29. Juni 2021

CDU, SPD und „Eulen“ fordern eine Prüfung der nach Personen benannten Straßen

Vier problematische Straßennamen

Die Benennung von Schwalbacher Straßen nach ihnen gilt als problematisch: Hans-Bernhard Reichow, Rudolf Dietz und Julius Brecht (von links).

CDU und die SPD haben zusammen mit den „Eulen“ einen Antrag auf Untersuchung der Schwalbacher Straßennamen mit Personenbezug beantragt. Dieser soll demnächst in der Stadtverordnetenversammlung besprochen werden.

Laut dem Antrag sollen 13 Straßennamen und die Personen dahinter überprüft werden. Dabei soll auf ihre Lebensleistung und ihre Ehrungen, das Eintreten für Demokratie und Menschenrechte, ihr Bezug zum Nationalsozialismus sowie Antisemitismus und Rassismus auch bezüglich Sinti und Roma und ihr Verhältnis zum Kolonialismus, Nationalismus, Militarismus, Homophobie und Kommunismus geachtet werden. Es soll auf Grund von Gutachten, Veröffentlichungen und biographischen Materials an Lösungsvorschlägen gearbeitet werden, wie die Stadt mit den Straßennamen umgehen soll. Die Ergebnisse sollen zeitnah bei einer Bürgerversammlung vorgestellt werden. Eventuell soll dies mit einer Ausstellung zu den einzelnen Personen verbunden werden, die die Schulen später für den Unterricht verwenden können. Mit dem Antrag soll die Diskussion um eine mögliche Umbenennung des Rudolf-Dietz-Wegs wieder aufgenommen werden, die im Herbst 2019 ohne Ergebnis vertagt worden ist.

Die Unbedenklichen

Es gibt 13 Straßen in Schwalbach die nach Personen benannt worden sind. Der bekannteste ist vermutlich Friedrich Ebert, nach dem die Friedrich-Ebert-Straße benannt ist. Ebert war der erste Reichspräsident der Weimarer Republik und bekannter SPD-Politiker vor und nach dem ersten Weltkrieg. Er wurde 1871 geboren und trat während seiner Lebenszeit für gleiche Rechte für Arbeiter ein. Zum Ende des ersten Weltkriegs sorgte er als provisorischer Reichskanzler und danach als Reichspräsident maßgeblich für den Aufbau der Weimarer Republik und den ersten öffentlichen Wahlen in Deutschland. 

Der Albert-Richter-Weg an den Sportplätzen ist erst im Jahre 2020 nach dem Radweltmeister aus der Weimarer Republik benannt worden, der 1912 in Köln geboren wurde. Er gewann viele internationale Turniere und Veranstaltungen, dabei weigerte er sich, das Hakenkreuz auf seinem Trikot zu tragen und hielt an seinem jüdischen Trainer fest. Am 31. Dezember 1939 wurde auf dem Weg in die Schweiz von den Nazis ermordet.

Die Wilhelm-Leuschner-Straße am Naturbad wurde nach dem SPD-Politiker und Widerstandkämpfer benannt. Er kämpfte im ersten Weltkrieg und war ab 1924 SPD-Abgeordneter im hessischen Landtag. Ein paar Jahre später wurde er zum Innenminister Hessens ernannt. Nachdem er wegen der Machtergreifung der Nazis sein Amt abgeben musste, fing er an, über einen Putsch nachzudenken und wurde inhaftiert. Nachdem die Nazis ihn im Konzentrationslager misshandelt hatten, ließen sie ihn wieder frei. Nach dem Stauffenberg-Attentat, an dessen Planung er beteiligt war, wurde er verhaftet und 1944 zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Die Adolf-Damaschke-Straße am Anfang des Ostrings ist nach dem Pädagogen und Bodenreformer Adolf Damaschke benannt. 1865 wurde er in Berlin geboren. Er setzte sich für die faire Verteilung von Grundstücken durch den Staat ein. Viele seiner Forderungen wurden in der Weimarer Republik umgesetzt und finden sich zum Teil noch heute im Grundgesetz. Damaschke wurde zu dieser Zeit sogar als erster Reichspräsident vorgeschlagen. Er starb 1935 und stellte sich vorher durchaus kritisch den Nazis gegenüber.

