Zum Artikel „Revision sieht gravierende Verstöße“ erreichte die Redaktion nachfolgender Leserbrief von Jürgen Vits. Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Wenn auch Sie einen Leserbrief veröffentlichen möchten, senden Sie ihn unter Angabe Ihrer vollständigen Adresse und einer Rückruf-Telefonnummer (beides nicht zur Veröffentlichung) an info@schwalbacher-zeitung.de.
Mit ihrem Beitrag „Geheim-Akte Greensill“ hatte die Schwalbacher Zeitung bereits am 9. Juni ausführlich über das peinliche Versteckspiel des Magistrats um den fertiggestellten Revisionsbericht zu den Festgeldanlagen der Stadt Schwalbach informiert. Der Revisionsbericht war vom Magistrat seinerzeit zur Verschlusssache erklärt worden, obwohl die Schwalbacher Bürger ein Anrecht darauf haben, zu erfahren, wie leichtfertig und ordnungswidrig mit ihren Steuergeldern umgegangen wurde. Doch weit gefehlt: Das legitime Bürgerinteresse wurde von den Gewählten missachtet.
Nachdem erneut drei Monate verstrichen sind, sieht es jetzt aber so aus, als ob die unwürdige Geheimniskrämerei dank der beharrlichen Bemühungen der Schwalbacher Zeitung um Transparenz und Aufklärung ein Ende findet. Für das Engagement in dieser Sache gebührt Ihnen, Herr Schlosser, großer Dank. Wie wir der Schwalbacher Zeitung entnehmen können, hat der Landkreis das brisante Papier auf Druck der Schwalbacher Zeitung der Redaktion zugeleitet. Damit sah sich auch die Stadt Schwalbach gezwungen, die anonymisierte Fassung auf ihre Homepage zu stellen.
Der Schwalbacher Finanzskandal lässt sich eigentlich in wenigen Worten umreißen: Der Schwalbacher Bürgermeister hatte nach seinem Amtsantritt im Frühjahr 2020 insgesamt 19 Millionen Euro in mehreren Tranchen bei der inzwischen untergegangenen Bremer Greensill-Bank angelegt, um so wenige Zehntel Prozent mehr an Zinseinnahmen herauszuholen. Ein Sozialdemokrat also, der als Treuhänder mit fremdem Geld spekuliert: Risiko-Rendite ging ihm offenkundig vor Sicherheit, obwohl ja die Bürgermeister und Kämmerer in Deutschland darüber unterrichtet waren, dass Kommunen als professionelle Anleger von Liquidität seit der letzten Finanzkrise für Einlagengeschäfte bei privaten Banken ab einem bestimmten Anlagevolumen im Insolvenzfall keinen Einlagenschutz mehr genießen.
Um ein nicht tragfähiges Anlagerisiko auszuschließen, hatte Schwalbach unter Immischs Amtsvorgängerin daher ganz folgerichtig – im Unterschied zu manch anderer Kommune – entsprechende Anlagerichtlinien verabschiedet, die derartige Risikoanlagen untersagen. Und was machte nun unser frisch ins Amt gewählter Bürgermeister? Er setzte sich einfach über die Richtlinien hinweg, als könne er nicht lesen oder sich über die Beschlusslage informieren. Da es sich im vorliegenden Schadensfall nicht um einen Bagatellbetrag handelt und da – wie wir Bürger erst jetzt lesen dürfen – „nach Amtsantritt von Alexander Immisch keine einzige Geldanlage allen internen und externen Regeln entsprach“, hätte sein Rücktritt vom Bürgermeister-Amt schon im Frühjahr 2021 nahe gelegen.
Statt Aufklärung wollte er das leidige Thema in den vergangenen 18 Monaten dann doch lieber aussitzen. Es folgten peinliche Rechtfertigungen, irritierende Ablenkungsmanöver und hinhaltende Geheimniskrämereien. Für diese Transparenzverweigerung trägt allerdings nicht mehr nur der Bürgermeister, sondern nun auch der gesamte Magistrat der Stadt Schwalbach Mitverantwortung. Die Koalitionäre von SPD und CDU scheinen nach meiner Beobachtung so „interessenverwoben“ zu sein, dass der Bürgermeister sich bis heute einigermaßen sicher fühlen konnte.
