Schwalbach (sz). Am Ende des 13. Abrahamischen Religionsgespräch an der Albert-Einstein-Schule (AES) kam sie dann doch auf, die wohl unvermeidbare Frage eines Schülers, wie denn die Vertreterinnen der beiden Religionen Islam und Judentum auf dem Podium des Bürgerhauses, Jasmina Makarevic und Petra Kunik, die aktuelle politische Situation in Palästina einschätzen würden.
Beide betonten, wie schwer ihnen das Anschauen der Bilder hoffnungslos blickender Menschen und leidender Kinder falle. Kaum erträglich sei für Petra Kunik der Gedanke, dass nochimmer etwa 50 Menschen jüdischen Glaubens in Geiselhaft seien. Und sie schloss: „Ihr seid die nächste Generation in Verantwortung. Passt auf diese Demokratie auf!“
Seit dem Jahr 2011 schon ist es Tradition an der AES, dass gegen Ende des Jahres Vertreterinnen und Vertreter der sogenannten abrahamischen Religionen zusammenkommen, um mit allen 180 Schülerinnen und Schülern des zehnten Jahrgangs über das Zusammenleben von Juden, Christen und Moslems in Deutschland ins Gespräch zu kommen. Neben Fachbereichsleiter Jochen Kilb übernahmen jeweils zwei Schülerinnen oder Schüler die Moderation des Gesprächs. Im ersten Block waren dies Greta Gallo und Meng Yuan, im zweiten Block Felix Schneider und Louisa Horneff.
In diesem Jahr musste krankheitsbedingt der christliche Vertreter, Pfarrer Andreas Heidrich aus Bad Soden, absagen. Nichtsdestoweniger entwickelte sich in den nächsten Stunden ein bisweilen äußerst lebhaftes Gespräch, in dem kaum ein Themenbereich von den Schülern ausgespart wurde. Dabei gab es natürlich auch viele für die Schüler neue Informationen, die ihnen in ihrem Religions- und Ethikunterricht so bislang nicht vermittelt worden waren – insbesondere nicht so authentisch, wie das an jenem Donnerstag geschah.
So erntete Petra Kunik hörbares Staunen, als sie erklärte, dass ein Sabbat-Gottesdienst in aller Regel vier bis fünf Stunden andauere. Und die Tatsache, dass der Gottesdienst überall nahezu gleich gefeiert werde, führe dazu, dass sie sich selbst auch in der New Yorker Synagoge heimisch fühle. Ihre Erklärung, die Ursache dafür, dass sich orthodoxe Juden den Bart und die Schläfen nicht rasierten, sei es, dass das Ebenbild Gottes nicht geschnitten werden dürfe, war für die meisten Anwesenden neu.
Jasmina Makarevic, in Stuttgart aufgewachsene Muslima mit bosnischen Wurzeln, konnte den Schülern auf deren Glaubens-Auslegungs- und -Praxisfragen zum Islam immer wieder profunde Antworten liefern. „Beim Gebet muss ein Moslem vom Bauchnabel bis zum Knie bedeckt sein, eine Muslima darf nur Gesicht, Hände und Füße unbedeckt lassen. Diese Bedeckung übertragen, je nach Kultur und Herkunft, viele Moslems auch auf ihren Alltag, obwohl es im Koran nicht gefordert ist“.
Beim Themenbereich Sexualität verwies sie darauf, dass eine muslimische Frau mit ihrer ersten Menstruation als erwachsen gelte, ein Mann mit dem ersten Samenerguss. Sie betonte, dass es einem Moslem nicht zukomme, über die Lebensweise anderer Menschen zu richten, also etwa über homosexuelle Partnerschaften, denn dies sei allein Allah vorbehalten. Petra Kunik konzedierte, dass orthodoxe Juden wohl Homosexualität prinzipiell ablehnten. Jedoch setze sich im liberalen Judentum mehr und mehr die Auffassung durch, dass alles, was zwischen zwei Menschen in gegenseitiger Liebe und Respekt füreinander ereigne, mit Gottes Einverständnis geschehe.
Als die Frage auf die Jenseitsvorstellungen kam, wusste Makarevic von vielfältigen blumigen und metaphorischen Ausformulierungen im Koran über das Jenseits zu berichten. Dennoch sei es für einen Moslem immer die zentrale Frage, was seine Aufgabe im Hier und Jetzt unter den Lebenden sei, was er also in seiner diesseitigen Existenz bewegen wolle und könne.
Die Frage, ob die beiden denn selbst in ihrem bisherigen Leben religiös bedingte Diskriminierung erfahren hätten, schoben die Referentinnen ganz ans Ende des Gesprächs. Umso beeindruckender für die Schüler konnte Petra Kunik von antisemitischen Drohungen und dem etwas hölzern bis unbeholfen wirkenden Umgang der Staatsanwaltschaft damit berichten, stand sie selbst doch vor Jahren auf einer Liste potentieller jüdischer Opfer, die der NSU führte.
So hallte ihr abschließend formulierter Appell an die Schüler zu deren persönlichen Beitrag zum Erhalten der Demokratie noch einige Zeit nach.