Dr. Ulrike Scholtz, vielen SchwalbacherInnen noch bekannt als erste Stadträtin in den 80er Jahren, referierte am 10. Oktober als promovierte Literaturwissenschaftlerin über die Französin Anni Ernaux, der Nobelpreisträgerin für Literatur von 2022.
Gleich zu Beginn machte Ulrike Scholtz eine wichtige Bemerkung in eigener Sache. Sie habe so eine starke Sehbehinderung, weshalb sie kein schriftliches Konzept vorlesen könne, sondern aus ihrem Gedächtnis referieren werde mit Unterstützung von Gundula Lohmann-Pabst, die einige Textbeispiele aus dem Buch „Der Platz“ vorlas.
Die etwa 40 Zuhörerinnen und Zuhörer wurden zunächst mit der Biografie von Annie Ernaux vertraut gemacht, beginnend mit ihren Eltern, deren ganzes Streben darin bestand, die verhasste Arbeiterklasse zu verlassen und ein neues Leben zu beginnen hin zu einer erfolgreichen selbstständigen Tätigkeit als Lebensmittelhändler und Restaurantbetreiber. In diesem Milieu wuchs Annie auf und konnte deshalb auch eine höhere Schule und später auch die Universität besuchen.
Dieser Lebensweg ist aufgrund seiner wichtigen Ereignisse die Grundlage ihrer zehn Bücher, die alle eine Mischung aus Autobiografischem und Fiktionalem sind. Eine gewisse Ausnahme ist ihr Buch „Das Leben“, worin sie ihre Beobachtungen der Siebziger Jahre in Frankreich, speziell in Paris beschreibt, aus persönlicher Sicht, aber auch mit interessanten historischen Einblicken.
Beim Vorstellen von acht Werken wurde dem Publikum anschaulich gezeigt, warum Annie Ernaux als Schöpferin des „autofiktionalen Schreibens“ gilt. Obwohl sie eher einen sachlichen Stil pflegt, sind ihre Erzählungen sehr fesselnd und in einer sehr guten Sprache geschrieben.
„Eine ungewöhnliche Schriftstellerin, sowohl politisch, als auch literarisch“, merkte Ulrike Scholtz an.
Die Referentin erntete begeisterten Applaus für ihre großartige Gedächtnisleistung und erhielt zwei Gutscheine für Hörbücher zum Dank. red