31. Juli 2018

Leserbrief

Leben wir wirklich in einer Welt voller Egoisten?

Keine Rücksicht für ernsthaft erkrankte oder in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen zeigen Autofahrer, die für kurze sowie für längere Zeit Patienten- und Behindertenparkplätze blockieren. Foto: privat

Zum Thema rücksichtslose Falschparker erreichte die Redaktion nachfolgender Leserbrief von Michael Gierke. Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Wenn auch Sie einen Leserbrief veröffentlichen möchten, senden Sie ihn unter Angabe Ihrer vollständigen Adresse und einer Rückruf-Telefonnummer an info@schwalbacher-zeitung.de.

Stellen Sie sich vor, Sie litten an einer beidseitigen Hüftgelenksarthrose, die Sie in Ihrer Mobilität erheblich einschränkt. Jeder Schritt gelingt Ihnen nur unter großen Schmerzen. Sie fügen sich tapfer in Ihr Schicksal, denn Sie wissen, dass Ihre schwere Herzkrankheit einer Hüftgelenksoperation entgegensteht und Sie es deswegen akzeptieren müssen, Ihr Leben unter Schmerzen bestreiten zu müssen. Zum Glück können Sie wenigstens noch mit Ihrem eigenen Auto fahren und die wichtigsten Dinge des Lebens ohne fremde Hilfe erledigen. Sie sind froh, anderen Leuten nicht zur Last zu fallen.
Es ist einer dieser heißen Sommertage. Fünfunddreißig Grad im Schatten und die Sonne brennt unerbittlich vom Himmel herab. Hätten Sie keine Klimaanlage in Ihrem Auto, würde Ihr labiles Herz die Fahrt zur Physiotherapie wahrscheinlich nicht aushalten. Sie freuen sich auf die Therapie, denn Sie wissen, dass es Ihnen danach für einige Tage etwas besser gehen und Ihnen das Laufen nicht mehr ganz so schwer fallen wird. Sie biegen in die Avrilléstraße ein und wundern sich. Nanu, stand dieses langgestreckte, weiße Audi SUV nicht schon heute Morgen an der gleichen Stelle, mit der Motorhaube halb auf dem Gehweg?
Sie fahren näher heran und erkennen, dass auch der Peugeot 207, dessen leuchtendes Metallicblau Ihnen bereits am Morgen so gut gefallen war, immer noch auf dem gleichen Patienten-Parkplatz des Ärztehauses steht. Auch der dunkelblaue Renault Clio mit dem Doppelrohrauspuff steht noch genauso da, wie acht Stunden zuvor. Sie fangen an sich zu ärgern, denn Sie hatten darauf gehofft, auf einem der für die Patienten reservierten Parkplätze parken zu können.
Macht nichts, denken Sie sich, denn schließlich gibt es auf der anderen Seite der Garageneinfahrt noch drei weitere Parkplätze, einer davon ein Behindertenparkplatz, den sie mit Ihrem Sonderausweis benutzen dürfen. Als sie am Morgen bei Ihrer Ärztin waren, hatten Sie Glück und konnten hier parken. Leider steht jetzt auf dem Behindertenparkplatz bereits ein anderes Fahrzeug. Sie zucken mit den Achseln und freuen sich, dass wenigstens ein anderer Behinderter einen Parkplatz vor dem Ärztehaus gefunden hat. Schließlich können Sie ja nicht wissen, dass dieses Auto einer jungen Frau gehört, die mal nur eben schnell einen Termin bei ihrem Friseur wahrnehmen wollte.
Auf dem ebenfalls für Patienten reservierten Parkplatz daneben hat ein in der Nachbarschaft wohnender Autohändler mal wieder ein Auto mit rotem Kennzeichen für einige Tage abgestellt, bis sich vielleicht ein Käufer findet und er nach dem Verkauf dann ein anderes Auto mit dem gleichen Kennzeichen auf dem gleichen Parkplatz zwischenlagern kann. Selbst der letzte verbleibende Parkplatz wird von einem schwarzen BMW SUV zugeparkt. Wenn Sie wüssten, dass deren Besitzerin bereits mehrfach von einem der Praxisbetreiber sehr höflich sowohl schriftlich, als auch persönlich aufgefordert wurde, die Parkplätze des Ärztehauses nicht andauernd und über mehrere Tage mit ihrem Auto zuzuparken, hierauf aber nur mit Häme und Ignoranz reagierte, würden dies jetzt wahrscheinlich Ihren Puls deutlich beschleunigen.
Da Sie die näheren Umstände jedoch nicht kennen, fahren Sie enttäuscht und verzweifelt wieder nach Hause, nachdem Sie Ihrem Therapeuten eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen haben, dass Sie Ihren Termin leider verstreichen lassen müssen. Einen anderen freien Parkplatz, von dem aus Sie die Physiotherapie-Praxis bei dieser drückenden Hitze aus eigener Kraft hätten erreichen können, finden Sie leider nicht. Die Ausweglosigkeit Ihrer Situation wird Ihnen schmerzhaft bewusst und Ihre Augen füllen sich bei dem Gedanken an Ihren kürzlich verlorenen Lebenspartner mit Tränen.
Zu zweit wäre es jetzt einfacher gewesen, denn dann hätte der eine den anderen vor der Tür absetzen und anschließend wieder abholen können. Ohne Partner ist man leider auf die Rücksichtnahme und das Verständnis seiner Mitmenschen angewiesen. Leben wir wirklich in einer Welt voller Egoisten? Gibt es bei uns noch eine Kultur von Rücksichtnahme und Verständnis? Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Michael Lierke,
Schwalbach

