Zum Kommentar „Alles wird zugebaut“ in der Ausgabe vom 28. Oktober erreichte die Redaktion nachfolgender Leserbrief. Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.
Lieber Herr Schlosser, als „Linksliberaler“ bezeichnet zu werden ist für mich eine neue Erfahrung, aber wenn es mit meiner Fürsprache für den sozialen Wohnungsbau zu tun hat, dann habe ich keine Probleme damit. Der soziale Wohnungsbau war integraler Bestandteil der sozialen Markwirtschaft der 50er- und 60er-Jahre. Nur ist bei den durchaus berechtigten, weltweiten Entstaatlichungsaktionen der 80er- und 90er-Jahre dieses erfolgreiche Kind mit dem Badewasser ausgeschüttet worden.
Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, einige volkswirtschaftliche Argumente dafür anzubieten. Der wirtschaftliche Erfolg eines Großraums wie der Rhein-Main-Region beruht nicht nur auf Bankdirektoren oder gar Verlegern und Ingenieuren (wie Sie und ich), sondern auf vielen Dienstleistern, die weniger verdienen. Wir brauchen hier Krankenschwestern, Erzieher und Erzieherinnen, aber auch ungelernte Arbeitskräfte, die beispielsweise für das Gepäck am Flughafen sorgen. Und diese Leute brauchen auch Wohnungen.
Die Verfügbarkeit von Grundstücken zur Errichtung von Wohnungen wird vom Staat über die Flächennutzungsplanung und ähnliches kontrolliert. Es gibt gute Gründe dafür, auf die ich hier nicht eingehen will, aber das Ergebnis ist, dass es keinen freien Markt gibt. Im Gegenteil wird so eher eine künstliche Knappheit erzeugt, die sich preistreibend auswirkt. Auch wenn es einen freien Markt gäbe, hätte man, das Problem, dass die Reaktionszeit des Marktes lang ist – planen, genehmigen lassen und bauen braucht alles seine Zeit und während dieser Zeit müssen die Leute auch irgendwo wohnen.
Die Vorstellung, die Sie suggerieren, solche Dienstleister sollen täglich nach Frankfurt aus dem Vogelsberg pendeln, nur weil die Wohnungspreise dort niedriger sind als im Ballungsraum, geht nicht nur an den Bedürfnissen der Menschen vorbei, sondern es ist auch wirtschaftlich kontraproduktiv. Chris Higman, Schwalbach
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