Zum Artikel „Große Sanierung nach nur einem Jahr“ in der Ausgabe vom 31. Januar erreichte die Redaktion nachfolgender Leserbrief. Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Wenn auch Sie einen Leserbrief veröffentlichen möchten, senden Sie ihn unter Angabe Ihrer vollständigen Adresse und einer Rückruf-Telefonnummer an info@schwalbacher-zeitung.de.
Am 24. Januar kamen die 71 Bewohner der Schwalbacher Flüchtlingsunterkunft „Am Erlenborn“ zu einem Hausplenum zusammen. Eingeladen hatten das Bau-, Sozial- und Ausländeramt des Main-Taunus-Kreises in Hofheim. Die Versammelten, darunter auch viele Ehrenamtliche der Schwalbacher Flüchtlingsinitiative, wurden mit der Nachricht schockiert, dass die Unterkunft wegen Schimmelbefalls unbewohnbar geworden sei.
Die akute Gesundheitsgefährdung erfordere eine sofortige Räumung. Aber für die Betroffenen sei bestens gesorgt: Die Verwaltung zog einen Plan aus der Tasche, nach dem die 71 Bewohner auf acht sonstige Unterkünfte verteilt werden, die der Kreis in anderen Gemeinden unterhält, darunter Flörsheim, Eppstein und Hochheim. Soziale Kontakte würden berücksichtigt, so Kreisbeigeordneter Johannes Baron (FDP). Er erkennt in alledem einen „positiven Beitrag für die Integration“. Die Mitglieder der Flüchtlingsinitiative Schwalbach sind entsetzt.
Die Schwalbacher Asylunterkünfte gehören dem Kreis. Die Unterkunft „Am Erlenborn“ wurde neu gebaut und erst Ende 2016 bezogen. Nach nur einem Jahr ist jetzt eine komplette Sanierung fällig. Wasser drückt von unten in das Gebäude. Pfusch am Bau? Vieles deutet darauf hin. Wer ist dafür verantwortlich? Der Main-Taunus-Kreis oder die Baufirma? Das lässt sich vermutlich erst nach aufwändigen Gutachten klären. Für die ehrenamtliche Flüchtlingsinitiative ist absolut nicht nachvollziehbar – gerade im Hinblick auf die lange Vorlaufzeit bis zur Aufstellung der Gebäude, wie das passieren konnte. Absolut unverständlich ist zudem, wie Johannes Baron die Räumung auch noch als positive Integrationsleistung verkauft. Für alle Beteiligten vor Ort ist schließlich offenkundig, dass viele ihrer Integrationsanstrengungen von über zwei Jahren per Federstrich des Kreises jetzt in Gefahr gebracht, wenn nicht sogar ganz zunichte gemacht werden.
In Schwalbach haben seit Ende 2015 etwa 220 Menschen Zuflucht vor Krieg und Verfolgung gefunden. Heute, nach mehr als zwei Jahren, haben sich die meisten gut in die Stadtgesellschaft eingelebt: Sie haben Kontakte zu Schwalbachern aufgebaut. Ihre Kinder besuchen Schulen und Kindergärten, die Erwachsenen finden sich immer besser zurecht in der Arbeitswelt, nicht wenige haben Ausbildungen begonnen. Kurzum: die Menschen haben nach oft schlimmen Erfahrungen wieder ein überschaubares soziales Umfeld. Sie fühlen sich wieder sicher. Dafür haben sich viele in Schwalbach sehr eingesetzt, allen voran die Stadtverwaltung, alle Kirchengemeinden und nicht zuletzt die Ehrenamtlichen der Flüchtlingsinitiative. Auf städtischer Ebene weiß man sehr gut, dass Integration nur in diesem Zusammenspiel funktionieren kann. Deshalb gibt es hier eine enge Abstimmung und Koordination. Ebenso eng ist auch die Kooperation mit der Sozialarbeiterin, die der Kreis direkt in den Einrichtungen einsetzt und die ihre Arbeit mit größtem Engagement verrichtet.
Ganz anders gestaltet sich das Zusammenwirken mit den verantwortlichen Entscheidern auf Ebene des Kreises. Die ehrenamtliche Flüchtlingsinitiative hat schon in der Vergangenheit wiederholt beklagt, dass der Kreis auf Abstimmung und Koordination wenig Wert legt. Obwohl schriftlich und mündlich immer wieder angemahnt, wurde die Flüchtlingshilfe bei Entscheidungen des Kreises nie einbezogen. Die in politischen Fensterreden so hochgelobten Ehrenamtlichen dürfen alles, nur nicht auf Augenhöhe mitreden. Jetzt sind sie wieder gefragt: bei der Abfederung von Folgen des Erlenborn-Desasters – will sagen: des positiven Beitrags von Johannes Baron zum Thema Integration. Die Flüchtlingshilfe ist es leid, einerseits vom Land Hessen für ihre Arbeit ausgezeichnet, andererseits aber immer wieder nur vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Mit dieser Haltung verspielen die politisch Verantwortlichen des Kreises jegliche Lust auf ehrenamtliches Engagement.
Klaus Stukenborg,
Flüchtlingshilfe Schwalbach