Ein ungewöhnliches Heiligenbild gehörte fast 300 Jahre lang zum Inventar der katholischen Gemeinde St. Pankratius: eine bärtige Frau am Kreuz. Jetzt ist das Kreuz im Diözesanmuseum in Limburg.
In der Kirche war die ungewöhnliche Darstellung der „gekreuzigten Kümmernis“ oder „Heiligen Wilgefortia“ nur selten zu sehen. Der märchenhafte Kult war und ist in der katholischen Kirche umstritten und so fristete das Kreuz lange Zeit ein Dasein auf dem Speicher der Kirche in Alt-Schwalbach. Pfarrer Lenferding ließ das Kruzifix in den 30er-Jahren restaurieren und wieder in der Kirche aufstellen. Doch schon kurz darauf wurde es erneut abgehängt und landete auf dem Speicher des alten Pfarrhauses in der Taunusstraße.
Dort wurde es vor sieben Jahren aufgrund von Nachforschungen des Kronberger Kümmernis-Experten Manfred Bickel aufgefunden und der Pfarrgemeinde aus Anlass des Kirchweihfestes 2015 präsentiert. Seitdem liefen verschiedene Bestrebungen, das Kreuz wegen seines kulturhistorischen Wertes irgendwie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Diese Bestrebungen führten schließlich dazu, dass sich Prof. Dr. Matthias Kloft, Direktor des Diözesanmuseums und Diözesankonservator des Bistums Limburg der Sache annahm und die Aufnahme des Kreuzes in das Diözesan-Museum in Limburg in Aussicht stellte. Die vorausgehende Restaurierung übernahm im Auftrage des Bistums die Restauratorin Katja Schenk aus Elz bei Limburg.
Jetzt ist das restaurierte Kreuz im Diözesan-Museum auf dem Domberg in Limburg ausgestellt und steht zur Besichtigung bereit. Das Bistum hat das Kreuz im Rahmen eines Leihvertrages mit der Katholischen Gemeinde Schwalbach zunächst für zehn Jahre übernommen. Es bleibt also im Besitz der hiesigen Kirchengemeinde.
Die „Cruzifixa“, die gekreuzigte Jungfrau, geht auf eine uralte Legende aus der Frühzeit der Christenheit, die sich über die Verbindung zu einer Pilgerstätte in Oberitalien und Portugal dann nördlich der Alpen verbreitet hat, zurück. Sie handelt von einer Jungfrau, die keinen heidnischen König zum Gemahl haben wollte und der Gott einer Bart wachsen ließ, damit sie keinem Mann mehr gefalle. Sie wurde dann gekreuzigt und ihre Legende verband sich mit einer anderen, wonach ihr Bildnis einem armen Spielmann für sein Spiel den rechten silbernen oder goldenen Schuh zugeworfen hat.
Tatsächlich hat die Frau aber wohl nie existiert und wurde auch nie offiziell von der Kirche heiliggesprochen. Der Kult war seit dem 17. Jahrhundert im heutigen Hessen stark verbreitet und im Dom zu Mainz, in Bingen, Eltville und Hattenheim, ja auch in Fischbach und Kronberg, sind entsprechende Darstellungen nachweisbar. Ein Teil ihrer Legende fand Eingang in die Märchensammlung der Gebrüder Grimm.
Das Diözesan-Museum hat angeboten, bei Gelegenheit eine Führung für die Schwalbacher Gemeinde durchzuführen. Sobald das wegen Corona wieder leichter möglich ist, soll es eine Fahrt nach Limburg geben. red
Ich fand die Sage um die geheimnisvolle Wilgefortis schon immer ausgesprochen spannend und hatte immer gehofft, das auf einem Dachboden verborgene Schwalbacher Kreuz mit ihrer Figur einmal sehen zu können. Zu spät. Jetzt ist sie weg. Wie schade. Jetzt müssen die SchwalbacherInnen nach Limburg pilgern, um sie zu sehen. Es wäre schön, wenn man das tatsächlich – wenn Corona-Omikron abgeflaut sein wird – gemeinsam machen könnte, z.B. mit einer organisierten Busfahrt. Und es ist schön, dass die Figur nun auf Kosten des Bistums Limburg restauriert worden ist. Und es wäre ganz besonders schön, wenn sie nach zehn Jahren wohlbehalten nach Schwalbach zurückkehren und einen Ehrenplatz in einem großartigen Heimatmuseum bekommen würde – gleich neben dem Viergötterstein… Und innerhalb von zehn Jahren werden wir das wohl hinkriegen mit dem Heimatmuseum; jetzt gibt es ja noch einen weiteren Anreiz. Wenn es nach mir ginge, so sollten unsere Exponate am liebsten in die wiederaufgebaute Schwalbacher Burg umziehen. Man darf ja träumen…
Dr. Claudia Ludwig