Am Donnerstagmittag vergangener Woche fand zum zwölften Mal das Abrahamische Religionsgespräch der Albert-Einstein-Schule (AES) im kleinen Saal im Bürgerhaus statt.
„Wir machen dieses Gespräch jetzt im zwölften Jahr, und dennoch ist diesmal irgendwie alles anders wegen des in so entsetzlicher Weise seit dem 7. Oktober wieder entflammten Israel-Palästina-Konfliktes“, so leitete Fachbereichsleiter Jochen Kilb das trialogische Rekligionsgespräch ein. Er berichtete, dass es schon im Vorfeld so viel Rückmeldungen von Schüler- und Kollegenseite gegeben habe, wie noch nie zuvor. Dabei habe die Spannweite folgendes Ausmaß betragen: von „gerade jetzt ist es absolut wichtig, dass dieses Gespräch in Schwalbach stattfindet“ bis „wir haben angesichts der hitzigen Stimmung die Befürchtung, die Diskussion könnte aus dem Ruder laufen“.
Die drei Diskutierenden auf dem Podium waren dieselben wie im vergangenen Jahr: Andreas Heidrich, Pfarrer aus Bad Soden, und Petra Kunik, Mitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, sind seit der ersten Ausgabe des Gesprächs dabei. Jasmina Makarevic, bosnische Muslima ist wie Petra Kunik langjähriges Mitglied im Ensemble der sogenannten „Abrahamischen Teams“, die sich um den Dialog der Religionen verdient machen. Sie war 2022 bereits in Schwalbach zu Gast.
Zuhörende waren alle Schülerinnen und Schüler der sechs zehnten Klassen der AES, die das Gespräch in ihren Religions- und Ethik-Kursen vorbereitet hatten. Gleich nach der Begrüßung und Vorstellungsrunde ließen die Fragen aus dem Auditorium nicht auf sich warten. Als Moderatoren hatten jeweils zwei Schüler die Aufgabe, das Gespräch in thematische Blöcke zu lenken. Dies gelang sowohl Ferdinand Thau und Osan Altúnsaray aus dem Ethik-Kurs der 10E von Herrn Buchen wie auch Anton Kesper (10B) und Tim Schneider (10F) aus dem Kurs Katholische Religion von Herrn Arbet sehr gut.
In den zweimal 90 Minuten wurde eine enorme Bandbreite an inhaltlichen Themen angeschnitten, wobei die Schülerinnen und Schüler in beiden Blöcken vergleichbare Bereiche anschnitten. Das Feld der Themen reichte von persönlichen Fragen an die Diskutierenden, wie individueller Gottesglaube, jeweilige religiöse Sozialisation, Tragen des Kopftuchs, über allgemeine Glaubensfragen. Die Schülerinnen und Schüler fragten beispielsweise: „Wie stehen die Religionen zur Idee einer ‚Hölle‘“ oder „Wie kann ein guter Gott Leid und Auschwitz zulassen“. Auch Alltags- und ethische Fragen wurden gestellt.
Die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer scheuten nicht davor zurück, auch bei eher unbequemen oder sehr intimen Fragen Antworten zu geben. Jasmina Makarevic etwa antwortete auf die Frage, wie sie, die selbst Kopftuch trägt, dazu stehe, wenn dies den Frauen vorgeschrieben werde: „Zwang herrscht dort, wo die Tradition wichtiger ist als die Religion. Im Koran findet man nämlich in gleicher Weise das Zitat des Propheten: ‚Es gibt keinen Zwang in Glaubensfragen‘.“ Auch bei der Frage nach der Vereinbarkeit von Islam und Homosexualität wusste sie zu überraschen, als sie davon berichtete, wie sie vor einigen Jahren in Pakistan gelebt habe und auf das Phänomen stieß, dass sie dort in einigen Großstädten muslimische Männer Hand in Hand laufend gesehen habe. Gleichwohl hätten diese Männer parallel auch noch Ehefrau und Familie, weil dies von der kulturellen Tradition verlangt werde.
Als eine Schülerin von Petra Kunik wissen wollte, wie ihre Familie das bis 1945 in Deutschland erlebte Leid mit der Existenz ihres jüdischen Gottes habe vereinbaren können, berichtete diese, dass ihr Bruder tatsächlich darüber seinen Glauben verloren habe. Sie selbst aber tröste sich, mit Verweis auf einer Stelle aus dem Talmud, damit, dass sie gewiss sei, dass es eine höhere Gerechtigkeit gebe.
Zur Frage der Homosexualität verwies sie auf eine Erklärung, den auch der Egalitäre Minjan der Jüdischen Gemeinde Frankfurt mittrage: Alles, was zwischen zwei Personen freiwillig und in gegenseitiger Liebe und Verantwortung füreinander geschehe – gegen all dies könne Gott nichts einzuwenden haben.
Andreas Heidrich berichtete von innerfamiliären Widerständen, zum Beispiel, als er sich entschlossen habe, gegen den Willen des atheistischen Vaters Theologie zu studieren, oder aber, als er an die Grenzen seiner Toleranz in einer schwerwiegenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit seiner Schwester gestoßen sei.
Wie es denn komme, dass der Glaube so stark im Leben der Drei verwurzelt sei, wollte ein Schüler am Ende wissen. Petra Kunik hatte eine Antwort, die viele Schülerinnen und Schüler sichtlich zum Nachdenken brachte: „Diese Frage stelle ich mir im Grunde gar nicht. Religion gehört für mich genauso grundlegend zum Leben dazu wie der Atem.“ red