Nebenbei bemerkt: Ob es sich wohl nur um pure Zufälle handelte, als in den vergangenen Monaten für zwei CDU-Politiker auf Kreis- und Stadtebene trotz schwindender Finanzmittel lukrative hauptamtliche Posten geschaffen wurden? Mehr noch: Wir haben auf den eigentlich erwarteten Aufklärungsdruck seitens der im Stadtparlament vertretenen Oppositionsparteien und die in solchen Situationen normalerweise wirkenden Selbstheilungskräfte der Demokratie vergeblich gewartet. So kam es dazu, dass wenigstens die „vierte Gewalt“ in Gestalt der Schwalbacher Zeitung die Angelegenheit beherzt in die Hand nahm und sich fortan um Aufklärung und Transparenz bemühte.
Fest steht jedenfalls, dass aufgrund der von der Revision bestätigten „gravierende Verstöße“ des Bürgermeisters ein Großteil der Finanzreserven der Stadt wie Wassertropfen unter der Sonne verdampften. Für die mutmaßlich vollständig „versenkten“ Finanzmittel von 19 Millionen Euro hätte man in Schwalbach Kindergärten bauen oder erweitern, das neue Feuerwehrhaus errichten und noch dazu die löchrigen Straßen sanieren können. Neben der leichtfertigen Verschleuderung der Schwalbacher Finanzreserven werden durch die geplante Unternehmensverlagerung der Firma Samsung in den nächsten Jahren zudem laufende Gewerbesteuereinnahmen in substantieller Größenordnung wegbrechen, so dass in den kommenden Schwalbacher Haushaltsjahren eine beträchtliche strukturelle Deckungslücke zu erwarten ist.
Was nunmehr passierte war indes kein überfälliger Rücktritt des Bürgermeisters, sondern eine schallende Ohrfeige für die Schwalbacher Bürger: Statt mehr Energie in die Aufklärung des Finanzskandals zu investieren, erhöhte der Magistrat den örtlichen Hebesatz der Grundsteuer für 2022 mal ganz nebenbei von 250 auf 400 Prozent. Viele Schwalbacher werden sich nun fragen, welche Zumutungen angesichts klammer Kassen noch auf sie zukommen werden. Vielleicht eine weitere Anhebung der Grundsteuer im Zuge der anstehenden Grundsteuerreform, eine Erhöhung der Gewerbesteuersätze für die Schwalbacher Unternehmen oder auch allgemeine Steigerungen bei den städtischen Gebühren?
Das sind für die Bürger keine guten Aussichten in Zeiten hoher Inflationsraten und exorbitanter Energierechnungen. Das eigentliche Problem reicht indes tiefer: Der unprofessionelle und unsensible Umgang mit dem Schwalbacher Finanzskandal beschädigt aus meiner Sicht die erlebte demokratische Kultur auf kommunaler Ebene und unterminiert das Vertrauen der Bürger in ihre gewählten Amtsträger und Parteien. In Anbetracht der aktuell unruhigen Zeiten und des destruktiven Wirkens rechter und linker Populisten ist das Verhalten der Schwalbacher „Stadtregierung“ in meinen Augen verantwortungslos.
Ich bin schon heute gespannt auf die weitere Aufklärungsarbeit der Schwalbacher Zeitung, aber auch, ob die Schwalbacher Oppositionsparteien doch noch aufwachen werden, um ihrer zugedachten Rolle in der „Schwalbacher Demokratie“ endlich gerecht zu werden. Wenn nicht, müsste die Schwalbacher Zeitung ihre treibende Rolle fortführen. Vielleicht ließe sich ja mittels einer gut vorbereiteten Unterschriftenaktion ein Stimmungsbild der Schwalbacher Wählerschaft einholen und so der Druck „von unten“ auf unseren Bürgermeister verstärken.
Leider stellte sich meine Wählerstimme für Herrn Immisch im März 2020 im Nachhinein als Irrtum heraus. Für mich hat er sich als ungeeignet erwiesen, um das Bürgermeisteramt von seiner angesehenen Vorgängerin zu übernehmen. Sein Dauerlächeln auf den vielen Fotos von Feiern und Jubiläen in der Schwalbacher Zeitung kann ich nicht mehr ertragen. Jürgen Vits, Schwalbach
Ich stimme meinen Vorrednern zu.
Durch solch ein Verhalten der Parteien, den Kampf um die Posten und Macht, verlieren die Bürger den Glauben an die Demokratie.
Sie gehen gar nicht mehr zur Wahl oder wählen wie an diesem Wochenende in Italien: Populisten und Rechtsradikale mit deren „einfachen“ Lösungen.
SPD und CDU: schämt euch!