3 Gedanken zu „Leben wir wirklich in einer Welt voller Egoisten?

  1. Inzwischen hat sich die Situation deutlich gebessert. Die Gemeinschaft des Ärztehauses hat sich dazu entschlossen, gemeinsam gegen die unbefugten Dauerparker vorzugehen und einen Rechtsanwalt mit der Wahrung ihrer Interessen betraut. Dieser hat inzwischen die Unterschriften unter sechzehn strafbewährte Unterlassenserklärungen von Fahrzeughalterinnen und -haltern eingeholt, die nun nicht mehr die Privatparkplätze des Ärztehauses misbrauchen. Zwar haben sich längst NachfolgerInnen gefunden, die deren Rolle übernommen haben, diese bekommen aber in den nächsten Tagen genauso Post vom Anwalt, sollten sie sich ebenfalls nicht höflichen Bitten um Respektierung unseres Privateigentums zugänglich zeigen. Schade, dass man erst zu solchen Maßnahmen greifen muss.

  2. Das Problem mit den Parkplätzen besteht im Prinzip seit 1993, dem Jahr der Eröffnung des Ärztehauses. Etwas entspannt hatte sich die Situation, nachdem das Aussiedlerwohnheim im Haus Marktplatz 7 geschlossen wurde, denn von den Bewohnern dieses Hauses wurden regelmäßig fast alle unserer Parkplätze blockiert. Da es sich um Privatgelände handelt, ist leider das Ordnungsamt nicht zuständig. Insofern kann den komunalen Behörden kein Vorwurf gemacht werden. Ganz im Gegenteil muss ich den Mitarbeitern des Ordnungsamtes hier sogar ausdrücklich ein Lob aussprechen, denn sie haben wiederholt versucht, einzelne Fahrzeughalter zu kontaktieren und zu einer Entfernung ihrer Fahrzeuge zu bitten. Die wirkungsvollste Lösung – so wurde mir vom Ordnungsamt signalisiert – sei ein kostenpflichtiges Abschleppen der unberechtigten Dauerparker, sofern diese sich nicht durch persönliche Ansprache einsichtig zeigen sollten. In Absprache mit Herrn Modrack von der Pinguin Apotheke habe ich dann tatsächlich insgesamt zwölf Fahrzeuge abschleppen lassen, nachdem diese jeweils mehrere Tage, in einem Fall sogar drei Wochen am Stück einen der sechs Patientenparkplätze blockiert hatten. Da ich vor dem Abschleppen jeweils versucht habe, die Halter zu ermitteln, konnte ich den einen oder anderen noch vor dem Anrücken des Abschleppdienstes vorwarnen und erreichen, dass sie ihr Fahrzeug entfernt haben. Leider kam es im Zusammenhang mit den Abschleppaktionen regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit den Betroffenen, die Teils sogar gewalttätig, auf jeden Fall aber immer mit rüden verbalen Attacken, Schimpftiraden oder gar Androhung körperlicher Gewalt endeten. Auch eine Beschädigung unseres Smarts, mit dem wir unsere Hausbesuche unternehmen, sehe ich in diesem Zusammenhang.

