26. September 2024

Die Buchtipps der Schwalbacher Zeitung

Lesestoff

Mit ihrem neuen Roman „Intermezzo“ lässt Sally Rooney alle Zuschreibungen hinter sich und beweist, dass sie wie kaum jemand sonst wahrhaft menschliche Charaktere zu zeichnen versteht. Bestsellerautor Hape Kerkeling schreibt in „Gebt mir etwas Zeit“ über seinen Lebensweg und die bewegte Geschichte seiner Familie und Vorfahren. Yuval Noah Hararis neues Buch „Nexus“ ist eine kurze Geschichte der Informationsnetzwerke von der Steinzeit bis zur künstlichen Intelligenz.

 

„Intermezzo“

„Intermezzo“ ist die Geschichte zweier ungleicher Brüder. Peter, Anfang dreißig, ist ein charismatischer, desillusionierter Menschenrechtsanwalt; Ivan, zehn Jahre jünger, ein ernsthafter und introvertierter Schachspieler. Als Ivan klein war und Peter ein Teenager, standen die beiden sich nahe, später wurden sie einander immer fremder. Nun haben sie ihren geliebten Vater verloren, was alte Wunden aufs Neue aufreißt.

Dann lernt Ivan Margaret kennen, deren Ehe gerade zerbrochen ist. Die Zuneigung zwischen ihnen ist echt, doch ihr Altersunterschied droht ihre Liebe zu zersprengen. Unterdessen verliert Peter seinen Halt. Er ist mit Naomi zusammen, einer jungen Studentin, doch er kann das frühere Leben mit Sylvia, seiner ersten Liebe, nicht hinter sich lassen. Entwurzelt, verletzt, voller Reue, erscheint das Leben ihm schal und kaum zu ertragen.

Ihre Schuldgefühle, ihre Suche nach Sinn und Nähe treiben beide, Ivan und Peter, zu den Frauen in ihren Leben. Doch jeder von ihnen muss einen Weg finden, eine übermächtige Aufgabe zu meistern: wirklich zu trauern. Und wirklich zu lieben.

Sally Rooney, geboren 1991, studierte am Trinity College und lebt in Dublin. 2017 erschien ihr gefeierter Debütroman „Gespräche mit Freunden“. Ihr zweiter Roman „Normale Menschen“ wurde 2018 zum weltweiten Bestseller und literarischen Ereignis – er ist die Vorlage für die international erfolgreiche TV-Serie „Normal People“, deren Drehbuch sie mitverfasste. Sally Rooney gehört zu den herausragendsten Autorinnen der Gegenwart und gilt als ausdrucksstärkste Stimme ihrer Generation.

Sally Rooney: „Intermezzo“
Übersetzt von Zoë Beck
Claassen, 2024. 496 Seiten, 24 Euro.

 

„Gebt mir etwas Zeit“

Hape Kerkeling in Bestform: In seinem neuen Buch setzt er nicht nur entscheidende Etappen seines Lebens fort, sondern taucht tief in die bewegte Geschichte seiner Vorfahren ein. Berührend und mit unvergleichlichem Sinn für Komik erzählt er von seiner Kindheit in den Siebzigern und den Glanzzeiten der TV-Unterhaltung, von Liebe, Vorsehung und dem Goldenen Zeitalter der Niederlande. Er führt in die Anfänge seiner Fernsehkarriere und bis in die Frühzeit der Kerckrings, ins blühende Amsterdam des 17. Jahrhunderts. Verwebt dabei lustvoll Erinnerungen mit Recherchen, eigenes Erleben mit Historie und Ahnenforschung. Und kommt schließlich auch hinter ein unglaubliches Geheimnis, das seine geliebte Großmutter Bertha zeit ihres Lebens umgab.