Es ist schon unglaublich wie sich Herr Immisch an seinen Posten klammert. Einen solch fatalen Fehler zu begehen und dann nicht den Mumm zu haben und die Konsequenzen zu ziehen, das kann ein normaler Mensch nicht nachvollziehen. Dieses 19 Mio. Deseaster ist für Schwalbach sicher um Einiges größer als der von Hr. Feldmann in Frankfurt angerichtete AWO-Skandal. Von daher frage ich mich wirklich, warum die Koalition aus SPD und CDU noch immer hinter ihm steht? Geht es wirklich nur um die eigenen Posten? Stattdessen wird der Demokratie hier ein Bärendienst erwiesen. Vielleicht kommen die Stadtverordneten ja noch zur Einsicht – spätenstens nach den Prüfungsergebnissen der Staatsanwaltschaft. Wieviel Sinnvolles man mit diesen Millionen hätte finanzieren können!
Vielen Dank der Schwalbacher Zeitung für die bislang geleistete Aufklärungsarbeit.
Sehr geehrter Herr Vits,
Ich kann Ihren Frust über die Vorgänge rund um das Greensill-Desaster gut nachvollziehen und teile ihn. Als Stadtverordneter und Mitglied des Akteneinsichtsausschusses möchte ich Ihrer Kritik an der Opposition aber widersprechen. Wir waren durchwegs sehr aktiv im letzten Jahr. Wir haben unter anderem eine Anfrage zu den Geldanlagen gestellt, Anträge zur Veröffentlichung des Revisionsberichts und einen, der dem Bürgermeister den Rücktritt nahe legt. Wir haben wiederholt in Pressemitteilungen über unsere Einschätzung der Lage berichtet und wir konnten (auch dank öffentlichem Druck) erreichen, dass der Akteneinsichtsausschuss öffentlich getagt hat. Falls das nach wenig klingt muss ich Ihnen sagen, dass wir leider nicht viel mehr Werkzeuge zur Verfügung stehen haben. Ich hätte mir zum Beispiel gut vorstellen können, dass das Stadtparlament in geheimer Abstimmung über die Abwahl des Bürgermeisters entscheidet. Allerdings erfordert alleine das Einbringen eines Abwahlantrags eine Mehrheit der Abgeordneten, also auch Stadtverordnete der Koalition (was in der aktuellen Situation absolut unrealistisch erscheint). Und eine Abstimmung wäre danach öffentlich gewesen. Die Hessische Gemeindeordnung (HGO) ist leider nicht darauf ausgelegt, dass die Mehrheit in Stadtparlament und Magistrat untätig bleibt.
Mit freundlichen Grüßen
Lukas Bosina
Ich habe lange auf solch eine Veröffentlichung gewartet. Ich dachte, sind denn alle blind und taub und stumm dazu. Merkt denn keiner, was Herr Immisch hier für ein Kasperltheater aufführt? Nein, ich kann das sich selbst zur Schau stellen des Herr Immisch auch nicht mehr ertragen. Schämen sollte er sich, so mit „unseren“ Steuergeldern umzugehen – aber bitte immer schön in die Kamera lächeln, sitzt ganz schön hoch auf seinem ihm bereiteten Ross und ja, richtig erkannt – die CDU hat dafür noch zwei Pöstchen als „Maulstopfer“ zugeschustert bekommen. Einfach nur pfui – am besten ich zieh‘ hier weg, Schwalbach ist wirklich bald nicht mehr l(i)ebenswert, da bröckelt der Beton und Asphalt mittlerweile gehörig und Nix wird unternommen
Dieser ausführlichen Darstellung kann ich, wie sicherlich alle anderen Leserinnen und Leser, voll und ganz zustimmen. Insbesondere die Option eines Bürgerbehrens bei weiterer Uneinsichtigkeit des Bürgermeisters halte ich für eine angemessene Reaktion, wenn wir DEMOKRATIE weiterhin groß schreiben wollen.
Herr Vits, Sie sprechen mir aus der Seele. Hätte ich mir in meiner Funktion als Verantwortlicher für Finanzen für eine namhafte deutsche Firma im Ausland solch einen Fehler erlaubt, hätte das mindestens den sofortigen Rückmarschbefehl bedeutet. Doch wer veranlasst in Schwalbach den Abtrittsbefehl?
Herr Schlosser, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Aufklärungsarbeit, bitte lassen Sie nicht nach, die Schwalbacher aufzurütteln.
Herr Immisch muss endlich Verantwortung übernehmen. BM zu sein bedeutet mehr als bei jeder Gelegenheit in eine Kamera zu grinsen.
Hoffentlich hält die SZ den Druck weiterhin hoch und sorgt für Aufklärung.