24. März 2020

Leserbrief

„Kommunalpolitik ist unbezahltes Ehrenamt“

Zum Leserbrief „Steuergelder können für Wahlkämpfe genutzt werden“ in der Online-Ausgabe vom 19. März erreichte die Redaktion nachfolgender Leserbrief von Katja Lindenau. Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Wenn auch Sie einen Leserbrief veröffentlichen möchten, senden Sie ihn unter Angabe Ihrer vollständigen Adresse und einer Rückruf-Telefonnummer an info@schwalbacher-zeitung.de.

Ich möchte den Leserbrief von Herrn Bernhard Benner nicht unkommentiert lassen, denn erstens greift seine Steuerberechnung zu kurz und zweitens schreibt Herr Benner „Spenden an eine Partei und Mitgliedsbeiträge werden zu 50 Prozent direkt von der Steuerschuld des Spenders abgezogen.“ und das ist sachlich falsch.
Für die Absetzbarkeit von Zuwendungen an Parteien gilt: Die zu zahlende Einkommensteuer wird durch die Zuwendung an eine Partei reduziert, und zwar in der Regel um die Hälfte des gespendeten Betrags (§ 34g EStG) bis zu einem Spendenbetrag von maximal 1.650 Euro (bei Einzel-Veranlagung) oder 3.300 Euro (bei Zusammen-Veranlagung). Bei darüber hinaus gehenden Spenden wird es komplizierter. Da reduziert der übersteigende Betrag bis 1.650 Euro bzw. 3.300 Euro das zu versteuernde Einkommen (§ 10 b Abs. 2 EStG). Nun ist der finanzielle Aufwand bei einer Bürgermeisterkandidatur um ein Vielfaches größer als der Betrag, bis zu dem der hälftige Abzug gilt. Herr Benners Aussage zur direkten Reduzierung der Steuerlast um 50 Prozent ist somit sachlich falsch, auch weil das zu versteuernde Einkommen je Kandidat variiert und Annahmen oder Berechnungen über Steuerschulden oder -erstattungen für jeden Einzelfall zu berechnen sind.
Darüber hinaus erwähnt Herr Benner nicht, dass alle Wahlkampfkosten aus versteuertem, sozialversicherungspflichtigen Einkommen bezahlt werden. Alle beauftragten Dienstleistungen sind zudem Mehrwertsteuerpflichtig, so dass der Staat und alle Steuerzahler von 19 Prozent Mehrwertsteuerzahlungen profitieren. Wären wir Kommunalpolitker in einem Verein tätig, dann könnten wir im Jahr 2020 eine Übungsleiterpauschale in Höhe von 3.000 absetzen, aber dazu zählen Parteien nicht.
Als Bürgermeisterkandidatin gelten meine Wahlkampfkosten auch nicht als Werbungskosten, die von jedem Steuerzahler ganz legal bei einem Job- oder Berufswechsel abgesetzt werden können, dabei habe ich mich doch um einen neuen Arbeitsplatz beworben. Das sind Möglichkeiten der steuerlichen Absetzbarkeit, die für andere Steuerzahler ganz legitim gelten. Parteispenden und Aufwendungen für politische Arbeit wiederum folgen anderen gesetzlichen Regelungen.
Herr Benner berechnet dann auch noch „… Steuergelder, die von der Partei auch für Wahlkämpfe genutzt werden können“. Steuergelder, die eine Partei erhalten haben könnte, gab es für meinen Wahlkampf nicht. Wir Schwalbacher Grünen vergeben Aufträge und bedienen ganze Wirtschaftszweige auf Kommunalebene immer auf eigene Kosten. In meinem Bürgermeisterinnen-Wahlkampf gab es Aufträge an Solo-Selbständige wie zum Beispiel die Fotografen, Grafiker, Lektoren und Gastronomen, die so einen Teil ihres Lebensunterhaltes verdienen und damit nicht von Zahlungen unseres Staates abhängen. Aber auch kleine bis mittelständische Unternehmen wie Baumärkte, Zeitungen und Journalisten, Verlage und Druckereien generieren mit Parteienwerbung, dem eigentlichen Wahlkampf und der Berichterstattung einen Teil ihres Umsatzes. Sie alle zahlen je Auftrag ihre Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in ein Gesamtsystem ein. Es ist ein Nehmen und Geben, von allen Beteiligten und vom Staat.
Nur eines wird dabei nicht erstattet, das ehrenamtliche Engagement und die viele Zeit, die man investiert. Das weiß auch der Staat. Deshalb fördert er ehrenamtliches Engagement mit einem Minimum an Steuerermäßigungen, sei es durch die Absetzbarkeit einer Übungsleiterpauschale oder als indirekte Steuergutschrift auf Spenden für gemeinnützige Organisationen oder an Parteien. Damit in Bund und Land nicht der Lobbyismus regiert, behält sich unser Staat vor, eine Grundstruktur von demokratisch gewählten Parteien und ihren Mitarbeitern finanziell zu unterstützen. Auf die ehrenamtliche Kommunalpolitik ist diese finanzielle Unterstützung allerdings nicht übertragbar, diese politische Arbeit kostet Zeit und Geld. Sich solidarisch zu verhalten und ehrenamtlich tätig zu sein, das ist etwas, was unverzichtbar und unbezahlbar bleibt. Das lässt sich nicht gegeneinander aufrechnen. Das merken wir besonders in diesen Zeiten.

Katja Lindenau,
Bündnis 90/Die Grünen

Ein Gedanke zu „„Kommunalpolitik ist unbezahltes Ehrenamt“

  1. Diesen Sätzen ist nichts hinzuzufügen. Jeder, der sich schon einmal ehrenamtlich politisch betätugt hat, wird ihnen zustimmen.

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