Die Friedrich-Stoltze-Straße  wurde nach dem Frankfurter Dichter und Satiriker benannt. 1826 kam er in Frankfurt auf die Welt. Zeit seines Lebens wetterte er in seiner Zeitung „Frankfurter Latern“ gegen Preußen und Otto von Bismarck. Das ging so weit, dass er von der Zensur verfolgt wurde und die Zeitung für zehn Jahre verboten war.

Ernst-Elias-Niebergall war ein Darmstädter Dichter im 19. Jahrhundert und nach ihm wurde der Niebergallweg benannt. Er schrieb das bekannte Darmstädter Theaterstück „Datterich“, das noch heute aufgeführt wird.  Mit 28 Jahren starb 1843 an einer Lungenentzündung und erlebte die Uraufführung seines Theaterstückes nicht mehr.

Die Problematischen

Der Mittelweg in der Limesstadt wurde erst vor wenigen Jahren zu Ehren des Architekten der Limesstadt in den Hans-Bernhard-Reichow-Weg umbenannt. Dieser wurde 1899 im heutigen Polen geboren. Nach seinem Studium Ende der 20er-Jahre arbeitete er als Städteplaner. Nachdem die Nazis an die Macht kamen, trat er 1937 der NSDAP bei und wurde im selben Jahr zum Baudirektor in Stettin befördert. Er plante zusammen mit anderen Architekten den „Generalplan-Ost“, der die „Besiedelung“ Polens durch Nazi-Deutschland organisierte. In den 50er- und 60er-Jahren arbeitete er dann als freier Architekt und plante unter anderem die Limesstadt. Hans-Bernhard Reichow hat sich eindeutig auf die Seite der Nazis gestellt, weswegen seine Ehrung mit einem Straßennamen umstritten ist.

Die Julius-Brecht-Straße wurde nach dem 1900 geborenen SPD-Politiker benannt. In den 20er-Jahren war er Direktor eines Wohnungsunternehmens. 1937 trat er der NSDAP bei und leitete kurze Zeit später den „Reichsverband des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens“. Nach dem zweiten Weltkrieg wechselte er rasch zur SPD und saß für diese bis zu seinem Tod 1962 im Bundestag. Die Umbenennung der Julius-Brecht-Straße ist durchaus diskussionswürdig, da er unter den Nazis eine relativ hohe Position innehatte.

Der wohl strittigste Straßenname in Schwalbach ist der Rudolf-Dietz-Weg. Dieser war Heimatdichter. 1863 wurde er in Naurod bei Wiesbaden geboren. Er veröffentlichte viele Heimatgedichte während seiner Lebenszeit. In der Weimarer Republik trat der dem „Deutschbund“ bei, der laut den Nazis das Gedankengut Hitlers vorwegnahm. Außerdem verherrlichte er den Aufstieg Hitlers und wetterte in vielen seiner Gedichte gegen Juden.

Die Jahnstraße an der Turnhalle wurde nach dem „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn benannt. Er wurde 1778 in Mecklenburg-Vorpommern geboren.  Jahn gründete den ersten Turnverein Deutschlands und eröffnete die erste Turnhalle. Die nach seinem Vorbild eröffneten Vereine orientierten sich stark an seinem Nationalismus, Frankreich- und Judenhass. Er initiierte sogar die erste moderne Bücherverbrennung, bei der viele Texte verbrannt wurden. Aufgrund eines Attentats eines Turners wurden die Vereine 1819 verboten und Friedrich Ludwig Jahn wurde inhaftiert. Nachdem er wieder freigelassen wurde und die Vereine wieder erlaubt waren, distanzierte er sich von ihnen, da sie sich immer demokratischer orientierte, was gegen seine Auffassung sprach. Die Nazis hielten ihn für einen Vorboten des Nationalsozialismus. Manche Wissenschaftler halten eine Umbenennung der vielen Straßen und Turnhallen für nicht förderlich. Es gibt jedoch auch viele lokale Initiativen, die die nach ihm benannten Straßen umbenennen wollen.

