Normalerweise ist es nur eine Formalie. Einmal im Jahr legt der Magistrat den Stadtverordneten einen Jahresabschluss für das vorvergangene Jahr mitsamt einem Bericht der Revision des Main-Taunus-Kreises vor und das Parlament erteilt dem Magistrat die Entlastung.
Morgen Abend geht es um das Jahr 2020 und da sollten die Stadtverordneten die Finger unten lassen. Sie müssen es eigentlich sogar tun, denn bei einem fahrlässig verursachten Verlust von 19 Millionen Euro kann es keine vollständige Entlastung geben. Erklären sich SPD und CDU mit ihrer satten Mehrheit trotzdem mit diesem Jahresabschluss einverstanden, hat das Stadtparlament als wichtigste Kontrollinstanz der Verwaltung versagt. Denn es bedeutet nichts anderes als dass man akzeptiert, dass der Bürgermeister und/oder die Verwaltung 19 Millionen Euro verbrannt haben.
Selbst wer Alexander Immisch (SPD) – der das Greensill-Desaster zu verantworten hat – gewogen ist, kann allenfalls eine Entlastung mit Einschränkungen erteilen, die die Hessische Gemeindeordnung in solchen Fällen ausdrücklich vorsieht. Eine vollständige Entlastung dagegen kann es erst geben, wenn die Staatsanwaltschaft und die Dienstaufsicht die verbotenen und am Ende fatalen Festgeldanlagen aus dem Jahr 2020 lückenlos aufgearbeitet haben.
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Faktencheck: Grund für die Überweisung in den Haupt- und Finanzausschuss ist ein umfangreicher Antrag von B90/Die Grünen zum gleichen Thema.
Zu Enrico Straka:
Ein hilfreicher Beitrag für den Fall, dass die Entlastung in der letzten STVV erfolgt wäre. Das die große Koalition jetzt die Vorlage an den HFA zurück überwiesen hat, ist wohl auch ein Zeichen eines politischen Kulturwandels in dieser Angelegenheit. Der Bürgermeister selbst hat ein eigenes Antragsrecht und es wäre sehr gut, wenn er davon Gebrauch macht und die Vorlage solange in den Ausschuss verweist, bis die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abgeschlossen sind.
Mögliche formale Beanstandungen, weil die Entlastung dann länger liegt sind hinzunehmen. Im Prüfbericht selbst wird auf bislang unerledigte Beanstandungen aus den letzten 10 Jahren aufmerksam gemacht.
In der Kommentierung zu § 114 HGO ist zu lesen, dass „Inhalt und rechtliche Wirkung der Entlastung in der HGO, in der GemHVO oder den hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften definitorisch nicht festgelegt ist. Allgemein ist darunter eine Entscheidung zu verstehen, mit der die Gemeindevertretung in freier Würdigung der ihr vorgelegten Unterlagen einen Schluß unter die Haushaltswirtschaft des abgelaufenen Haushaltsjahres zieht. Diese Entscheidung hat aber nur eine haushaltsrechtliche Bedeutung und umfaßt bei vorbehaltloser Entlastung die Feststellung, daß gegen die Haushaltsführung des abgelaufenen Rechnungsjahres keine Einwendungen zu erheben sind. Das schließt allerdings nicht aus, daß auch nachträglich noch wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Amtspflichtverletzung Ersatzansprüche gegen einzelne Bedienstete geltend gemacht werden können; ebenso steht der Entlastungsbeschluß einer disziplinarischen Verfolgung begangener Amtspflichtverletzungen nicht entgegen. Insoweit unterscheidet sich die öffentlich rechtliche Entlastung nach § 114 Abs. 1 HGO von den zivilrechtlichen Entlastungen im Vereins- und Gesellschaftsrecht, die mit der Folge erteilt werden, daß etwaige bekannte oder bei der Beschlußfassung erkennbare Ersatzsansprüche erlöschen (vgl. z. B. §§ 31, 89, 397 BGB). Die Gemeindevertretung ist auch nicht gehindert, Verstöße, die bei der Entscheidung über die Entlastung nicht erkennbar waren, oder neue Tatsachen, die nachträglich z. B. durch aufsichtsbehördliche Maßnahmen bekannt werden, unabhängig von dem Entlastungsbeschluß aufzugreifen und darüber eine gesonderte Entscheidung herbeizuführen.“
Für Herrn Immisch gibt es nur einen Ausweg aus der Geschichte: Rücktritt!
114,2 HGO „2Verweigert die Gemeindevertretung die Entlastung oder spricht sie die Entlastung mit Einschränkungen aus, so hat sie dafür die Gründe anzugeben.“
Die Begründung für die Entlastung mit Einschränkungen liefert das Revisionsamt im Prüfbericht selbst. Das sollte also nicht schwierig sein, zumal das Verhalten in 2020 auch Auswirkungen auf 2021hatte und nur gemeinsam betrachtet und beurteilt werden sollte. Nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.
Damit ist kein generelles Misstrauen an eine ansonsten verlässlich arbeitende Verwaltung oder Verwaltungsleitung ausgedrückt.