Im Zusammenhang mit der Woche der Brüderlichkeit und im Zusammenwirken der evangelischen Limes-Gemeinde, der katholischen Kirchengemeinde Schwalbach und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit im Main-Taunus-Kreis fand am Dienstag in der evangelischen Limesgemeinde ein Vortrag von Rabbi Andy Steiman von der Frankfurter Budge-Stiftung über die „10 Gebote“ aus jüdischer Sicht statt.
Der Gemeindesaal war vollbesetzt und Pfarrer Willi Schelwies führte den Vortragenden ein. Rabbi Andy Steiman ging gleich mitten in die Thematik und stellte eingangs klar, dass es sich bei den „10 Geboten“ nicht eigentlich um Gebote, sondern um Weisungen und Grundprinzipien für das Leben oder schlicht um zehn Worte oder Aussagen handele, die in engem Zusammenhang mit den insgesamt 613 Weisungen oder Gesetzen stehen, die den Juden zur Befolgung aufgegeben sind, aber teilweise nicht mehr angewendet werden können, da sie sich zeitlich überholt haben.
Dadurch, dass sie im Wesentlichen vom Christentum übernommen worden sind, ergibt sich, dass dessen Wurzeln im Judentum lägen und der „Echoraum des Neuen Testaments“ das Judentum ist. Der Rabbiner entfaltete am Flipchart eine eindrucksvolle Systematik der „10 Gebote“, ausgehend von der Feststellung, dass die Zahl zehn die Quersumme der Gesamtzahl von 613 ist. Dies ist gewissermaßen ein Zeichen dafür, dass diese zehn die Zusammenfassung aller anderen „Gebote“ seien. Derer allererstes sei übrigens „Seid fruchtbar und mehret euch“.
Zieht man die „10 Gebote“ von der Gesamtzahl von 613 ab, bleiben 603, die sich in 248 positive Verhaltensregeln und 365 negative „Verbote“ aufteilen. Das wird im Hinblick auf 248 Knochen und Körperteile des Menschen als Einhalten mit allen Kräften des ganzen menschlichen Wesens und im Hinblick auf die 365 Tage des Jahres als täglich notwendige Beachtung gedeutet.
Dann stellte der Vortragende die „10 Gebote“ nach dem Buche Exodus des Alten Testaments zusammen und teilte sie nach ihrer Zugehörigkeit zum Verhältnis Gott-Mensch und zu den zwischenmenschlichen Beziehungen auf, entsprechend den zwei Tafeln, die Moses vom Berge Sinai mitgebracht haben soll.
Um dieses Gerüst herum erläuterte der Vortragende viele dahinterliegende Gedanken und Praktiken des Judentums und fasste die beiden Tafeln als These und Antithese von Himmel und Erde in der Synthese des Lebens zusammen. Sie ließen sich letztlich in dem bekannten Diktum „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ zusammenfassen.
Das Publikum zeigte sich beeindruckt von der lebendigen, anschaulichen und eingängigen Vortragsweise des Rabbiners und stellte zum Schluss noch eine Reihe von Verständnisfragen. Insgesamt ergab sich beim Betrachter die Erkenntnis, auch wenn die christliche Fassung der „10 Gebote“ etwas von der des Buches Exodus abweicht, es doch so viele Gemeinsamkeiten im Glauben an den einen Gott und seine Gebote zwischen Juden und Christen gibt, dass man sich nur wundern kann, warum Christen und Juden sich solange distanziert gegenübergestanden sind. red