„Gott ist die interessanteste Sache, über die man nachdenken kann; aber auch eine nicht ganz ungefährliche“, eröffnete Dr. Heiko Schulz, Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosphie an der Goethe-Universität in Frankfurt, seine Schüler-Vorlesung vor drei Abiturienten-Kursen der Albert-Einstein-Schule (AES).
Den Kontakt zum Dozenten hatte Religionslehrer Erhard Becker hergestellt. „Die evangelische Landeskirche versucht seit einigen Jahren, junge Menschen für den Pfarrberuf und den Beruf des Religionslehrers zu gewinnen. Eine Maßnahme dabei ist es, den Schulen anzubieten, dass Professoren eine Einführungsvorlesung vor Abiturienten halten und darauf mit ihnen ins Gespräch kommen“, erklärte der Lehrer.
Und so war denn auch die Anfangsfrage von Heiko Schulz folgerichtig: „Wer von Ihnen plant denn, Theologie zu studieren?“. Erwartungsgemäß reckte sich kein Finger nach oben. Dass dies aber nicht bedeuten muss, dass sich junge Menschen nicht etwa mit existenziellen Glaubensfragen beschäftigen wollten, zeigte ihre rege Beteiligung während der Vorlesung. Immer wieder unterbrachen sie den Vortragenden, um Fragen zu verschiedensten dogmatischen Themenbereichen zu stellen.
Ein Abiturientin wollte wissen, ob denn die Parusieverzögerung, also das verzögerte Eintreffen des jüngsten Gerichts, nicht den christlichen Glauben widerlege, wollte eine Abiturientin wissen. Ein anderer meinte, Feuerbach und Marx hätten doch wohl Recht in ihren kritischen Aussagen gegenüber dem Christentum. Die Antwort des Professors überraschte einige: „Es könnte sein, dass sie Recht haben. In der systematischen Theologie kommt es aber nicht auf die vermeintliche Wahrheitsfrage an, sondern darauf aufzuzeigen, dass die eigene Hypothese mehr Plausibilität besitzt als die Konkurrenztheorie.“
So entspannte sich ein kontrastreiches Gespräch zwischen Heiko Schulz und den Zuhörenden, und der Themenbogen war gespannt über weite Felder wie Luthers Gottesverständnis, syllogistische Schlüsse, Karl Poppers Wissenschaftsbegriff oder den ontologischen Gottesbeweis des Anselm von Canterbury.
Nach 90 Minuten eifrigen Debattierens rauchte so manchem Schüler der Kopf. „Ich denke, es war eine gute Aufwärmübung der Gehirne für das demnächst anstehende Abitur“, fasste Jochen Kilb, Fachbereichsleiter und Religionslehrer an der AES, das Ergebnis der Veranstaltung zusammen.
Dass bei der Schlussfrage von Heiko Schulz, wer denn nach seinem Vortrag vorhabe, Theologie zu studieren, noch immer kein Finger nach oben ging, sollte nicht so verstanden werden, dass die Jugendlichen sich nicht für die Materie hätten erwärmen können. Dagegen sprach auch die rege Beteiligung der Abiturienten während des Vortrags.
Vielmehr dürfte ein anderer Aspekt dafür ausschlaggebend sein, der in dieser pragmatischen Generation eine große Rolle spielt. „Wenn ich bei einem sechssemestrigen Studiengang erst einmal drei Semester brauche, um überhaupt nur Latein und Griechisch als Grundvoraussetzung zu lernen, dann verdienen meine ehemaligen Mitschüler schon längst Geld, bevor ich überhaupt an das Examen denken kann“, meinte ein Schüler. Ein Satz, der Jochen Kilb zufolge der evangelischen Kirche mit Blick auf ihren Nachwuchsmangel zu denken geben sollte. red