Die Neutralen

Die Elly-Beinhorn-Straße im Camp-Phönix-Park wurde nach der deutschen Flugpionierin benannt. Sie wurde 1907 in Hannover geboren und unternahm in den 30er-Jahren viele bekannte Langstreckenflüge, darunter unter anderem eine Weltumrundung im Alleinflug. Während des zweiten Weltkriegs flog sie nicht mehr. Sie trat nie explizit für die Nazis und deren Ideologien ein, jedoch äußerte sie sich auch nicht gegen sie und lebte ohne Probleme unter dem Regime als eine nationale Bekanntheit. Nach dem zweiten Weltkrieg veröffentlichte sie mehrere Bücher und moderierte im WDR.

Im Camp-Phönix-Park liegt auch die Graf-Zeppelin-Straße, die nach dem Erfinder des Zeppelins, Ferdinand Graf von Zeppelin benannt wurde. Er wurde 1838 geboren. Er war Teil des Reichsheeres bis er in den 1870er-Jahren das Militär verließ und sich der Konstruktion eines starren Luftschiffes zuwandte. Im frühen 20. Jahrhundert gelang ihm die Konstruktion der LZ1, dem ersten Zeppelin.

Die Katharina-Paulus-Straße im Camp-Phönix-Park ist nach der Ballonfahrerin und Luftfahrtpionierin Katharina Paulus benannt. Sie wurde 1868 in Seligenstadt geboren und wuchs in Frankfurt auf. Durch ihren Mann lernte sie die Luftakrobatik kenne und unternahm bis zum ersten Weltkrieg 512 Fahrten mit ihrem Ballon und sprang 147 Mal kunstvoll mit ihrem Fallschirm ab. Sie konstruierte den noch heute verwendeten Paketfallschirm, den sie im ersten Weltkrieg für das Kaiserreich produzierte. Robin Brehm

 

3 Gedanken zu „Vier problematische Straßennamen

  1. Dieser Meinung kann ich nur zustimmen. Was soll die Umbenennerei? Warum hat man es beispielsweise nicht einfach nur bei ‚Mittelweg‘ gelassen und musste diesem einen neuen Namen zu geben?

  2. Haben wir keine anderen Probleme, als Straßen, die seit Jahrzehnten diese Namen tragen, plötzlich im Zuge der überbordenden politischen Korrektheit umzubenennen?
    Wer so etwas entscheidet, soll dann aber auch für sämtliche betroffenen Anwohner die Adressänderungsmitteilungen an Arbeitgeber, Krankenkasse, Rententräger, Versicherungen, Vereine, Versandhäuser, Zeitschriften- und Zeitungsverlage, Banken, Telekom, Führerscheinstelle und alle anderen Institutionen übernehmen – einschließlich der Kosten. Falls Gewerbetreibende betroffen sind, gilt das natürlich auch für Gewerbeamt, IHK, Handwerkskammer, Finanzamt und Steuerberater.

    Ach ja – die Adlerstraße benennen wir am besten gleich mit um. Der Adler ist schließlich das Wappentier der Eintracht und es könnten ja Fans von Kickers Offenbach hier wohnen und sich deshalb unwohl fühlen. Und die Besucher erst… das kann man ja wirklich keinem zumuten!!!

    Liebe Politiker (m/w/d/sonstwas), bleibt doch BITTE mal auf dem Teppich und kümmert Euch um die WICHTIGEN Dinge unserer Stadt!

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