23. Mai 2024

Leserbrief

„Finanzjongleure im Schwalbacher Rathaus“

Zum Artikel „Wie Eis in der Sonne“ erreichte die Redaktion nachfolgender Leserbrief von Jürgen Vits. Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Wenn auch Sie einen Leserbrief veröffentlichen möchten, senden Sie ihn unter Angabe Ihrer vollständigen Adresse und einer Rückruf-Telefonnummer (beides nicht zur Veröffentlichung) an info@schwalbacher-zeitung.de.

:Akteure, die leichtfertig anvertrautes Geld verzocken und Finanzmittel, die sie nicht haben und leihen müssen, für maßlose Vorhaben einsetzen, werden in Frankfurter Bankentürmen gemeinhin als Finanzjongleure bezeichnet. Da ein derartiges Geschäftsgebaren auch im Schwalbacher Waschbeton-Rathaus anzutreffen ist, dürfte diese Qualifizierung dort ebenfalls angebracht sein. Wir erinnern uns: Unser Schwalbacher Anfänger-Bürgermeister verstieß angeblich arglos und unwissentlich gegen interne Anlagerichtlinien und setzte 19 Millionen Euro Steuergeld (gut 1.200 EUR je Bürger) leichtfertig bei der Greensill-Bank in den Sand.

Wir ohnmächtigen Schwalbacher Bürger, Steuerzahler und Wähler haben daraufhin lernen müssen, dass fahrlässiges Verhalten und Inkompetenz im Amt nicht strafbar, also folgenlos seien. So hielt der CDU-Landrat nach langer Prüfungszeit es nicht für nötig, Disziplinarmaßnahmen gegen unseren Bürgermeister einzuleiten und die eingereichte Dienstaufsichtsbeschwerde weiterzuverfolgen. Politische Verantwortung für sein Versagen will dieser ohnehin nicht übernehmen und klebt bis an seinem Amt. Seine Partei- und Koalitionsfreunde aus SPD und CDU stützen ihn. Hektisch wurden im Rathaus neue Stellen geschaffen: Ein hauptamtlicher Stadtrat und Kämmerer von der politischen Konkurrenz musste her, damit die CDU der Faeser-Grüning-Immisch-SPD auch in Zukunft den Rücken stärkt. Eine Compliance-Stelle wurde geschaffen, damit alles noch einmal formell kontrolliert wird. Alles sollte nun professioneller und besser werden, koste es uns Steuerzahlern, was es wolle.

Das Gegenteil scheint einzutreten: Trotz dramatisch sinkender Einnahmen und inflationsbedingter Kostensteigerungen sollen in Schwalbach maßlose Vorhaben realisiert werden, die uns Steuerzahlern noch viel Geld kosten werden. Darunter sticht eine Maßnahme besonders ins Auge: Das geplante Feuerwehrhaus und der neue Bauhof für geschätzte 29,3 Millionen Euro (vor inflationsbedingten Kostensteigerungen). Dafür sollen 9.000 Quadratmeter Naturfläche im Naherholungsgebiet versiegelt werden, die von der Stadt bereits für 350 Euro je Quadratmeter (!) Steuergeld (Bodenrichtwert: 7,50 EUR/qm) angekauft wurden.

Schwalbach wird sich in den nächsten Jahren jede andere Alibi-Umwelt- und Klimamaßnahme sparen können, wenn diese Naturfläche am Wiesenweg verloren geht. In Merkel-Alternativlos-Manier sperrt sich die Beton-Koalition aus SPD und CDU gegen jede ergebnisoffene Diskussion über Standortalternativen und finanzschonendere Lösungen. Angeblich habe man alles geprüft, was ablenkender Unfug ist: Bei veränderten Rahmenbedingungen müssen politische Entscheidungen von solcher Tragweite auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls revidiert werden.

Fest steht: Die Schwalbacher Einnahmen aus der Gewerbesteuer werden in den nächsten Jahren dramatisch sinken und die inflations- und aufgabenbedingten Kosten werden gleichzeitig steigen. Damit stellen sich folgende Fragen: Beabsichtigt die Stadt, das wachsende Finanzloch im Haushalt durch die Anhebung der Grundsteuer- und Gewerbesteuerhebesätze zu Lasten der Bürger und örtlichen Unternehmen zu schließen? Prüft die Schwalbacher Kämmerei den Verkauf der Greensill-Forderungen an Investoren? Andere Kommunen (z.B. Gießen) taten das schon und realisierten, wie man lesen konnte, immerhin circa 25 Prozent ihrer ausstehenden Forderungen. Der um sein Steuergeld geprellte Schwalbacher Bürger hat Anspruch auf Transparenz und Kommunikation. Mit Normenkontrollverfahren gegen Bebauungspläne oder Dienstaufsichts-beschwerden ist einer fehlgeleiteten Kommunalpolitik nicht beizukommen.

Vielmehr bedarf es einer pragmatischen bürgernahen Politik von Maß und Mitte, den offenen Dialog über vernünftige, nachhaltig finanzierbare Alternativen – und ja, der persönlichen Verantwortungsübernahme für Fehlleistungen. Leider demonstriert die Schwalbacher Kommunalpolitik wie unter einem Brennglas, dass die politischen Parteien CDU und SPD der Demokratie Schaden zufügen und die politisch verantwortlichen Akteure ihr Vertrauen und ihre Glaubwürdigkeit bei den Bürgern verspielen. Jürgen Vits, Schwalbach

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert