28. September 2022

Serie über den größten finanziellen Verlust in der Geschichte Schwalbachs

Teil 3: Der Verdacht

Die Stadt Schwalbach hat 19 Millionen Euro bei der inzwischen insolventen Greensill-Bank angelegt und mutmaßlich verloren. In einer Serie beleuchtet die Schwalbacher Zeitung, wie es zum größten finanziellen Verlust in der Geschichte der Stadt kommen konnte und wer die Verantwortlichen für das Desaster sind. Im dritten Teil geht es um eine gefälschte E-Mail und Ungereimtheiten rund um die erste Festgeldanlage bei der Greensill-Bank, die viele Fragen offen lässt.

Während die Stadt Schwalbach unter seiner Vorgängerin Christiane Augsburger Festgelder nur bei Sparkassen und Volksbanken abgeschlossen hat, änderte sich wenige Tage nach der Amtsübernahme durch Alexander Immisch am 7. Juni 2020 die Anlagestrategie der Stadt. Erstmals wurden Steuergelder auch Privatbanken anvertraut. Die Premiere war am Mittwoch, 10. Juni. An diesem Tag wurden drei Millionen Euro für sechs Monate bei der Greensill-Bank angelegt. Die genauen Umstände dieses ersten Greensill-Geschäftes liegen allerdings im Dunkel und wurden von der Revision des Main-Taunus-Kreises gleich in mehrfacher Hinsicht gerügt.

Die Eckdaten des Deals sind noch recht transparent: An seinem dritten Arbeitstag als Bürgermeister eröffnete Alexander Immisch am 10. Juni ein Konto bei der Bank aus Bremen. Am Nachmittag des selben Tags wurde die Transaktion telefonisch vereinbart. Am Montag, 15. Juni, floss das Geld und die Laufzeit des Festgelds begann. Am Donnerstag, 18. Juni, unterzeichnete der Bürgermeister abschließend den Vertrag.

Die gesamte Transaktion ist nur mangelhaft dokumentiert, wie aus dem Bericht der Revision des Main-Taunus-Kreises hervorgeht, die nach der Greensill-Pleite sämtliche Geldanlagen der Stadt Schwalbach akribisch überprüft hat. Die Revision beanstandet zum Beispiel, dass in den Unterlagen keine Vergleichsangebote anderer Banken und keine Angaben zum Rating der Greensill-Bank zu finden sind, das seinerzeit mit A- durchaus in Ordnung war.

Zu den Vergleichsangeboten reichte die Stadt der Revision im Mai 2021 auf Nachfrage eine E-Mail mit Konditionen nach, die sich im Nachhinein als hochbrisant herausstellte: Denn sie war offensichtlich gefälscht. Aus zwei E-Mails aus anderen, ähnlichen Geschäftsvorgängen, war eine fingierte E-Mail zum ersten Greensill-Geschäft zusammenkopiert worden. Die Revision erkannte das daran, dass die Mail merkwürdigerweise zwei Anreden enthielt. Alexander Immisch entschuldigte sich bei der Revision und beteuerte, dass zu einer Manipulation keine Absicht bestanden hätte. Doch auch seine Erklärung für die gefälschte E-Mail hielt einer Nachprüfung nicht stand.

Die E-Mail sei für den Akteneinsichtsausschuss als „Beispiel“ gedacht gewesen. Allerdings gingen auch die meisten Ausschussmitglieder seinerzeit davon aus, dass es sich um die echte Angebots-E-Mail handelt. Für das Fehlen der Original-E-Mail hatte Alexander Immisch gegenüber der Revision eine Erklärung: Im Schwalbacher Rathaus sei sie nicht mehr auffindbar und beim Anlagevermittler sei die zuständige Mitarbeiterin in Mutterschutz, so dass auch von dort keine Unterlagen mehr zu bekommen seien.

Dass das stimmt, bezweifelt die Revision, denn der Anlagevermittler hatte der Stadt Schwalbach längst bestätigt, dass der gesamte E-Mail-Verkehr vollständig archiviert ist. Tatsächlich existierte die angeblich fehlende E-Mail nie, da das erste Greensill-Geschäft telefonisch abgeschlossen worden war. Von wem, ist allerdings nicht dokumentiert.

Erstaunlich ist im Zusammenhang mit dem ersten Greensill-Geschäft auch, dass der Anlagevermittler bereits im Mai 2020 – also noch vor Alexander Immischs offiziellem Amtsantritt – ein Angebotsblatt an die Stadt Schwalbach gesandt hatte. Als die Revision dieses Dokument prüfte, stellte sie fest, dass der Name des Empfängers in diesem speziellen Fall geschwärzt worden war. Später war die Schwalbacher Verwaltung dann nicht mehr in der Lage, die E-Mail, die zu dem Angebot gehört, auf ihren Servern zu finden und erklärte, der geschwärzte Name auf dem Angebotsblatt sei der einer anderen Stadt gewesen, die das gleiche Angebot erhalten habe und die man aus Datenschutzgründen unkenntlich gemacht habe.

Die Revision bewertet das in ihrem Bericht nicht weiter. In Schwalbach gibt es aber nicht wenige, die behaupten, dass Alexander Immisch selbst den ersten Greensill-Deal eingefädelt und schon vor seinem Amtsantritt vorbereitet hat. Belege gibt es dafür nicht, nur Indizien wie die manipulierte E-Mail, den geschwärzten Namen auf dem Angebotsblatt aus dem Mai 2020 und das Fehlen der dazugehörigen E-Mail. Der ganze Vorgang ist auch Gegenstand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt, die aktuell zu dem laufenden Verfahren aber keine Angaben macht.

Dem Verdacht entgegen steht, dass die Revision in ihrem Bericht an anderer Stelle erklärt, dass aus den vorgelegten Unterlagen hervorgeht, dass Alexander Immisch „entscheidungsrelevante Informationen zur Greensill-Bank“ fehlten. Außerdem soll er erst im September 2020 – also drei Monate und drei Festgelder später – bei der Leiterin der Stadtkasse nachgefragt haben, wer denn die Greensill-Bank überhaupt sei und wann dort das erste Mal Geld angelegt worden sei. Aber auch in diesem Fall ist nur die Antwort überliefert, nicht aber die Frage des Bürgermeisters selbst. Fortsetzung folgt. MS

Teil 4 – Sorglos in die Katastrophe

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