    Nachdem ich im Jahr 2017 davor gewarnt wurde, einen der uns bekannten Dauerparker entfernen zu lassen, da dieser polizeilich bekannt und dem „Milieu“ zuzurechnen sei, haben alle Praxisbetreiber gemeinsam beschlossen, das Problem durch Strafanzeigen aus der Welt zu schaffen. Seither werden von uns alle während der Öffnungszeiten des Ärztehauses unberechtigt abgestellten Fahrzeuge fotografiert, um die misbräuchliche Nutzung unserer privaten Parkplätze dokumentieren zu können. Hierbei zeigte sich schnell, dass es einen „harten Kern“ unbelehrbarer Fahrzeughalter gibt, der neben den in meinem Leserbrief erwähnten Autohändler aus fünfzehn weiteren Personen besteht. Diesen Personen haben wir regelmäßig zunächst höflich aber bestimmt formulierte Schreiben am Scheibenwischer hinterlassen, um sie zu einer Respektierung unseres Hausrechtes zu bewegen. Bei wiederholter Misachtung unserer Aufforderung wurde unsere Ansprache dann deutlicher, bis hin zur Ankündigung einer Strafanzeige. All dies hatte aber nur bei wenigen Fahrzeughaltern Erfolg. Die Halterin eines blauen Peugeot 207 hat von uns insgesamt fünf Schreiben an ihrer Windschutzscheibe vorgefunden, nachdem wir ihr Fahrzeug im Zeitraum von Januar 2018 bis November 2019 insgesamt 47 mal auf einem unserer Parkplätze angetroffen und fotografiert haben. Zwei mal haben wir sie persönlich angesprochen, hierbei aber nur Unverständnis geerntet.

    Ab dem kommenden Jahr werden wir bei den betreffenden Personen dann die angekündigten Strafanzeigen umsetzen, sollten diese weiterhin die Parkplätze des Ärztehauses misbrauchen. Dies wird dann aber vermutlich zur Folge haben, dass sich andere Dauerparker unserer Parkplätze annehmen werden.

  3. Zugegebenermaßen sehr emotionaler Beitrag; trotzdem oder gerade deshalb berührend. Welche Auswirkungen wird er haben?
    Empathie und für den ruhenden Verkehr zuständige Bedienstete in einem Satz sind derart absurd, dass man es sich in der Praxis kaum vorstellen kann. Bleibt nur die Hoffnung, dass die Chefin der zuständigen Behörde, die sich ja gerne mal emotional gibt, vielleicht die Dienstpostenbeschreibungen beim Ordnungsamt zur Auffrischung hervorkramt. Oder womöglich -auch wenn es nicht die gleiche Außenwirkung hat wie z.B. die Einweihung von irgendetwas Barrierefreiem- ruft es gar den Behindertenbeauftragten auf den Plan?
    Auch wenn ich (noch) nicht von solchen Einschränkungen betroffen bin, geht mir so etwas nahe, zumal ich im Alltag vergleichbares erlebe.

    Vor dem Absenden meines Beitrags habe ich mir den Verfasser des „Leserbriefs“ mal etwas näher angesehen und hoffe, dass ich mich nicht vor dessen Karren habe spannen lassen. Als dort ansässiger Physio sollte er eigentlich andere Wege finden, diese Probleme in den Griff zu bekommen, schließlich ist Anpacken Teil seines Berufsbildes. Man könnte die „Missetaten“ dokumentieren, sich rechtlich schlau machen, das sehr nahe gelegene Rathaus einbinden usw. und so fort. Bleibt zu hoffen, dass das Engagement des Herrn L. über das Schreiben von Leserbriefen mit einem gewissen „Tränendrüsen-Effekt“ hinausgeht – dann wird sicher alles gut.

    Man darf gespannt sein.

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