18. Juli 2024

Die Buchtipps der Schwalbacher Zeitung

Lesestoff

„Seinetwegen“ von Zora del Buono ist der Roman einer Recherche. Mit Wucht und Zärtlichkeit erkundet James Baldwin in seinem vierten Roman „Wie lange, sag mir, ist der Zug schon fort“, was es heißt, um einen Platz zu kämpfen in einer unversöhnlich zerrissenen Welt. „Auf den Einzelnen kommt es an“ von Volker Michels präsentiert das Lebensbild und die Werkbiographie von Hermann Hesse kompakt in einem Buch.

 

„Seinetwegen“

Zora del Buono war acht Monate alt, als ihr Vater 1963 bei einem Autounfall starb. Der tote Vater war die große Leerstelle der Familie. Mutter und Tochter sprachen kaum über ihn. Wenn die Mutter ihn erwähnte, brach die Tochter mit klopfendem Herzen das Gespräch ab. Sie konnte den Schmerz der Mutter nicht ertragen. Jetzt, inzwischen sechzig geworden, fragt sie sich: Was ist aus dem damals erst 28-jährigen E.T. geworden, der den Unfall verursacht hat? Wie hat er die letzten sechzig Jahre gelebt mit dieser Schuld?

„Seinetwegen“ ist der Roman einer Recherche: Die Erzählerin macht sich auf die Suche nach E.T., um ihn mit der Geschichte ihrer Familie zu konfrontieren. Ihre Suche führt sie in abgründige Gegenden, in denen sie Antworten findet, die neue Fragen aufwerfen. Was macht es mit ihr, dass sie plötzlich mehr weiß über ihn, den Mann, der ihren Vater totgefahren hat, als über den Vater selbst? Und wie kann man heil werden, wenn eine Leerstelle doch immer bleiben wird?

Zora del Buono, geboren 1962 in Zürich. Studium der Architektur an der ETH Zürich, fünf Jahre Bauleiterin im Nachwende-Berlin. Gründungsmitglied und Kulturredakteurin der Zeitschrift mare.

Zora del Buono: „Seinetwegen“
Übersetzt von Übersetzer
C.H. Beck, 2024. 204 Seiten, 23 Euro.

 

„Wie lange, sag mir, ist der Zug schon fort“

Auf dem Gipfel seines Ruhms wird Leo Proudhammer von einem Herzschlag niedergestreckt. Durch Todesnähe zur Besinnung gebracht, lässt der schwarze Theaterstar Leid und Triumph seines Lebens noch einmal Revue passieren: Vom Elend der Straßen Harlems über die brotlosen Künstlerjahre im Village bis hin zum Durchbruch auf der Bühne. Sein einziger Halt: der ältere Bruder Caleb, der unschuldig ins Gefängnis geht – und immer wieder die Liebe, zur weißen Schauspielerin Barbara, zart schwebend und kompliziert, oder zum jungen Schwarzen Christopher, der gegen die Verhältnisse aufbegehrt.

James Baldwin, 1924 geboren, ist einer der bedeutendsten US-amerikanischen Schriftsteller. Sein bereits zu Lebzeiten vielfach ausgezeichnetes Werk umfasst Essays, Romane, Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke. Er starb 1987 in Südfrankreich..

James Baldwin: „Wie lange, sag mir, ist der Zug schon fort“
Übersetzt von Bettina Abarbanell und Miriam Mandelkow
dtv, 2024. 672 Seiten, 28 Euro.

 

„Hermann Hesse – Auf den Einzelnen kommt es an“

Der Widerstand gegen die destruktiven Folgen des zu Hermann Hesses Lebzeiten angesagten Zeitgeistes hat sein Leben und Werk auf unterschiedlichste Weise bestimmt. Auf welche Weise sich die Suche des Dichters nach zukunftsorientierten Alternativen in seiner Biographie und den meist unmittelbar daraus hervorgegangenen Schriften niedergeschlagen hat, zeigt dieses kurz gefasste Lebensbild in seltener Prägnanz.

Die Abwehr, die sein konstruktives Weltbild seit dem Ersten Weltkrieg lebenslang bei den konjunkturhörigen Tonangebern des jeweiligen Zeitgeistes gefunden hat, erklärt sich daraus ebenso wie das Vertrauen, das ihm und seinen Werken heute von Lesern aus aller Welt entgegengebracht wird.

Volker Michels, geboren 1943, trat nach dem Studium der Medizin und Psychologie 1969 als Lektor für deutsche Literatur in die Verlage Suhrkamp und Insel ein, wo er sich u. a. auch als Herausgeber für zahlreiche Autoren der Gegenwart und Vergangenheit eingesetzt hat. Insbesondere widmete er sich den Werken und Briefen von Hermann Hesse, dessen literarischen und bildnerischen Nachlass er in mehr als hundert Themenbänden veröffentlicht und 2005 mit der Edition einer zwanzigbändigen Gesamtausgabe abgeschlossen hat.

Volker Michels: „Hermann Hesse – Auf den Einzelnen kommt es an“
Suhrkamp, 2024. 221 Seiten, 18 Euro.

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