Hape Kerkeling, 1964 in Recklinghausen geboren, begann 1984 beim Fernsehen zu arbeiten; berühmt wurde er mit der Rolle „Hannilein“. Es folgte eine Vielzahl erfolgreicher Live-Auftritte sowie TV-Shows und -Serien wie „Känguru“, „Total Normal“, „Hape trifft“ und „Let’s Dance“, als Königin Beatrix, Uschi Blum oder Horst Schlämmer. Der Entertainer, Schlagersänger, Schauspieler, Moderator, Kabarettist und Autor wurde u. a. mit der Goldenen Kamera, dem Adolf-Grimme-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Sein Buch „Ich bin dann mal weg“ über seine Pilgerreise auf dem Jakobsweg stand 100 Wochen auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste und hat mehr als fünf Millionen Leserinnen und Leser begeistert. Auch seine Kindheitsgeschichte „Der Junge muss an die frische Luft“ erreichte ein Millionenpublikum. Beide Bücher wurden mit großem Erfolg verfilmt. Hape Kerkeling lebt in Bonn. Zuletzt erschienen „Ich sach mal so“, „Frisch hapeziert“ und „Pfoten vom Tisch! Meine Katzen, andere Katzen und ich“, das erneut monatelang die Spiegel-Bestsellerliste anführte.

Hape Kerkeling: „Gebt mir etwas Zeit“
Piper, 2024. 368 Seiten, 24 Euro.

 

„Nexus“

In den letzten 100 000 Jahren hat die Menschheit enorme Macht erlangt. Doch trotz all unserer Entdeckungen, Erfindungen und Eroberungen befinden wir uns heute in einer existenziellen Krise. Die Welt steht am Rande des ökologischen Zusammenbruchs. Zuhauf werden Falschinformationen verbreitet. Und wir stürzen uns kopfüber in das Zeitalter der künstlichen Intelligenz – ein neues Informationsnetzwerk, das uns auszulöschen droht. Wenn wir so klug sind, warum sind wir dann so selbstzerstörerisch?

„Nexus“ zeigt, wie der Informationsfluss uns und unsere Welt geformt hat. Yuval Noah Harari nimmt uns mit von der Steinzeit und biblischen Zeiten über die frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen, den Stalinismus und den Nationalsozialismus bis zum Wiederaufleben des Populismus in der heutigen Zeit. Dabei lenkt er unseren Blick auf die komplexe Beziehung zwischen Information und Wahrheit, Bürokratie und Mythologie, Weisheit und Macht. Er erkundet, wie verschiedene Gesellschaften und politische Systeme Informationen genutzt haben, um ihre Ziele zu erreichen – zum Guten wie zum Schlechten. Und er befasst sich mit den drängenden Entscheidungen, vor denen wir heute stehen, da nicht-menschliche Intelligenz unsere Existenz bedroht.

Informationen sind nicht der Rohstoff, aus dem die Wahrheit ist, aber auch nicht einfach nur eine Waffe. „Nexus“ erkundet den hoffnungsvollen Mittelweg zwischen diesen Extremen und zeigt, wie sich unser gemeinsames Menschsein wiederentdecken lässt.

Yuval Noah Harari, geboren 1976, promovierte in Oxford und ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem mit einem Schwerpunkt auf Universalgeschichte. Sein Kultbuch „Sapiens. Eine kurze Geschichte der Menschheit“ wurde in knapp 40 Sprachen übersetzt und weltweit zu einem Bestseller, aus dem weiterhin eine Graphic-Novel- und eine Jugendbuchreihe entstanden. Auch Hararis Zukunftsvision „Homo Deus“ und „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“ begeisterten weltweit Millionen. 2017 wurde er mit dem Deutschen Wirtschaftsbuchpreis ausgezeichnet. 2019 gründete Yuval Noah Harari gemeinsam mit Itzik Yahav „Sapienship“ – eine gesellschaftlich engagierte Organisation mit Projekten in Unterhaltung und Bildung, um das öffentliche Gespräch auf die globalen Herausforderungen zu lenken, vor denen wir heute stehen. Harari ist einer der maßgeblichen Vordenker, der sich regelmäßig zu den wichtigsten Themen unserer Zeit äußert.

Yuval Noah Harari: „Nexus“
Übersetzt von Jürgen Neubauer und Andreas Wirthensohn
Penguin Verlag, 2024. 656 Seiten, 28 Euro.

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