31. August 2022

Theaterstück zeigte, wie lustig die Abgründe der Menschen sein können

Klassische Zoten in Reimform

Viel Spaß hatten die Zuschauer hinter der alten Schule bei der Aufführung von Goldinis „Der Diener zweier Herren“. Foto: te

„Der Diener zweier Herren“ – ein Klassiker des italienischen Dramatikers Carlo Goldini – stand am 18. August auf dem „Spielplan“ von „Summer in the city“ hinter der alten Schule.

Die gut besuchte Aufführung der „Dramatischen Bühne“ spielte vor eher schlichtem Bühnenbild, war dafür aber üppig kostümiert und pointiert mit Spitz- oder Doppelkinn sowie Lang- und Hakennase maskiert. Das Stück gilt als Höhepunkt der Commedia dell’arte. Die Präsentation wirkte flott und gut gespielt überzeugend. Besonders Sarah Kortmann in der Rolle als ausdrucksstarke, zickig-launig-fiese, mit kühlem Kalkül Ehe und Freier wägende Braut in spe Tiodina und Julian W. Koenig als ihr Vater Florindo, der in geflissentlicher Nonchalance mit allerlei altklug-weisen Gemeinplätzen in epischen Monologen daherschwadronierte und damit rhetorisch alle anderen niederwalzte, beeindruckten gleichermaßen.

Ein erfrischend wirkender Hauch aktueller sprachstilistischer Moderne in den ansonsten fast durchgehend altsprachig-dichterisch gereimt gehaltenen Versen zeigte sich an Beispielen wie „Echt jetzt?“, „Sag‘ mal geht’s noch?“ und „Krass!“

Zwischendurch gab es in, wie aus dem Herzen von Teilen des Publikums sprechenden, zugespitzten Momenten, immer wieder Szenenapplaus, gelegentlich auch begleitet von schadenfroh-hämischem Gelächter. Dies gab Zeugnis von gut unterhaltenem Publikum, das damit auch Ähnlichkeiten und Parallelen aus eigenem Erleben erkannt zu haben bekundete und somit als Wahrheit attestierte.

Derlei Gelegenheiten gab es viele, strotzte die Dramaturgie doch vor, im Kern häufig leider allzu wahren, zahllosen gegenseitigen gender-Gehässigkeiten, Abneigungen, Zoten, Vorurteilen, Plattitüden und Verleumdungen gesellschaftlicher und auch schonungslos direkt sexistischer Natur. Zarte Gemüter waren stellenweise mitunter etwas gefordert und manche Anspielung war dabei vielleicht auch nicht gänzlich jugendfrei. Das Publikum war dabei aber durchaus der vernünftigen Gerechtigkeit geneigt und nicht nur frivol-lüsternd, als es manchmal auch wie im Chor mit überrascht-verschämten „Oh-hoho“-Rufen reagierte.

Es wurde vor lauter Lug und Trug mit durchweg eher niedrigen als edlen Beweggründen kaum eine Gemeinheit im Denken und Sprechen ausgelassen, die darauf abzielte, mit Hilfe von Blendereien, manipulativen Verführungskünsten und Intrigen virtuos materiell und emotional entwickelte Abhängigkeiten zu kultivieren, um daraus nimmersatt erniedrigend gierig egoistische Vorteile maximal zu generieren.

Dabei freilich stets ostentativ wohlredend, aber nicht danach handelnd. Sofern nützlich, dann auch gerne mit Selbstverleugnung.

Alles das auf vergnüglich-humorige Art zwar, aber im Grunde genommen mit bitter-ernster Kritik an den damaligen gesellschaftlichen Verhältnissen mit ihren mannigfaltigen, auch naturgesetzlichen Sachzwängen, die selbst heute noch in unserer zivilisiert-kultivierteren Zeit anzutreffen sind. Kulminiert in dem Satz des von Thorsten Morawietz gemimten Dieners Truffaldino: „Die Frau ist Herr, der Mann ist Knecht.“

Es wurde nicht gespart mit Verschrobenheiten sowie missgünstig-verächtlichen Lästereien über besonders in einer Ehe unübersehbar werdende, altersbedingte körperliche und mentale Gebrechen. Dabei sei eines der wenigen nützlichen Symptome des Alterns die in eigentümlich synchroner Balance nachlassende Seh- und zugleich auch Geisteskraft, die davor bewahre, andere in ihrer Verwelktheit noch unbehaglich genau schauen zu können. So bringt die humanoide Evolution von alters her unablässig immer wieder ihre obgleich tragischen, aber so betrachtet wiederum human wirkenden, wundersamen Finessen gnädig in den Alltag von menschlichem Herbst und Spätherbst ein. te

 

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