21. November 2024

Die Buchtipps der Schwalbacher Zeitung

Lesestoff

„Mord im Himmelreich“ von Andreas Winkelmann ist der erste Band einer humorvollen Wohlfühlkrimi-Reihe rund um Verbrechen auf dem schönen Campingplatz Himmelreich. Jens Bisky stellt in seinem Sachbuch „Die Entscheidung“ die Frage nach Handlungsoptionen auf dem Weg in den Faschismus. Sieben Menschen suchen in „Der Tag, an dem die Hummer wiederkamen“ von Cilla und Rolf Börjlind ihr Glück in einem kleinen schwedischen Dorf am Meer.

 

„Mord im Himmelreich“

So hat sich der ehemalige Schauspieler Björn Kupernikus seinen Ruhestand nicht vorgestellt – oder vielleicht doch? Kaum hat er sich auf dem idyllischen Campingplatz Himmelreich gemütlich eingerichtet, muss er einen kleinen Hund retten, der auf einem Paddleboard mitten im See treibt. Kupernikus zieht das Tier ans Ufer – und mit ihm eine Leiche, die aufwendig unter das Board geschnallt ist.

Zwar geht die Polizei von einem Unfall aus, sonderlich erfahren wirken die Beamten aber nicht. Wenn man zudem im Himmelreich etwas in Erfahrung bringen will, braucht man jemanden, der sich im Mikrokosmos Campingplatz bestens auskennt. Ganz klar, Kupernikus muss selbst ran, das Campen liegt ihm schließlich im Blut und auf die Rolle als Tatort-Kommissar hat er sich sein Leben lang akribisch vorbereitet. Unterstützt wird er von Annabelle, einer weitgereisten Künstlerin, die die kuriosesten Dinge weiß, vor Ort lebt und daher einen guten Draht zu den Einheimischen hat.

Andreas Winkelmann, Jahrgang 1968, ist der geborene Geschichtenerzähler. Schon als Schüler schrieb er erste Romane in Mathematikhefte. Von dort bis zum Bestsellerautor brachte er ein buntes und bewegtes Berufsleben hinter sich. So war er Bäcker, Soldat, Fitnesslehrer, Taxifahrer, Versicherungsverkäufer und arbeitete in einer Honigfabrik.

Ob spannende Thriller, Abenteuersachbuch, Romane oder Cozy-Crime: Schreiben ist seine Leidenschaft. Genauso leidenschaftlich bereist er die Welt. Zu Fuß, auf dem Fahrrad oder mit dem Camper. Daher kennt er sich aus mit dem Leben in der Wildnis und auf dem Campingplatz. Gerade dort, so findet er, kann man skurrile, kuriose, herzliche, kauzige oder exzentrische Menschen beobachten, und so gibt es kaum einen anderen Ort, an dem sich Allzumenschliches und ungeahnte Abgründe derart verdichten.

Andreas Winkelmann: „Mord im Himmelreich“
Knaur, 2024. 336 Seiten, 16,99 Euro.

 

„Die Entscheidung. Deutschland 1929 bis 1934“

Als im Oktober 1929 Gustav Stresemann, der erfolgreiche Außenminister, starb, fragten sich die Zeitgenossen, wie es nun mit der Republik weitergehen könne. Gerade formierte sich eine faschistische Koalition, die 1933 an die Macht kam; Bauern warfen Bomben, die öffentlichen Haushalte litten unter wachsenden Defiziten, bald schien das parlamentarische System gelähmt. Demokratische Republik oder faschistischer Staat – so lautete ab dem Sommer 1930 die Alternative.

Was folgte – der Aufstieg radikaler Kräfte, die Pulverisierung der bürgerlichen Milieus, der Aufruhr der Mittelschichten, die Selbstüberschätzung der Konservativen und Nationalisten, die sich einbildeten, Hitler zähmen zu können, Verelendung und Bürgerkriegsfurcht –, mündete in die verbrecherischste Diktatur des 20. Jahrhunderts. Jens Bisky erzählt, wie die Weimarer Republik in einem Wirbel aus Not und Erbitterung zerstört wurde. Es kommen Politiker und Journalisten der Zeit zu Wort, erschöpfte Sozialdemokraten, ratlose Liberale, nationalistische Desperados, Literaten, Juristen, Offiziere. Wie nahmen sie die Situation wahr? Welche Möglichkeiten hatten sie? – Das große Panorama einer extremen Zeit, die noch immer ihre Schatten auf die Gegenwart wirft.

Jens Bisky, geboren 1966 in Leipzig, studierte Kulturwissenschaften und Germanistik in Berlin. Er war lange Jahre Feuilletonredakteur der Süddeutschen Zeitung und arbeitet seit 2021 am Hamburger Institut für Sozialforschung. Er ist Autor viel beachteter Bücher, darunter „Geboren am 13. August“ (2004), „Unser König. Friedrich der Große und seine Zeit“ (2011) und „Berlin. Biographie einer großen Stadt“ (2019). 2017 verlieh ihm die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung den Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay.

Jens Bisky: „Die Entscheidung“
Rowohlt Berlin, 2024. 640 Seiten, 34 Euro.

 

„Der Tag, an dem die Hummer wiederkamen“

An einer abgelegenen Bucht an der Westküste Schwedens liegt ein Dorf mit dem sprechenden Namen Schattenseite. Da der Ort von hohen Bergen umgeben ist, erreicht ihn die Sonne nur alle fünf Jahre. Ein astronomisches Phänomen, das genau zum Zeitpunkt auftritt, als diese Geschichte spielt. Wir schreiben das Jahr 1960. Unberührt vom Lauf der Zeit scheint das Leben in Schattenseite seinen Weg zu gehen. Die sechs Freunde Märta, Malte, Gustav, Picasso, Inka und Columbus waren eigentlich schon immer hier. Doch wenn sie ehrlich sind, passiert nichts wirklich Aufregendes mehr, seit die Hummer vor Jahren – warum, weiß niemand so genau – die Bucht verlassen haben. Dies ändert sich schlagartig, als eines Tages ein geheimnisvoller junger Mann auftaucht und behauptet, sein Name sei Georg von Nichts.

Cilla und Rolf Börjlind gelten als Schwedens wichtigste und bekannteste Drehbuchschreiber für Kino und Fernsehen. Ihre Serie um Polizistin Olivia Rönning und Kommissar Tom Stilton wurde sehr erfolgreich für das ZDF verfilmt. Die Kriminalromane sind Bestseller und erscheinen in 30 Ländern.

Cilla & Rolf Börjlind: „Der Tag, an dem die Hummer wiederkamen“
Übersetzt von Julia Gschwilm
btb Verlag, 2024. 448 Seiten, 23 Euro.