziehungen forcierte. Und sie macht die Bedingungen für Aufstieg und Fall des „perfekten Faschisten“ anschaulich: die Entwicklung eines Mannes des Mittelmaßes in einer Zeit der Extreme.
Victoria de Grazia ist Professorin Emerita für Geschichte an der Columbia University in New York und eine der international profiliertesten Forscherinnen zur Analyse von Soft Power in autoritären Systemen sowie zur Gender- und Arbeitergeschichte. Die Themen ihrer Bücher reichen von den Überzeugungsmechanismen des Faschismus bis hin zur Anziehungskraft der US-amerikanischen Konsumgesellschaft.
Victoria de Grazia: „Der perfekte Faschist“
Übersetzt von Michael Bischoff
Verlag Klaus Wagenbach, 2024. 512 Seiten, 38 Euro.
„Die Zeit im Sommerlicht“
Im Land der Rentiere wird eine Gruppe von Kindern ihrer Welt entrissen und in ein entlegenes Internat verbracht, wo sie sich großen Herausforderungen stellen müssen. Eine unvergessliche Geschichte über dunkle Geheimnisse, Hoffnung und Zusammenhalt und die Rückkehr ins Licht.
Schweden in den 1950er Jahren. Else-Maj ist sieben Jahre alt, als sie das vertraute Leben im Sámi-Dorf und die wärmende Gegenwart ihrer geliebten Rentiere hinter sich lassen und in ein sogenanntes Nomadeninternat gehen muss. Hier trifft sie auf Jon-Ante, Marge und andere Sámi-Kinder, die wie Else-Maj von nun an all das verleugnen sollen, was sie von der Welt kennen. Allein die gutmütige Erzieherin Anna, eine Sámi wie sie, hält eine schützende Hand über die Kinder. Doch eines Tages verschwindet sie ohne jede Spur. Erst viele Jahre später erfahren die einstigen Schüler die Antwort und mit ihr endlich eine Chance auf Genugtuung – und Heilung.
Ann-Helén Laestadius, geboren 1971, ist eine schwedische Journalistin und Autorin und gebürtige Sámi. In Schweden war sie bereits für ihre vielfach preisgekrönten Kinder- und Jugendbücher sehr bekannt, bevor sie mit ihrem ersten Roman für ein erwachsenes Publikum, „Das Leuchten der Rentiere“, auf Anhieb einen Nummer-1-Bestseller landete. Der Roman wurde in Schweden u.a. als Buch des Jahres 2021 ausgezeichnet, stand in Deutschland etliche Wochen in Folge auf der Spiegel-Bestsellerliste und wird aktuell von Netflix verfilmt. Auch „Die Zeit im Sommerlicht“ stand auf Platz 1 der schwedischen Bestsellerliste. Ann-Helén Laestadius lebt in der Nähe von Stockholm.
Ann-Helén Laestadius: „Die Zeit im Sommerlicht“
Übersetzt von Maike Barth und Dagmar Mißfeldt
Hoffmann und Campe, 2024. 480 Seiten, 26 Euro.
„Nach der Party“
Nur wer sich radikal neu erfindet, wer neue Wege findet im Umgang mit dem eigenen Körper und der eigenen Identität, mit Freundschaft und Familie, hat eine Chance, mit der Vergangenheit Frieden zu schließen.
In Stockton, einer Stadt in einem kalifornischen Tal weit entfernt vom Meer, florieren buddhistische Tempel und kambodschanische Lebensmittelläden, seit das völkermörderische Regime der Roten Khmer die Menschen aus dem eigenen Land hierhin vertrieben hat. In dieser Stadt, die weder ganz zu Amerika noch zu Asien gehört, begegnen wir allmächtigen Mönchen, nervigen Tanten, von der Langeweile zu Tode gequälten Heranwachsenden, stoßen auf einen ganzen Kontinent an verschwiegenen, verdrängten, verbotenen Geschichten, heimlichen Wünschen und sexuellen Fantasien. Respektlos und kühn erzählt Anthony Veasna So in seinem posthum erschienenen, gefeierten Erzählband vom Befreiungskampf der jungen Generation gegen die Stille und das Vergessen.
Anthony Veasna So, 1992 geboren und 2020 verstorben, stammte aus Stockton, Kalifornien, und machte seinen Master in fiktionalem Schreiben an der Syracuse University. Seine Texte sind u.a. im New Yorker, The Paris Review, n+1 und Granta erschienen. Der Erzählband „Nach der Party“ wurde ausgezeichnet mit dem National Book Critics Circle’s John Leonard Prize sowie dem Ferro-Grumley Award for LGBTQ Fiction. Er war New-York-Times-Bestseller und u.a. in New York Times, Washington Post und Los Angeles Times eines der Bücher des Jahres.
Anthony Veasna So: „Nach der Party“
Übersetzt von Cornelius Reiber
Luchterhand, 2024. 336 Seiten, 20 Euro.