14. April 2022

Die Buchtipps der Schwalbacher Zeitung

Lesestoff

André Kubiczek hat mit „Der perfekte Kuss“ einen Roman über jugendliche Zerrissenheit und große Geschichte geschrieben. In Michael Connellys neuem Krimi „Tödliches Muster“ ist Polizeireporter Jack McEvoy zurück und treibt mit seinen Recherchen alle in den Wahnsinn. Das Sachbuch „Klassenkampf“ von Lorenz Maroldt und Susanne Vieth-Entus analysiert, was die Bildungspolitik aus Berlins Schuldesaster lernen kann.

 

„Der perfekte Kuss“

Halle, 1986. René kommt aus den Sommerferien zurück. Noch zwei Semester an der Arbeiter- und Bauernfakultät, dann soll er zum Ökonomiestudium in die Sowjetunion. Auf all das hat René keine richtige Lust. Doch zum Glück zieht auch Rebecca, die Freundin aus Potsdamer Tagen, in die Stadt. Sie werden ein Paar. René soll ihre Eltern kennenlernen, beide Künstler, die ein Leben führen, ganz anders als das seiner Familie, weniger angepasst und ausschweifender. Rebeccas Einfluss lässt allmählich auch René an Dingen zweifeln, die bisher für ihn normal waren. Schließlich ist er sogar bereit, seine Studienpläne über den Haufen zu werfen. Veränderungen liegen ohnehin in der Luft. Doch warum ist Rebecca so schwermütig? Und warum macht sie sich so rar? Alles könnte gut sein, aber dann ist Rebecca einmal mehr verschwunden. Für René beginnt eine Zeit zwischen Hoffen und Verzweifeln, zwischen Euphorie und Verdrängung – eine Jugendliebe wie ein Vorbeben, das den Umsturz der folgenden Jahre vorwegnimmt.

André Kubiczek, 1969 in Potsdam geboren, studierte Germanistik in Leipzig und Bonn. 2002 erschien sein hochgelobter Debütroman „Junge Talente“, 2007 wurde er mit dem Candide-Preis ausgezeichnet. Nach „Skizze eines Sommers“ (2016), der auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, folgte zuletzt „Straße der Jugend“ (2020). André Kubiczek lebt als freier Schriftsteller in Berlin.

André Kubiczek: „Der perfekte Kuss“
Rowohlt Berlin, 2022. 400 Seiten, 24 Euro.

 

„Tödliches Muster“

Die Glanzzeiten von Polizeireporter Jack McEvoy sind schon lange vorbei. Der eingefleischte investigative Journalist, der zuletzt für die „L. A. Times“ arbeitete, ist inzwischen bei einer Website namens „Fair Warning“ angestellt, einem Nachrichtenportal, das sich dem Verbraucherschutz verschrieben hat und Missstände in Automobil-, Pharma- oder Tabakindustrie aufzeigt. Als er von dem brutalen Mord an Tina Portrero erfährt und sogar selbst unter Verdacht gerät, weil er vor einem Jahr einen One-Night-Stand mit ihr hatte, zögert McEvoy nicht lange. Gegen den Willen seines Chefs und der Polizei stürzt er sich in die Ermittlungen und macht eine furchtbare Entdeckung: Tina ist nicht die Einzige. Mehrere Frauen scheinen ein und demselben Mann zum Opfer gefallen zu sein: Alle wurden auf die gleiche Art getötet, alle haben kurz vor ihrem Tod ihre DNA an ein Analyseinstitut geschickt, um mehr über ihre Abstammung zu erfahren. McEvoy gerät in die düstersten Ecken des Darknet und sieht sich einem Gegner gegenüber, wie er noch nie einen hatte, einem Gegner, dem er womöglich nicht gewachsen sein wird und der schon sein nächstes Opfer im Visier hat.

Michael Connelly ist mit über 75 Millionen verkauften Büchern in 40 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 in Philadelphia geboren, entdeckte er während seiner Studienzeit Raymond Chandlers Romane und beschloss, Schriftsteller zu werden. Er arbeitete zunächst für verschiedene Tageszeitungen in Florida, bis er 1986 zusammen mit zwei Kollegen eine Reportage über ein großes Flugzeugunglück in Fort Lauderdale schrieb und für den Pulitzer-Preis nominiert wurde. Danach wechselte er zur Los Angeles Times und arbeitete dort auf dem Gebiet der Kriminalreportage. Für seinen ersten Roman „Schwarzes Echo“ wurde Connelly mit dem Edgar Award, dem renommiertesten amerikanischen Krimipreis, ausgezeichnet. Heute ist er einer der erfolgreichsten amerikanischen Krimiautoren, auch im deutschsprachigen Raum, wo mehr als 1,5 Millionen Exemplare seiner Bücher verkauft wurden. Seine Romane „Das zweite Herz“ und „Der Mandan“« wurden mit Clint Eastwood und Matthew McConaughey in den Hauptrollen verfilmt. Seit 2014 produziert Amazon außerdem die Serie „Bosch“, die auf den Fällen seines legendären Ermittlers Hieronymus „Harry“ Bosch basiert. Michael Connelly lebt in Florida.

Michael Connelly: „Tödliches Muster“
Übersetzt von Sepp Leeb
Kampa Verlag, 2022. 480 Seiten, 21,90 Euro.

 

„Klassenkampf“

Die Pandemie hat die angespannte Situation an deutschen Schulen noch einmal verschärft und sämtliche Schwachstellen des Systems freigelegt. Die Missstände im deutschen Bildungsapparat beschreiben Lorenz Maroldt und Susanne Vieth-Entus in „Klassenkampf“, einem angriffslustigen Sachbuch mit absurden Episoden und entlarvenden Recherchen, mit gewichtigen Stimmen und großen Ausflüchten, mit viel Empörendem; aber auch mit konstruktiven Vorschlägen. Lorenz Maroldt und Susanne Vieth-Entus sind selber Eltern. Und haben sich zu diesem Thema eine echte Ausnahmeposition erarbeitet; er als Chefredakteur, sie als Redakteurin für Bildungsfragen beim Tagesspiegel. Ihr Buch wird Debatten auslösen.

Lorenz Maroldt, geboren in Köln, ist seit 2004 Chefredakteur beim „Tagesspiegel“ in Berlin. Er wurde unter anderem mit dem Grimme Online Award und dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. Susanne Vieth-Entus, geboren in Celle, ist Redakteurin beim „Tagesspiegel“. Ihre Schwerpunktthemen sind Frühförderung, Schulpolitik und Bildungsfragen.

Lorenz Maroldt & Susanne Vieth-Entus: „Klassenkampf“
Suhrkamp Verlag, 2022. 266 Seiten, 18 Euro.

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